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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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Füße zwey Blutigel, so ist sie auf mehrere Tage ei-
nem krampfhaften Schnüren der Brust, Zuckungen,
Uebelkeiten und Eiskälte der Glieder unterworfen.
Einer andern von eben solcher Leibesbeschaffenheit gab
ich bey einer gallichten Anhäufung im Magen einen
halben Gran Brechweinstein in drey Loth Wasser auf-
gelöset: Sie nahm davon einen Eßlöffelvoll, und ich
muste alles Mögliche anwenden, um das erschrecklich-
ste Brechen zu stillen.

Ueberhaupt kann man in jenen Leuten eine er-
höhte Reitzbarkeit voraussetzen, welche gut essen und
trinken, studieren, den Leidenschaften, Ausschweifun-
gen, der Empfindeley ergeben sind; die einen schmäch-
tigen Bau, zarte, glänzende Haut; lichte Haare,
hochrothe Gesichtsfarbe oder eine erkünstelte Bläße
haben; in allen Leuten, die an der sogenannten Ner-
venschwäche leiden; in den hysterischen Frauen und
den Hypochondern u. s. w. Auf alle diese Leute wir-
ken die unbedeutendsten Dinge mit ungewöhnlicher
Macht. "Weikard war durch frühzeitige Gemüths-
unruhen und Studieren zeitlich hypochondrisch gewor-
den. Er muste oft im höchsten Grade die sogenann-
ten Vapeurs leiden, nämlich, er bekam ungemeine
Bangigkeit, Herzensangst, Unruhe, Zittern, Schwin-
del, Aufblähungen, einen aufgetriebenen Hals mit
einem gewissen ängstigen Unvermögen zu schlingen.
Diese Anfälle bekam er am Tische und ausser selbi-
gem, bey verdrüßlichen Nachrichten, bey unangeneh-
men Vorstellungen, z. B. einer gefährlichen Präzipiz
oder einer unglücklichen Begebenheit, sogar in Ge-

sellschaf-

Fuͤße zwey Blutigel, ſo iſt ſie auf mehrere Tage ei-
nem krampfhaften Schnuͤren der Bruſt, Zuckungen,
Uebelkeiten und Eiskaͤlte der Glieder unterworfen.
Einer andern von eben ſolcher Leibesbeſchaffenheit gab
ich bey einer gallichten Anhaͤufung im Magen einen
halben Gran Brechweinſtein in drey Loth Waſſer auf-
geloͤſet: Sie nahm davon einen Eßloͤffelvoll, und ich
muſte alles Moͤgliche anwenden, um das erſchrecklich-
ſte Brechen zu ſtillen.

Ueberhaupt kann man in jenen Leuten eine er-
hoͤhte Reitzbarkeit vorausſetzen, welche gut eſſen und
trinken, ſtudieren, den Leidenſchaften, Ausſchweifun-
gen, der Empfindeley ergeben ſind; die einen ſchmaͤch-
tigen Bau, zarte, glaͤnzende Haut; lichte Haare,
hochrothe Geſichtsfarbe oder eine erkuͤnſtelte Blaͤße
haben; in allen Leuten, die an der ſogenannten Ner-
venſchwaͤche leiden; in den hyſteriſchen Frauen und
den Hypochondern u. ſ. w. Auf alle dieſe Leute wir-
ken die unbedeutendſten Dinge mit ungewoͤhnlicher
Macht. 〟Weikard war durch fruͤhzeitige Gemuͤths-
unruhen und Studieren zeitlich hypochondriſch gewor-
den. Er muſte oft im hoͤchſten Grade die ſogenann-
ten Vapeurs leiden, naͤmlich, er bekam ungemeine
Bangigkeit, Herzensangſt, Unruhe, Zittern, Schwin-
del, Aufblaͤhungen, einen aufgetriebenen Hals mit
einem gewiſſen aͤngſtigen Unvermoͤgen zu ſchlingen.
Dieſe Anfaͤlle bekam er am Tiſche und auſſer ſelbi-
gem, bey verdruͤßlichen Nachrichten, bey unangeneh-
men Vorſtellungen, z. B. einer gefaͤhrlichen Praͤzipiz
oder einer ungluͤcklichen Begebenheit, ſogar in Ge-

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[551/0570] Fuͤße zwey Blutigel, ſo iſt ſie auf mehrere Tage ei- nem krampfhaften Schnuͤren der Bruſt, Zuckungen, Uebelkeiten und Eiskaͤlte der Glieder unterworfen. Einer andern von eben ſolcher Leibesbeſchaffenheit gab ich bey einer gallichten Anhaͤufung im Magen einen halben Gran Brechweinſtein in drey Loth Waſſer auf- geloͤſet: Sie nahm davon einen Eßloͤffelvoll, und ich muſte alles Moͤgliche anwenden, um das erſchrecklich- ſte Brechen zu ſtillen. Ueberhaupt kann man in jenen Leuten eine er- hoͤhte Reitzbarkeit vorausſetzen, welche gut eſſen und trinken, ſtudieren, den Leidenſchaften, Ausſchweifun- gen, der Empfindeley ergeben ſind; die einen ſchmaͤch- tigen Bau, zarte, glaͤnzende Haut; lichte Haare, hochrothe Geſichtsfarbe oder eine erkuͤnſtelte Blaͤße haben; in allen Leuten, die an der ſogenannten Ner- venſchwaͤche leiden; in den hyſteriſchen Frauen und den Hypochondern u. ſ. w. Auf alle dieſe Leute wir- ken die unbedeutendſten Dinge mit ungewoͤhnlicher Macht. 〟Weikard war durch fruͤhzeitige Gemuͤths- unruhen und Studieren zeitlich hypochondriſch gewor- den. Er muſte oft im hoͤchſten Grade die ſogenann- ten Vapeurs leiden, naͤmlich, er bekam ungemeine Bangigkeit, Herzensangſt, Unruhe, Zittern, Schwin- del, Aufblaͤhungen, einen aufgetriebenen Hals mit einem gewiſſen aͤngſtigen Unvermoͤgen zu ſchlingen. Dieſe Anfaͤlle bekam er am Tiſche und auſſer ſelbi- gem, bey verdruͤßlichen Nachrichten, bey unangeneh- men Vorſtellungen, z. B. einer gefaͤhrlichen Praͤzipiz oder einer ungluͤcklichen Begebenheit, ſogar in Ge- ſellſchaf-

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 551. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/570>, abgerufen am 30.04.2024.