Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

darunter. Sie hörten dort lachen und singen; eine
frohe Kinderschar drängte sich um die Bank, Andere
lagen, Blumen und Halme zusammenbindend, im
Gras. An der Bank ward zu trinken geschenkt. Ein
schlankes, halb ländlich gekleidetes Mädchen füllte die
Gläser aus einem großen Eimer; das Fräulein auf
der Bank reichte sie umher, eben hielt sie einem
Kinde den Trank an die Lippen. Sie hob dabei ein
wenig das Gesicht, das ein großer dunkler Strohhut
beschattete. Wolff drückte Loni's Arm:

"Da ist sie ja! Da ist sie!"

Und nun sah sie die Beiden und stellte das
Glas auf die Bank, um den Freunden die freien,
ausgestreckten Hände zu reichen. Es lag etwas so
Frisches und Freudiges in ihrer Gebärde, der Gruß
der tiefen weichen Stimme klang so vertraut, so un¬
verändert, so aus der Seele, daß es dem Manne
warm emporquoll, und daß Loni die Wiedergefundene
ohne Umstände mit beiden Armen umschlang und
küßte.

Marianne ließ sich geduldig so halten, sie ruhte
einen Augenblick still in Freundesarmen und sah ganz
aus der Nähe prüfend und lächelnd in das feine
scharfe bräunliche Gesichtchen; es war nicht ganz das
frühere, hier schien etwas aufgewacht zu sein, von
dem Loni Spitzer wohl selber kaum geträumt hatte.

"Bring doch geschwind noch zwei Gläser, Nanele,

darunter. Sie hörten dort lachen und ſingen; eine
frohe Kinderſchar drängte ſich um die Bank, Andere
lagen, Blumen und Halme zuſammenbindend, im
Gras. An der Bank ward zu trinken geſchenkt. Ein
ſchlankes, halb ländlich gekleidetes Mädchen füllte die
Gläſer aus einem großen Eimer; das Fräulein auf
der Bank reichte ſie umher, eben hielt ſie einem
Kinde den Trank an die Lippen. Sie hob dabei ein
wenig das Geſicht, das ein großer dunkler Strohhut
beſchattete. Wolff drückte Loni's Arm:

„Da iſt ſie ja! Da iſt ſie!“

Und nun ſah ſie die Beiden und ſtellte das
Glas auf die Bank, um den Freunden die freien,
ausgeſtreckten Hände zu reichen. Es lag etwas ſo
Friſches und Freudiges in ihrer Gebärde, der Gruß
der tiefen weichen Stimme klang ſo vertraut, ſo un¬
verändert, ſo aus der Seele, daß es dem Manne
warm emporquoll, und daß Loni die Wiedergefundene
ohne Umſtände mit beiden Armen umſchlang und
küßte.

Marianne ließ ſich geduldig ſo halten, ſie ruhte
einen Augenblick ſtill in Freundesarmen und ſah ganz
aus der Nähe prüfend und lächelnd in das feine
ſcharfe bräunliche Geſichtchen; es war nicht ganz das
frühere, hier ſchien etwas aufgewacht zu ſein, von
dem Loni Spitzer wohl ſelber kaum geträumt hatte.

„Bring doch geſchwind noch zwei Gläſer, Nanele,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0155" n="139"/>
darunter. Sie hörten dort lachen und &#x017F;ingen; eine<lb/>
frohe Kinder&#x017F;char drängte &#x017F;ich um die Bank, Andere<lb/>
lagen, Blumen und Halme zu&#x017F;ammenbindend, im<lb/>
Gras. An der Bank ward zu trinken ge&#x017F;chenkt. Ein<lb/>
&#x017F;chlankes, halb ländlich gekleidetes Mädchen füllte die<lb/>
Glä&#x017F;er aus einem großen Eimer; das Fräulein auf<lb/>
der Bank reichte &#x017F;ie umher, eben hielt &#x017F;ie einem<lb/>
Kinde den Trank an die Lippen. Sie hob dabei ein<lb/>
wenig das Ge&#x017F;icht, das ein großer dunkler Strohhut<lb/>
be&#x017F;chattete. Wolff drückte Loni's Arm:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Da i&#x017F;t &#x017F;ie ja! Da i&#x017F;t &#x017F;ie!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Und nun &#x017F;ah &#x017F;ie die Beiden und &#x017F;tellte das<lb/>
Glas auf die Bank, um den Freunden die freien,<lb/>
ausge&#x017F;treckten Hände zu reichen. Es lag etwas &#x017F;o<lb/>
Fri&#x017F;ches und Freudiges in ihrer Gebärde, der Gruß<lb/>
der tiefen weichen Stimme klang &#x017F;o vertraut, &#x017F;o un¬<lb/>
verändert, &#x017F;o aus der Seele, daß es dem Manne<lb/>
warm emporquoll, und daß Loni die Wiedergefundene<lb/>
ohne Um&#x017F;tände mit beiden Armen um&#x017F;chlang und<lb/>
küßte.</p><lb/>
        <p>Marianne ließ &#x017F;ich geduldig &#x017F;o halten, &#x017F;ie ruhte<lb/>
einen Augenblick &#x017F;till in Freundesarmen und &#x017F;ah ganz<lb/>
aus der Nähe prüfend und lächelnd in das feine<lb/>
&#x017F;charfe bräunliche Ge&#x017F;ichtchen; es war nicht ganz das<lb/>
frühere, hier &#x017F;chien etwas aufgewacht zu &#x017F;ein, von<lb/>
dem Loni Spitzer wohl &#x017F;elber kaum geträumt hatte.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Bring doch ge&#x017F;chwind noch zwei Glä&#x017F;er, Nanele,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[139/0155] darunter. Sie hörten dort lachen und ſingen; eine frohe Kinderſchar drängte ſich um die Bank, Andere lagen, Blumen und Halme zuſammenbindend, im Gras. An der Bank ward zu trinken geſchenkt. Ein ſchlankes, halb ländlich gekleidetes Mädchen füllte die Gläſer aus einem großen Eimer; das Fräulein auf der Bank reichte ſie umher, eben hielt ſie einem Kinde den Trank an die Lippen. Sie hob dabei ein wenig das Geſicht, das ein großer dunkler Strohhut beſchattete. Wolff drückte Loni's Arm: „Da iſt ſie ja! Da iſt ſie!“ Und nun ſah ſie die Beiden und ſtellte das Glas auf die Bank, um den Freunden die freien, ausgeſtreckten Hände zu reichen. Es lag etwas ſo Friſches und Freudiges in ihrer Gebärde, der Gruß der tiefen weichen Stimme klang ſo vertraut, ſo un¬ verändert, ſo aus der Seele, daß es dem Manne warm emporquoll, und daß Loni die Wiedergefundene ohne Umſtände mit beiden Armen umſchlang und küßte. Marianne ließ ſich geduldig ſo halten, ſie ruhte einen Augenblick ſtill in Freundesarmen und ſah ganz aus der Nähe prüfend und lächelnd in das feine ſcharfe bräunliche Geſichtchen; es war nicht ganz das frühere, hier ſchien etwas aufgewacht zu ſein, von dem Loni Spitzer wohl ſelber kaum geträumt hatte. „Bring doch geſchwind noch zwei Gläſer, Nanele,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/155
Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/155>, abgerufen am 15.05.2024.