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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.

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und Vergleichung der Beobachtungen dem Zwecke immer mehr zu nähern gesucht.

In ältern Zeiten bestand die Witterungslehre blos aus einigen auf angebliche Erfahrung gegründeten Regeln, die mitunter sehr abergläubisch und mit thörichten Erklärungen der Ursachen vermengt waren. Man kan sich hievon aus der Meteorologie des Aristoteles, und aus vielen von den Vorzeichen der Witterung handelnden Stellen der alten Dichter und Schriftsteller vom Landbau sattsam überzeugen. Im mittlern Zeitalter ward diese Lehre sogar mit der Astrologie vermengt. Bey den damaligen höchst unvollkommnen Kenntnissen vom Lustkreise schrieb man nicht blos der Sonne und dem Monde, sondern auch allen übrigen Gestirnen einen unmittelbaren Einfluß auf die Witterung zu, und suchte aus den Stellungen derselben Wetterprophezeihungen herzuleiten, woraus ein eigner Zweig der Sterndeuterey (Astrologia meteorologica) erwachsen ist. Daher kommen noch die in den Kalendern üblichen Vorhersagungen der Witterung -- ein Ueberbleibsel der ehemaligen Barbarey, welches man in unsern Tagen völlig vertilgen sollte. Beyspiele solcher astrologischen Witterungsregeln hat Funk (Natürliche Magie, Berlin und Stettin, 1783. gr. 8. S. 5. u. f.) aus einem noch im Jahre 1733. zu Berlin herausgekommenen Haus- und Reise-Calender beygebracht. Was für Begriffe von den Ursachen der Naturbegebenheiten die Erfinder dieser Regeln hatten, zeigt z. B. des Cheophrastus Paracelsus Buch De Meteoris (deutsche Ausgabe, Strasb. 1616. Fol.), welcher die Nebensonnen für ein messingnes Fabricat der Luftgeister und die Sternschnuppen für Ercremente der Gestirne aus der Verdauung ihrer astralischen Speisen erkläret. So nichtig und abgeschmackt, im Ganzen genommen, der Kalenderaberglaube ist, so muß man doch darum nicht alle alte Wetterregeln schlechthin verwerfen. Manche darunter, z. B. die aus dem Verhalten der Thiere genommenen Anzeigen u. dergl. werden doch wirklich durch die Erfahrung bestätigt, und lassen sich auch


und Vergleichung der Beobachtungen dem Zwecke immer mehr zu naͤhern geſucht.

In aͤltern Zeiten beſtand die Witterungslehre blos aus einigen auf angebliche Erfahrung gegruͤndeten Regeln, die mitunter ſehr aberglaͤubiſch und mit thoͤrichten Erklaͤrungen der Urſachen vermengt waren. Man kan ſich hievon aus der Meteorologie des Ariſtoteles, und aus vielen von den Vorzeichen der Witterung handelnden Stellen der alten Dichter und Schriftſteller vom Landbau ſattſam uͤberzeugen. Im mittlern Zeitalter ward dieſe Lehre ſogar mit der Aſtrologie vermengt. Bey den damaligen hoͤchſt unvollkommnen Kenntniſſen vom Luſtkreiſe ſchrieb man nicht blos der Sonne und dem Monde, ſondern auch allen uͤbrigen Geſtirnen einen unmittelbaren Einfluß auf die Witterung zu, und ſuchte aus den Stellungen derſelben Wetterprophezeihungen herzuleiten, woraus ein eigner Zweig der Sterndeuterey (Aſtrologia meteorologica) erwachſen iſt. Daher kommen noch die in den Kalendern uͤblichen Vorherſagungen der Witterung — ein Ueberbleibſel der ehemaligen Barbarey, welches man in unſern Tagen voͤllig vertilgen ſollte. Beyſpiele ſolcher aſtrologiſchen Witterungsregeln hat Funk (Natuͤrliche Magie, Berlin und Stettin, 1783. gr. 8. S. 5. u. f.) aus einem noch im Jahre 1733. zu Berlin herausgekommenen Haus- und Reiſe-Calender beygebracht. Was fuͤr Begriffe von den Urſachen der Naturbegebenheiten die Erfinder dieſer Regeln hatten, zeigt z. B. des Cheophraſtus Paracelſus Buch De Meteoris (deutſche Ausgabe, Strasb. 1616. Fol.), welcher die Nebenſonnen fuͤr ein meſſingnes Fabricat der Luftgeiſter und die Sternſchnuppen fuͤr Ercremente der Geſtirne aus der Verdauung ihrer aſtraliſchen Speiſen erklaͤret. So nichtig und abgeſchmackt, im Ganzen genommen, der Kalenderaberglaube iſt, ſo muß man doch darum nicht alle alte Wetterregeln ſchlechthin verwerfen. Manche darunter, z. B. die aus dem Verhalten der Thiere genommenen Anzeigen u. dergl. werden doch wirklich durch die Erfahrung beſtaͤtigt, und laſſen ſich auch

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[202/0208] und Vergleichung der Beobachtungen dem Zwecke immer mehr zu naͤhern geſucht. In aͤltern Zeiten beſtand die Witterungslehre blos aus einigen auf angebliche Erfahrung gegruͤndeten Regeln, die mitunter ſehr aberglaͤubiſch und mit thoͤrichten Erklaͤrungen der Urſachen vermengt waren. Man kan ſich hievon aus der Meteorologie des Ariſtoteles, und aus vielen von den Vorzeichen der Witterung handelnden Stellen der alten Dichter und Schriftſteller vom Landbau ſattſam uͤberzeugen. Im mittlern Zeitalter ward dieſe Lehre ſogar mit der Aſtrologie vermengt. Bey den damaligen hoͤchſt unvollkommnen Kenntniſſen vom Luſtkreiſe ſchrieb man nicht blos der Sonne und dem Monde, ſondern auch allen uͤbrigen Geſtirnen einen unmittelbaren Einfluß auf die Witterung zu, und ſuchte aus den Stellungen derſelben Wetterprophezeihungen herzuleiten, woraus ein eigner Zweig der Sterndeuterey (Aſtrologia meteorologica) erwachſen iſt. Daher kommen noch die in den Kalendern uͤblichen Vorherſagungen der Witterung — ein Ueberbleibſel der ehemaligen Barbarey, welches man in unſern Tagen voͤllig vertilgen ſollte. Beyſpiele ſolcher aſtrologiſchen Witterungsregeln hat Funk (Natuͤrliche Magie, Berlin und Stettin, 1783. gr. 8. S. 5. u. f.) aus einem noch im Jahre 1733. zu Berlin herausgekommenen Haus- und Reiſe-Calender beygebracht. Was fuͤr Begriffe von den Urſachen der Naturbegebenheiten die Erfinder dieſer Regeln hatten, zeigt z. B. des Cheophraſtus Paracelſus Buch De Meteoris (deutſche Ausgabe, Strasb. 1616. Fol.), welcher die Nebenſonnen fuͤr ein meſſingnes Fabricat der Luftgeiſter und die Sternſchnuppen fuͤr Ercremente der Geſtirne aus der Verdauung ihrer aſtraliſchen Speiſen erklaͤret. So nichtig und abgeſchmackt, im Ganzen genommen, der Kalenderaberglaube iſt, ſo muß man doch darum nicht alle alte Wetterregeln ſchlechthin verwerfen. Manche darunter, z. B. die aus dem Verhalten der Thiere genommenen Anzeigen u. dergl. werden doch wirklich durch die Erfahrung beſtaͤtigt, und laſſen ſich auch

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/208>, abgerufen am 27.04.2024.