Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

Lachen kam aus der Ecke, wo der junge Mann saß,
der dieses unschickliche Gespräch mit angehört hatte.
Was mußte er von mir denken! Ich verstummte
ganz, wendete kaum die Augen vom Korbe und steckte,
als wir aus dem schrecklichen Tunnel heraus waren,
zwei Finger durch das Flechtwerk in Putzi's Mund,
damit er daran knabbere. Der Alte aber murrte in
einem fort: "Wenn ich das bei uns in Neustadt-
Eberswalde erzähle, daß ich mit einem Hundeköter
in einem Wagen habe fahren müssen -- es glaubt
mir kein Mensch! Man reist krankheitshalber in dies
gräßliche Land, wo es aussieht, als wollten Einem
die alten Berge übern Kopf fallen, und denn noch so
was! Aber ich will mich doch 'mal beim Stations¬
chef erkundigen, ob sich ein preußischer Landrath hier
im Kreuzerlande so was gefallen zu lassen braucht!"
Ich sah immer von Mama auf Papa, aber denkt
Euch, der geliebte Papa nickte mir freundlich zu, und
kein Vorwurf kam über seine Lippen! Nur, als wir
in die Nähe von Matrei kamen, fing er an, unsere
Handkoffer und Plaidriemen herunterzunehmen; "wir
müssen ein anderes Coupe suchen," sagte er halblaut
zu uns. "Schade, es war so bequem hier," erwi¬
derte Mama, und ich warf einen betrübten Blick in
den kleinen engen Raum, wo ich so wunderschöne
Stunden verlebt hatte. Der Zug hielt, und der
junge Herr sprang zuerst hinaus, Papa folgte, auch

13*

Lachen kam aus der Ecke, wo der junge Mann ſaß,
der dieſes unſchickliche Geſpräch mit angehört hatte.
Was mußte er von mir denken! Ich verſtummte
ganz, wendete kaum die Augen vom Korbe und ſteckte,
als wir aus dem ſchrecklichen Tunnel heraus waren,
zwei Finger durch das Flechtwerk in Putzi's Mund,
damit er daran knabbere. Der Alte aber murrte in
einem fort: „Wenn ich das bei uns in Neuſtadt-
Eberswalde erzähle, daß ich mit einem Hundeköter
in einem Wagen habe fahren müſſen — es glaubt
mir kein Menſch! Man reiſt krankheitshalber in dies
gräßliche Land, wo es ausſieht, als wollten Einem
die alten Berge übern Kopf fallen, und denn noch ſo
was! Aber ich will mich doch 'mal beim Stations¬
chef erkundigen, ob ſich ein preußiſcher Landrath hier
im Kreuzerlande ſo was gefallen zu laſſen braucht!“
Ich ſah immer von Mama auf Papa, aber denkt
Euch, der geliebte Papa nickte mir freundlich zu, und
kein Vorwurf kam über ſeine Lippen! Nur, als wir
in die Nähe von Matrei kamen, fing er an, unſere
Handkoffer und Plaidriemen herunterzunehmen; „wir
müſſen ein anderes Coupé ſuchen,“ ſagte er halblaut
zu uns. „Schade, es war ſo bequem hier,“ erwi¬
derte Mama, und ich warf einen betrübten Blick in
den kleinen engen Raum, wo ich ſo wunderſchöne
Stunden verlebt hatte. Der Zug hielt, und der
junge Herr ſprang zuerſt hinaus, Papa folgte, auch

13*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="letter" n="2">
          <p><pb facs="#f0211" n="195"/>
Lachen kam aus der Ecke, wo der junge Mann &#x017F;aß,<lb/>
der die&#x017F;es un&#x017F;chickliche Ge&#x017F;präch mit angehört hatte.<lb/>
Was mußte er von mir denken! Ich ver&#x017F;tummte<lb/>
ganz, wendete kaum die Augen vom Korbe und &#x017F;teckte,<lb/>
als wir aus dem &#x017F;chrecklichen Tunnel heraus waren,<lb/>
zwei Finger durch das Flechtwerk in Putzi's Mund,<lb/>
damit er daran knabbere. Der Alte aber murrte in<lb/>
einem fort: &#x201E;Wenn ich das bei uns in Neu&#x017F;tadt-<lb/>
Eberswalde erzähle, daß ich mit einem Hundeköter<lb/>
in einem Wagen habe fahren mü&#x017F;&#x017F;en &#x2014; es glaubt<lb/>
mir kein Men&#x017F;ch! Man rei&#x017F;t krankheitshalber in dies<lb/>
gräßliche Land, wo es aus&#x017F;ieht, als wollten Einem<lb/>
die alten Berge übern Kopf fallen, und denn noch &#x017F;o<lb/>
was! Aber ich will mich doch 'mal beim Stations¬<lb/>
chef erkundigen, ob &#x017F;ich ein preußi&#x017F;cher Landrath hier<lb/>
im Kreuzerlande &#x017F;o was gefallen zu la&#x017F;&#x017F;en braucht!&#x201C;<lb/>
Ich &#x017F;ah immer von Mama auf Papa, aber denkt<lb/>
Euch, der geliebte Papa nickte mir freundlich zu, und<lb/>
kein Vorwurf kam über &#x017F;eine Lippen! Nur, als wir<lb/>
in die Nähe von Matrei kamen, fing er an, un&#x017F;ere<lb/>
Handkoffer und Plaidriemen herunterzunehmen; &#x201E;wir<lb/>&#x017F;&#x017F;en ein anderes Coup<hi rendition="#aq">é</hi> &#x017F;uchen,&#x201C; &#x017F;agte er halblaut<lb/>
zu uns. &#x201E;Schade, es war &#x017F;o bequem hier,&#x201C; erwi¬<lb/>
derte Mama, und ich warf einen betrübten Blick in<lb/>
den kleinen engen Raum, wo ich &#x017F;o wunder&#x017F;chöne<lb/>
Stunden verlebt hatte. Der Zug hielt, und der<lb/>
junge Herr &#x017F;prang zuer&#x017F;t hinaus, Papa folgte, auch<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">13*<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[195/0211] Lachen kam aus der Ecke, wo der junge Mann ſaß, der dieſes unſchickliche Geſpräch mit angehört hatte. Was mußte er von mir denken! Ich verſtummte ganz, wendete kaum die Augen vom Korbe und ſteckte, als wir aus dem ſchrecklichen Tunnel heraus waren, zwei Finger durch das Flechtwerk in Putzi's Mund, damit er daran knabbere. Der Alte aber murrte in einem fort: „Wenn ich das bei uns in Neuſtadt- Eberswalde erzähle, daß ich mit einem Hundeköter in einem Wagen habe fahren müſſen — es glaubt mir kein Menſch! Man reiſt krankheitshalber in dies gräßliche Land, wo es ausſieht, als wollten Einem die alten Berge übern Kopf fallen, und denn noch ſo was! Aber ich will mich doch 'mal beim Stations¬ chef erkundigen, ob ſich ein preußiſcher Landrath hier im Kreuzerlande ſo was gefallen zu laſſen braucht!“ Ich ſah immer von Mama auf Papa, aber denkt Euch, der geliebte Papa nickte mir freundlich zu, und kein Vorwurf kam über ſeine Lippen! Nur, als wir in die Nähe von Matrei kamen, fing er an, unſere Handkoffer und Plaidriemen herunterzunehmen; „wir müſſen ein anderes Coupé ſuchen,“ ſagte er halblaut zu uns. „Schade, es war ſo bequem hier,“ erwi¬ derte Mama, und ich warf einen betrübten Blick in den kleinen engen Raum, wo ich ſo wunderſchöne Stunden verlebt hatte. Der Zug hielt, und der junge Herr ſprang zuerſt hinaus, Papa folgte, auch 13*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/211
Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/211>, abgerufen am 11.12.2024.