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Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.

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§. 30. Der Monarch.
wird diese Cognatensuccession noch durch den Vorzug
Erbverbrüderter oder aus Eventual- und Gesammtbe-
lehnungen oder lehnsherrlichen Heimfallsrechten Be-
rechtigter zurückgedrängt. 6 5. Derjenige, welcher hier-
nach zum Eintritte in das Monarchenrecht im concreten
Falle wirklich berufen ist, muss aber, um wirklich
Monarch werden zu können, zur Uebernahme des
Monarchenberufs befähigt sein.7 Ist er wegen geistiger
oder körperlicher Gebrechen hierzu unfähig, so sollte
er bei der Thronfolge übergangen werden; fast alle
neueren Verfassungsgesetze jedoch schliessen ihn nicht
aus, sondern ordnen in diesem Falle nur eine Regent-
schaft an.8

6 So in den Sächsischen Staaten. Siehe auch Bayerische
Verfassungsurkunde II. 5.
7 Diess Erforderniss ergiebt sich aus der staatsrechtlichen
Natur des heutigen Monarchenrechts, und es besteht weder ein
Bedürfniss, noch eine Berechtigung, hierfür die Grundsätze der
Lehnsfolgefähigkeit oder die über die Eigenschaften der Kur-
fürsten handelnden Bestimmungen der goldenen Bulle heranzu-
ziehen. Dass aber nur wirkliche Unfähigkeit ein Grund des Aus-
schlusses sein könne, und nicht schon geminderte Fähigkeit, ist
ein Satz, den das Erforderniss der Sicherheit des Thronfolgerechts
zu verlangen scheint. Alles wird nur darauf ankommen, wie und
durch wen die Unfähigkeit constatirt werden müsse. Im Zweifel
muss hier die Analogie der Grundsätze über die Constatirung der
Nothwendigkeit einer Regentschaft entscheiden.
8 So Württembergische Verfassungsurkunde §. 11--13. Säch-
sische Verfassungsurkunde §. 9. Bayerische Verfassungsurkunde
II., 9. 11. Grossherzoglich Hessische Verfassungsurkunde §. 5.
Kurhessische Verfassungsurkunde §. 9. Preussische Verfassungs-
urkunde §. 56. Ueber die Hannoversche Verfassungsurkunde
§. 17. siehe Zachariä a. a. O., §. 70. Note 9.

§. 30. Der Monarch.
wird diese Cognatensuccession noch durch den Vorzug
Erbverbrüderter oder aus Eventual- und Gesammtbe-
lehnungen oder lehnsherrlichen Heimfallsrechten Be-
rechtigter zurückgedrängt. 6 5. Derjenige, welcher hier-
nach zum Eintritte in das Monarchenrecht im concreten
Falle wirklich berufen ist, muss aber, um wirklich
Monarch werden zu können, zur Uebernahme des
Monarchenberufs befähigt sein.7 Ist er wegen geistiger
oder körperlicher Gebrechen hierzu unfähig, so sollte
er bei der Thronfolge übergangen werden; fast alle
neueren Verfassungsgesetze jedoch schliessen ihn nicht
aus, sondern ordnen in diesem Falle nur eine Regent-
schaft an.8

6 So in den Sächsischen Staaten. Siehe auch Bayerische
Verfassungsurkunde II. 5.
7 Diess Erforderniss ergiebt sich aus der staatsrechtlichen
Natur des heutigen Monarchenrechts, und es besteht weder ein
Bedürfniss, noch eine Berechtigung, hierfür die Grundsätze der
Lehnsfolgefähigkeit oder die über die Eigenschaften der Kur-
fürsten handelnden Bestimmungen der goldenen Bulle heranzu-
ziehen. Dass aber nur wirkliche Unfähigkeit ein Grund des Aus-
schlusses sein könne, und nicht schon geminderte Fähigkeit, ist
ein Satz, den das Erforderniss der Sicherheit des Thronfolgerechts
zu verlangen scheint. Alles wird nur darauf ankommen, wie und
durch wen die Unfähigkeit constatirt werden müsse. Im Zweifel
muss hier die Analogie der Grundsätze über die Constatirung der
Nothwendigkeit einer Regentschaft entscheiden.
8 So Württembergische Verfassungsurkunde §. 11—13. Säch-
sische Verfassungsurkunde §. 9. Bayerische Verfassungsurkunde
II., 9. 11. Grossherzoglich Hessische Verfassungsurkunde §. 5.
Kurhessische Verfassungsurkunde §. 9. Preussische Verfassungs-
urkunde §. 56. Ueber die Hannoversche Verfassungsurkunde
§. 17. siehe Zachariä a. a. O., §. 70. Note 9.
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[89/0107] §. 30. Der Monarch. wird diese Cognatensuccession noch durch den Vorzug Erbverbrüderter oder aus Eventual- und Gesammtbe- lehnungen oder lehnsherrlichen Heimfallsrechten Be- rechtigter zurückgedrängt. 6 5. Derjenige, welcher hier- nach zum Eintritte in das Monarchenrecht im concreten Falle wirklich berufen ist, muss aber, um wirklich Monarch werden zu können, zur Uebernahme des Monarchenberufs befähigt sein. 7 Ist er wegen geistiger oder körperlicher Gebrechen hierzu unfähig, so sollte er bei der Thronfolge übergangen werden; fast alle neueren Verfassungsgesetze jedoch schliessen ihn nicht aus, sondern ordnen in diesem Falle nur eine Regent- schaft an. 8 6 So in den Sächsischen Staaten. Siehe auch Bayerische Verfassungsurkunde II. 5. 7 Diess Erforderniss ergiebt sich aus der staatsrechtlichen Natur des heutigen Monarchenrechts, und es besteht weder ein Bedürfniss, noch eine Berechtigung, hierfür die Grundsätze der Lehnsfolgefähigkeit oder die über die Eigenschaften der Kur- fürsten handelnden Bestimmungen der goldenen Bulle heranzu- ziehen. Dass aber nur wirkliche Unfähigkeit ein Grund des Aus- schlusses sein könne, und nicht schon geminderte Fähigkeit, ist ein Satz, den das Erforderniss der Sicherheit des Thronfolgerechts zu verlangen scheint. Alles wird nur darauf ankommen, wie und durch wen die Unfähigkeit constatirt werden müsse. Im Zweifel muss hier die Analogie der Grundsätze über die Constatirung der Nothwendigkeit einer Regentschaft entscheiden. 8 So Württembergische Verfassungsurkunde §. 11—13. Säch- sische Verfassungsurkunde §. 9. Bayerische Verfassungsurkunde II., 9. 11. Grossherzoglich Hessische Verfassungsurkunde §. 5. Kurhessische Verfassungsurkunde §. 9. Preussische Verfassungs- urkunde §. 56. Ueber die Hannoversche Verfassungsurkunde §. 17. siehe Zachariä a. a. O., §. 70. Note 9.

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Zitationshilfe: Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerber_staatsrecht_1865/107>, abgerufen am 30.04.2024.