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Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.

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Zweiter Abschnitt.
c) Der Regierungsantritt und seine rechtlichen Wirkungen.
§. 31.

Mit dem Ausscheiden des bisherigen Monarchen
ist auch das Monarchenrecht des durch die Thronfolge-
ordung zunächst Berufenen sofort eingetreten; dieser
Eintritt erfolgt von Rechtswegen, und nicht erst auf
Grund einer besonderen Erklärung des Thronfolgers.
Denn das ist die Bedeutung der Thronfolgeordnung für
den Staat, dass nicht bloss jeder Zweifel über die Per-
son des Thronfolgers beseitigt, sondern auch jede Mög-
lichkeit einer Unterbrechung des Staatslebens ausge-
schlossen werde.1 Nun pflegt zwar der neue Monarch
seinen Regierungsantritt durch mancherlei Acte zu so-
lennisiren: er erlässt ein Manifest, verspricht in beson-
derer Urkunde oder den Ständen gegenüber die Auf-
rechterhaltung der Verfassung, empfängt dann die Hul-
digung der Stände; aber diese Acte beruhen auf keiner
staatsrechtlichen Nothwendigkeit, indem weder die fort-
dauernde Geltung des Verfassungsrechts, noch der An-
fang der staatsbürgerlichen Pflichten gegen das Staats-
oberhaupt durch sie bedingt ist.2 Die allgemeine Vor-

1 Dieser Satz ist also jetzt nicht mehr auf das Princip der
successio ex pacto et providentia majorum zurückzuführen.
2 Die Oldenburgische Verfassungsurkunde von 1852 Art. 197.
§. 3. und das Coburg-Gothaer Staatsgrundgesetz von 1852 §. 159.
knüpfen an die Verweigerung des Angelöbnisses der Haltung der
Verfassung das Präjudiz, dass inzwischen das Staatsministerium
regiert. Gegen die seltsame Auffassung des Satzes der Württem-
bergischen Verfassungsurkunde §. 10. bei Mohl, Württembergi-
sches Staatsrecht I., S. 172. flg. (welcher den König vorher nicht
als König behandelt wissen will, ohne sagen zu können, was er
denn eigentlich sei, da er sicher auch nicht mehr Kronprinz ist),
Zweiter Abschnitt.
c) Der Regierungsantritt und seine rechtlichen Wirkungen.
§. 31.

Mit dem Ausscheiden des bisherigen Monarchen
ist auch das Monarchenrecht des durch die Thronfolge-
ordung zunächst Berufenen sofort eingetreten; dieser
Eintritt erfolgt von Rechtswegen, und nicht erst auf
Grund einer besonderen Erklärung des Thronfolgers.
Denn das ist die Bedeutung der Thronfolgeordnung für
den Staat, dass nicht bloss jeder Zweifel über die Per-
son des Thronfolgers beseitigt, sondern auch jede Mög-
lichkeit einer Unterbrechung des Staatslebens ausge-
schlossen werde.1 Nun pflegt zwar der neue Monarch
seinen Regierungsantritt durch mancherlei Acte zu so-
lennisiren: er erlässt ein Manifest, verspricht in beson-
derer Urkunde oder den Ständen gegenüber die Auf-
rechterhaltung der Verfassung, empfängt dann die Hul-
digung der Stände; aber diese Acte beruhen auf keiner
staatsrechtlichen Nothwendigkeit, indem weder die fort-
dauernde Geltung des Verfassungsrechts, noch der An-
fang der staatsbürgerlichen Pflichten gegen das Staats-
oberhaupt durch sie bedingt ist.2 Die allgemeine Vor-

1 Dieser Satz ist also jetzt nicht mehr auf das Princip der
successio ex pacto et providentia majorum zurückzuführen.
2 Die Oldenburgische Verfassungsurkunde von 1852 Art. 197.
§. 3. und das Coburg-Gothaer Staatsgrundgesetz von 1852 §. 159.
knüpfen an die Verweigerung des Angelöbnisses der Haltung der
Verfassung das Präjudiz, dass inzwischen das Staatsministerium
regiert. Gegen die seltsame Auffassung des Satzes der Württem-
bergischen Verfassungsurkunde §. 10. bei Mohl, Württembergi-
sches Staatsrecht I., S. 172. flg. (welcher den König vorher nicht
als König behandelt wissen will, ohne sagen zu können, was er
denn eigentlich sei, da er sicher auch nicht mehr Kronprinz ist),
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[90/0108] Zweiter Abschnitt. c) Der Regierungsantritt und seine rechtlichen Wirkungen. §. 31. Mit dem Ausscheiden des bisherigen Monarchen ist auch das Monarchenrecht des durch die Thronfolge- ordung zunächst Berufenen sofort eingetreten; dieser Eintritt erfolgt von Rechtswegen, und nicht erst auf Grund einer besonderen Erklärung des Thronfolgers. Denn das ist die Bedeutung der Thronfolgeordnung für den Staat, dass nicht bloss jeder Zweifel über die Per- son des Thronfolgers beseitigt, sondern auch jede Mög- lichkeit einer Unterbrechung des Staatslebens ausge- schlossen werde. 1 Nun pflegt zwar der neue Monarch seinen Regierungsantritt durch mancherlei Acte zu so- lennisiren: er erlässt ein Manifest, verspricht in beson- derer Urkunde oder den Ständen gegenüber die Auf- rechterhaltung der Verfassung, empfängt dann die Hul- digung der Stände; aber diese Acte beruhen auf keiner staatsrechtlichen Nothwendigkeit, indem weder die fort- dauernde Geltung des Verfassungsrechts, noch der An- fang der staatsbürgerlichen Pflichten gegen das Staats- oberhaupt durch sie bedingt ist. 2 Die allgemeine Vor- 1 Dieser Satz ist also jetzt nicht mehr auf das Princip der successio ex pacto et providentia majorum zurückzuführen. 2 Die Oldenburgische Verfassungsurkunde von 1852 Art. 197. §. 3. und das Coburg-Gothaer Staatsgrundgesetz von 1852 §. 159. knüpfen an die Verweigerung des Angelöbnisses der Haltung der Verfassung das Präjudiz, dass inzwischen das Staatsministerium regiert. Gegen die seltsame Auffassung des Satzes der Württem- bergischen Verfassungsurkunde §. 10. bei Mohl, Württembergi- sches Staatsrecht I., S. 172. flg. (welcher den König vorher nicht als König behandelt wissen will, ohne sagen zu können, was er denn eigentlich sei, da er sicher auch nicht mehr Kronprinz ist),

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Zitationshilfe: Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerber_staatsrecht_1865/108>, abgerufen am 30.04.2024.