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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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Quartiere erst verlernten, wenn die Manier des Höf¬
lingslebens sie beleckt hatte. Bei Eberhard und Adel¬
heid von Reckenburg mögt Ihr in die Schule gehen,
wollt Ihr erhobenen Haupts und ohne Schwanken,
wie jeder brave Mensch es soll, vor Hoch und Gering
im Takte schreiten.

Wenn die Freifrau von Reckenburg sich nach der
Post begab, um ein durchreisendes Mitglied ihres
Fürstenhauses zu begrüßen, in der nämlichen Robe,
in welcher sie als blutjunges Fräulein demselben hohen
Haupte präsentirt worden war, so schritt sie, beugte
sich und redete, bei aller Ehrfurcht, selber wie eine
Kurfürstin, denn sie wußte ihre Ahnenreihe so alt
und rein wie die des Hauses Wettin. Wenn die Ge¬
mahlin des vielschröpfenden Herrn Amtmanns, oder
die des reichsalarirten Oberforstmeisters in eigner Ca¬
rosse, Kammerdiener oder Jäger auf dem Trittbrett,
zur Visite vorfuhren, so ging sie denselben in ihrer
getünchten Wohnstube mit der Quehle im Ofenwinkel,
eher einen Schritt weniger entgegen und machte ihre
Reverenz eher eine Linie weniger tief als jene Damen
es thaten, sobald sie in deren Prunkzimmern zur Ge¬
genvisite empfangen ward, denn die reiche Amtmannin
war gar nicht und die Andere von neuerem Adel als

Quartiere erſt verlernten, wenn die Manier des Höf¬
lingslebens ſie beleckt hatte. Bei Eberhard und Adel¬
heid von Reckenburg mögt Ihr in die Schule gehen,
wollt Ihr erhobenen Haupts und ohne Schwanken,
wie jeder brave Menſch es ſoll, vor Hoch und Gering
im Takte ſchreiten.

Wenn die Freifrau von Reckenburg ſich nach der
Poſt begab, um ein durchreiſendes Mitglied ihres
Fürſtenhauſes zu begrüßen, in der nämlichen Robe,
in welcher ſie als blutjunges Fräulein demſelben hohen
Haupte präſentirt worden war, ſo ſchritt ſie, beugte
ſich und redete, bei aller Ehrfurcht, ſelber wie eine
Kurfürſtin, denn ſie wußte ihre Ahnenreihe ſo alt
und rein wie die des Hauſes Wettin. Wenn die Ge¬
mahlin des vielſchröpfenden Herrn Amtmanns, oder
die des reichſalarirten Oberforſtmeiſters in eigner Ca¬
roſſe, Kammerdiener oder Jäger auf dem Trittbrett,
zur Viſite vorfuhren, ſo ging ſie denſelben in ihrer
getünchten Wohnſtube mit der Quehle im Ofenwinkel,
eher einen Schritt weniger entgegen und machte ihre
Reverenz eher eine Linie weniger tief als jene Damen
es thaten, ſobald ſie in deren Prunkzimmern zur Ge¬
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war gar nicht und die Andere von neuerem Adel als

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[91/0098] Quartiere erſt verlernten, wenn die Manier des Höf¬ lingslebens ſie beleckt hatte. Bei Eberhard und Adel¬ heid von Reckenburg mögt Ihr in die Schule gehen, wollt Ihr erhobenen Haupts und ohne Schwanken, wie jeder brave Menſch es ſoll, vor Hoch und Gering im Takte ſchreiten. Wenn die Freifrau von Reckenburg ſich nach der Poſt begab, um ein durchreiſendes Mitglied ihres Fürſtenhauſes zu begrüßen, in der nämlichen Robe, in welcher ſie als blutjunges Fräulein demſelben hohen Haupte präſentirt worden war, ſo ſchritt ſie, beugte ſich und redete, bei aller Ehrfurcht, ſelber wie eine Kurfürſtin, denn ſie wußte ihre Ahnenreihe ſo alt und rein wie die des Hauſes Wettin. Wenn die Ge¬ mahlin des vielſchröpfenden Herrn Amtmanns, oder die des reichſalarirten Oberforſtmeiſters in eigner Ca¬ roſſe, Kammerdiener oder Jäger auf dem Trittbrett, zur Viſite vorfuhren, ſo ging ſie denſelben in ihrer getünchten Wohnſtube mit der Quehle im Ofenwinkel, eher einen Schritt weniger entgegen und machte ihre Reverenz eher eine Linie weniger tief als jene Damen es thaten, ſobald ſie in deren Prunkzimmern zur Ge¬ genviſite empfangen ward, denn die reiche Amtmannin war gar nicht und die Andere von neuerem Adel als

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/98>, abgerufen am 30.04.2024.