Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


Maaße, bestimmt worden. Nachher bey zunehmenden Kenntnissen goben ihnen die Geographen Beziehung auf die Größe des Umkreises der Erde, und nahmen einen aliquoten Theil des Grades für die Meile an, z. B. den 60sten, 20sten, 15ten, je nachdem es das Verhältniß der eingeführten Meile zu der geglaubten Größe des Grades erforderte. In England z. B. war eine Meile eingeführt, deren Länge ohngefähr (1/60) von der damals bekannten Größe des Grades betrug. Daher setzte man die Meile auf (1/60) Grad, oder auf eine Minute vom Erdumkreise. So rechnete auch Newton, s. Gravitation (Th. II. S. 523.). Nachher, da Picards genauere Erdmessung bekannt wurde, fand sich, daß solcher Meilen 69 auf einen Grad giengen. Diese englische Meile hält also in der That (57060/69) oder 827 Toisen. Sie ist nicht viel größer, als die alte römische, und unter den jetzt üblichen die kleinste.

Die italiänische Meile ist der sechszigste Theil des Picardischen Grades, oder = 951 Toisen.

Die französischen Schiffer haben es bequem gefunden, 3 Minuten, oder den zwanzigsten Theil des Grades für eine Seemeile anzunehmen, welche daher 2853 Toisen beträgt. Zu Lande bedient man sich in Frankreich der Lieiie (Leuca Gallica), deren 25 auf einen Grad gerechnet werden. Diese Lieiie ist demnach eine Länge von 2283 Toisen. Man nennt sie insgemein die französische Meile; doch kan das Wort auch richtig durch eine Stunde Weges übersetzt werden.

Die deutsche oder geographische Meile (Milliare germanicum) macht den 15ten Theil eines Grades aus. Sie ist kein bestimmtes Maaß, das in irgend einem Lande mit unveränderter Größe wirklich eingeführt wäre; vielmehr richtet sich ihre Größe nach der Größe des Grades vom Umfange der Erdkugel, welche verschieden ist, je nachdem man den Grad im Aequator, oder im Mirtagskreise an verschiedenen Stellen der Erde nimmt. Dies giebt zwar bequeme Rechnungen. weil man so jeden Grad ohne Unterschied 15 geographische Meilen setzen dars; es lehrt aber nichts Bestimmtes, weil diese Meilen nicht alle gleich groß sind. Legt


Maaße, beſtimmt worden. Nachher bey zunehmenden Kenntniſſen goben ihnen die Geographen Beziehung auf die Groͤße des Umkreiſes der Erde, und nahmen einen aliquoten Theil des Grades fuͤr die Meile an, z. B. den 60ſten, 20ſten, 15ten, je nachdem es das Verhaͤltniß der eingefuͤhrten Meile zu der geglaubten Groͤße des Grades erforderte. In England z. B. war eine Meile eingefuͤhrt, deren Laͤnge ohngefaͤhr (1/60) von der damals bekannten Groͤße des Grades betrug. Daher ſetzte man die Meile auf (1/60) Grad, oder auf eine Minute vom Erdumkreiſe. So rechnete auch Newton, ſ. Gravitation (Th. II. S. 523.). Nachher, da Picards genauere Erdmeſſung bekannt wurde, fand ſich, daß ſolcher Meilen 69 auf einen Grad giengen. Dieſe engliſche Meile haͤlt alſo in der That (57060/69) oder 827 Toiſen. Sie iſt nicht viel groͤßer, als die alte roͤmiſche, und unter den jetzt uͤblichen die kleinſte.

Die italiaͤniſche Meile iſt der ſechszigſte Theil des Picardiſchen Grades, oder = 951 Toiſen.

Die franzoͤſiſchen Schiffer haben es bequem gefunden, 3 Minuten, oder den zwanzigſten Theil des Grades fuͤr eine Seemeile anzunehmen, welche daher 2853 Toiſen betraͤgt. Zu Lande bedient man ſich in Frankreich der Lieiie (Leuca Gallica), deren 25 auf einen Grad gerechnet werden. Dieſe Lieiie iſt demnach eine Laͤnge von 2283 Toiſen. Man nennt ſie insgemein die franzoͤſiſche Meile; doch kan das Wort auch richtig durch eine Stunde Weges uͤberſetzt werden.

Die deutſche oder geographiſche Meile (Milliare germanicum) macht den 15ten Theil eines Grades aus. Sie iſt kein beſtimmtes Maaß, das in irgend einem Lande mit unveraͤnderter Groͤße wirklich eingefuͤhrt waͤre; vielmehr richtet ſich ihre Groͤße nach der Groͤße des Grades vom Umfange der Erdkugel, welche verſchieden iſt, je nachdem man den Grad im Aequator, oder im Mirtagskreiſe an verſchiedenen Stellen der Erde nimmt. Dies giebt zwar bequeme Rechnungen. weil man ſo jeden Grad ohne Unterſchied 15 geographiſche Meilen ſetzen darſ; es lehrt aber nichts Beſtimmtes, weil dieſe Meilen nicht alle gleich groß ſind. Legt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0193" xml:id="P.3.187" n="187"/><lb/>
Maaße, be&#x017F;timmt worden. Nachher bey zunehmenden Kenntni&#x017F;&#x017F;en goben ihnen die Geographen Beziehung auf die Gro&#x0364;ße des Umkrei&#x017F;es der Erde, und nahmen einen aliquoten Theil des Grades fu&#x0364;r die Meile an, z. B. den 60&#x017F;ten, 20&#x017F;ten, 15ten, je nachdem es das Verha&#x0364;ltniß der eingefu&#x0364;hrten Meile zu der geglaubten Gro&#x0364;ße des Grades erforderte. In England z. B. war eine Meile eingefu&#x0364;hrt, deren La&#x0364;nge ohngefa&#x0364;hr (1/60) von der damals bekannten Gro&#x0364;ße des Grades betrug. Daher &#x017F;etzte man die Meile auf (1/60) Grad, oder auf eine Minute vom Erdumkrei&#x017F;e. So rechnete auch <hi rendition="#b">Newton, &#x017F;. Gravitation</hi> (Th. <hi rendition="#aq">II.</hi> S. 523.). Nachher, da Picards genauere Erdme&#x017F;&#x017F;ung bekannt wurde, fand &#x017F;ich, daß &#x017F;olcher Meilen 69 auf einen Grad giengen. Die&#x017F;e engli&#x017F;che <hi rendition="#b">Meile</hi> ha&#x0364;lt al&#x017F;o in der That (57060/69) oder 827 Toi&#x017F;en. Sie i&#x017F;t nicht viel gro&#x0364;ßer, als die alte ro&#x0364;mi&#x017F;che, und unter den jetzt u&#x0364;blichen die klein&#x017F;te.</p>
            <p>Die <hi rendition="#b">italia&#x0364;ni&#x017F;che</hi> Meile i&#x017F;t der &#x017F;echszig&#x017F;te Theil des Picardi&#x017F;chen Grades, oder = 951 Toi&#x017F;en.</p>
            <p>Die franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen Schiffer haben es bequem gefunden, 3 Minuten, oder den zwanzig&#x017F;ten Theil des Grades fu&#x0364;r eine <hi rendition="#b">Seemeile</hi> anzunehmen, welche daher 2853 Toi&#x017F;en betra&#x0364;gt. Zu Lande bedient man &#x017F;ich in Frankreich der <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Lieiie</hi> (Leuca Gallica),</hi> deren 25 auf einen Grad gerechnet werden. Die&#x017F;e <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Lieiie</hi></hi> i&#x017F;t demnach eine La&#x0364;nge von 2283 Toi&#x017F;en. Man nennt &#x017F;ie insgemein die franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;che Meile; doch kan das Wort auch richtig durch <hi rendition="#b">eine Stunde Weges</hi> u&#x0364;ber&#x017F;etzt werden.</p>
            <p>Die <hi rendition="#b">deut&#x017F;che</hi> oder <hi rendition="#b">geographi&#x017F;che Meile</hi> <hi rendition="#aq">(Milliare germanicum)</hi> macht den 15ten Theil eines Grades aus. Sie i&#x017F;t kein be&#x017F;timmtes Maaß, das in irgend einem Lande mit unvera&#x0364;nderter Gro&#x0364;ße wirklich eingefu&#x0364;hrt wa&#x0364;re; vielmehr richtet &#x017F;ich ihre Gro&#x0364;ße nach der Gro&#x0364;ße des Grades vom Umfange der Erdkugel, welche ver&#x017F;chieden i&#x017F;t, je nachdem man den Grad im Aequator, oder im Mirtagskrei&#x017F;e an ver&#x017F;chiedenen Stellen der Erde nimmt. Dies giebt zwar bequeme Rechnungen. weil man &#x017F;o jeden Grad ohne Unter&#x017F;chied 15 geographi&#x017F;che Meilen &#x017F;etzen dar&#x017F;; es lehrt aber nichts Be&#x017F;timmtes, weil die&#x017F;e Meilen nicht alle gleich groß &#x017F;ind. Legt<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[187/0193] Maaße, beſtimmt worden. Nachher bey zunehmenden Kenntniſſen goben ihnen die Geographen Beziehung auf die Groͤße des Umkreiſes der Erde, und nahmen einen aliquoten Theil des Grades fuͤr die Meile an, z. B. den 60ſten, 20ſten, 15ten, je nachdem es das Verhaͤltniß der eingefuͤhrten Meile zu der geglaubten Groͤße des Grades erforderte. In England z. B. war eine Meile eingefuͤhrt, deren Laͤnge ohngefaͤhr (1/60) von der damals bekannten Groͤße des Grades betrug. Daher ſetzte man die Meile auf (1/60) Grad, oder auf eine Minute vom Erdumkreiſe. So rechnete auch Newton, ſ. Gravitation (Th. II. S. 523.). Nachher, da Picards genauere Erdmeſſung bekannt wurde, fand ſich, daß ſolcher Meilen 69 auf einen Grad giengen. Dieſe engliſche Meile haͤlt alſo in der That (57060/69) oder 827 Toiſen. Sie iſt nicht viel groͤßer, als die alte roͤmiſche, und unter den jetzt uͤblichen die kleinſte. Die italiaͤniſche Meile iſt der ſechszigſte Theil des Picardiſchen Grades, oder = 951 Toiſen. Die franzoͤſiſchen Schiffer haben es bequem gefunden, 3 Minuten, oder den zwanzigſten Theil des Grades fuͤr eine Seemeile anzunehmen, welche daher 2853 Toiſen betraͤgt. Zu Lande bedient man ſich in Frankreich der Lieiie (Leuca Gallica), deren 25 auf einen Grad gerechnet werden. Dieſe Lieiie iſt demnach eine Laͤnge von 2283 Toiſen. Man nennt ſie insgemein die franzoͤſiſche Meile; doch kan das Wort auch richtig durch eine Stunde Weges uͤberſetzt werden. Die deutſche oder geographiſche Meile (Milliare germanicum) macht den 15ten Theil eines Grades aus. Sie iſt kein beſtimmtes Maaß, das in irgend einem Lande mit unveraͤnderter Groͤße wirklich eingefuͤhrt waͤre; vielmehr richtet ſich ihre Groͤße nach der Groͤße des Grades vom Umfange der Erdkugel, welche verſchieden iſt, je nachdem man den Grad im Aequator, oder im Mirtagskreiſe an verſchiedenen Stellen der Erde nimmt. Dies giebt zwar bequeme Rechnungen. weil man ſo jeden Grad ohne Unterſchied 15 geographiſche Meilen ſetzen darſ; es lehrt aber nichts Beſtimmtes, weil dieſe Meilen nicht alle gleich groß ſind. Legt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/193
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/193>, abgerufen am 27.04.2024.