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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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Außer den hitzigen Krankheiten erkennt man die
erste Stufe der verminderten Reitzbarkeit durch eine
Schwäche, Betäubung, Prikeln, Schmerzen, öfte-
re, schwache Stiche, gehemmte Bewegung und stum-
pfes Gefühl. In der zweyten Stufe nehmen diese
Zufälle zu; und man erkennt sie aus der Abwesenheit
der Schmerzen, dem Verlust der Bewegung, der Un-
empfindlichkeit des Gefühls, durch eine Empfindung
von Kälte, Abzehrung, Schwindung, Auströcknung,
oder wässerichte Geschwülste der leidenden Theile,
worauf endlich brandige Zufälle, als die Folge alles
Aufhörens von Lebenskraft, erfolgen, und der dritten
Stufe durch Absterben des kranken Theils, oder,
wo die Reitzlosigkeit allgemein ist, des ganzen Kör-
pers ein Ende machen.

§. 89.
Ueberspannte Reitzbarkeit.

Bey überspannter Reitzbarkeit sind die Wirkun-
gen sowohl der Ratur als der Kunst übereilt, über-
mäßig, unordentlich und überhaupt zweckwidrig. Da-
her muß entweder die Reitzbarkeit vermindert, oder
die Bemühungen der Natur und der Kunst müssen,
in so fern sie die Thätigkeit des ganzen Körpers oder
einzelner Theile anspornen, geschwächt werden. Ich
kenne ein höchst reitzbares Frauenzimmer, welches
von einem Kaffelöffelchen voll Mannaauflösung drey
bis sechs Stühle bekömmt. Bey bevorstehenden oder
gählings eintreffenden Wetterveränderungen verfällt
sie jedesmal in Blutspeyen, und setzt man ihr an die

Füße

Außer den hitzigen Krankheiten erkennt man die
erſte Stufe der verminderten Reitzbarkeit durch eine
Schwaͤche, Betaͤubung, Prikeln, Schmerzen, oͤfte-
re, ſchwache Stiche, gehemmte Bewegung und ſtum-
pfes Gefuͤhl. In der zweyten Stufe nehmen dieſe
Zufaͤlle zu; und man erkennt ſie aus der Abweſenheit
der Schmerzen, dem Verluſt der Bewegung, der Un-
empfindlichkeit des Gefuͤhls, durch eine Empfindung
von Kaͤlte, Abzehrung, Schwindung, Austroͤcknung,
oder waͤſſerichte Geſchwuͤlſte der leidenden Theile,
worauf endlich brandige Zufaͤlle, als die Folge alles
Aufhoͤrens von Lebenskraft, erfolgen, und der dritten
Stufe durch Abſterben des kranken Theils, oder,
wo die Reitzloſigkeit allgemein iſt, des ganzen Koͤr-
pers ein Ende machen.

§. 89.
Ueberſpannte Reitzbarkeit.

Bey uͤberſpannter Reitzbarkeit ſind die Wirkun-
gen ſowohl der Ratur als der Kunſt uͤbereilt, uͤber-
maͤßig, unordentlich und uͤberhaupt zweckwidrig. Da-
her muß entweder die Reitzbarkeit vermindert, oder
die Bemuͤhungen der Natur und der Kunſt muͤſſen,
in ſo fern ſie die Thaͤtigkeit des ganzen Koͤrpers oder
einzelner Theile anſpornen, geſchwaͤcht werden. Ich
kenne ein hoͤchſt reitzbares Frauenzimmer, welches
von einem Kaffeloͤffelchen voll Mannaaufloͤſung drey
bis ſechs Stuͤhle bekoͤmmt. Bey bevorſtehenden oder
gaͤhlings eintreffenden Wetterveraͤnderungen verfaͤllt
ſie jedesmal in Blutſpeyen, und ſetzt man ihr an die

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[550/0569] Außer den hitzigen Krankheiten erkennt man die erſte Stufe der verminderten Reitzbarkeit durch eine Schwaͤche, Betaͤubung, Prikeln, Schmerzen, oͤfte- re, ſchwache Stiche, gehemmte Bewegung und ſtum- pfes Gefuͤhl. In der zweyten Stufe nehmen dieſe Zufaͤlle zu; und man erkennt ſie aus der Abweſenheit der Schmerzen, dem Verluſt der Bewegung, der Un- empfindlichkeit des Gefuͤhls, durch eine Empfindung von Kaͤlte, Abzehrung, Schwindung, Austroͤcknung, oder waͤſſerichte Geſchwuͤlſte der leidenden Theile, worauf endlich brandige Zufaͤlle, als die Folge alles Aufhoͤrens von Lebenskraft, erfolgen, und der dritten Stufe durch Abſterben des kranken Theils, oder, wo die Reitzloſigkeit allgemein iſt, des ganzen Koͤr- pers ein Ende machen. §. 89. Ueberſpannte Reitzbarkeit. Bey uͤberſpannter Reitzbarkeit ſind die Wirkun- gen ſowohl der Ratur als der Kunſt uͤbereilt, uͤber- maͤßig, unordentlich und uͤberhaupt zweckwidrig. Da- her muß entweder die Reitzbarkeit vermindert, oder die Bemuͤhungen der Natur und der Kunſt muͤſſen, in ſo fern ſie die Thaͤtigkeit des ganzen Koͤrpers oder einzelner Theile anſpornen, geſchwaͤcht werden. Ich kenne ein hoͤchſt reitzbares Frauenzimmer, welches von einem Kaffeloͤffelchen voll Mannaaufloͤſung drey bis ſechs Stuͤhle bekoͤmmt. Bey bevorſtehenden oder gaͤhlings eintreffenden Wetterveraͤnderungen verfaͤllt ſie jedesmal in Blutſpeyen, und ſetzt man ihr an die Fuͤße

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 550. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/569>, abgerufen am 30.04.2024.