Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gleditsch, Johann Gottlieb: Vermischte botanische Abhandlungen. Bd. 1. Berlin, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

wozu sie die Natur durch den Keim bestimmt hat.
Ob nun beyde allerersten Väter der Pflanzenkunde
schon, wie vorgesagt, aus Mangel einer sichern
Bestimmung von jeher sehr unzureichend befunden
worden sind, so glaubte man doch zum Theil, aus
Achtung gegen das Alterthum, einige Spuren der
Wahrheit darinnen erblickt zu haben, und führte
sie deswegen in allen Schriften mit einigen Erinne-
rungen an. Die Erfahrung als der sicherste Lehr-
meister, welcher der Natur getreu verbleibet, beleh-
ret die Zweifel am gewissesten, über diese Verände-
rungen aller Pflanzen aus einem fremden Himmels-
strich in den andern, auch unter einen und eben
denselben; sie überzeuget nehmlich, daß nachdem
Zeit, Kosten, Mühe und Nachdenken vielfältig
auch nicht ganz ohne Einsicht verschwendet worden,
die wahren Kräuter, plantae herbaceae, dennoch
weder zu Staudengewächsen, suffrutices, gemacht,
noch beyderley ohne einen bloßen Anschein in Sträu-
cher,
frutices, und Bäume, arbores, verwandelt,
das ist, wirklich umgebildet werden können. Denn
die Untersuchung hebt allen bloßen Anschein auf,
und man kann alle solche Gewächse, nut auf einige
Zeit, in einen solchen Zustand versetzen, der zwi-
schen allen viererley Pflanzenabtheilungen, bloß
und höchstens das Mittel hält, ohne daß sie darinn
bleiben, oder lange ausdauern. Denn diese Cultur
derselben Gewächse ist höchst mühsam, und wenn
sie den möglichsten Grad von Abänderungen und

Ver-
O

wozu ſie die Natur durch den Keim beſtimmt hat.
Ob nun beyde allererſten Vaͤter der Pflanzenkunde
ſchon, wie vorgeſagt, aus Mangel einer ſichern
Beſtimmung von jeher ſehr unzureichend befunden
worden ſind, ſo glaubte man doch zum Theil, aus
Achtung gegen das Alterthum, einige Spuren der
Wahrheit darinnen erblickt zu haben, und fuͤhrte
ſie deswegen in allen Schriften mit einigen Erinne-
rungen an. Die Erfahrung als der ſicherſte Lehr-
meiſter, welcher der Natur getreu verbleibet, beleh-
ret die Zweifel am gewiſſeſten, uͤber dieſe Veraͤnde-
rungen aller Pflanzen aus einem fremden Himmels-
ſtrich in den andern, auch unter einen und eben
denſelben; ſie uͤberzeuget nehmlich, daß nachdem
Zeit, Koſten, Muͤhe und Nachdenken vielfaͤltig
auch nicht ganz ohne Einſicht verſchwendet worden,
die wahren Kraͤuter, plantae herbaceae, dennoch
weder zu Staudengewaͤchſen, ſuffrutices, gemacht,
noch beyderley ohne einen bloßen Anſchein in Straͤu-
cher,
frutices, und Baͤume, arbores, verwandelt,
das iſt, wirklich umgebildet werden koͤnnen. Denn
die Unterſuchung hebt allen bloßen Anſchein auf,
und man kann alle ſolche Gewaͤchſe, nut auf einige
Zeit, in einen ſolchen Zuſtand verſetzen, der zwi-
ſchen allen viererley Pflanzenabtheilungen, bloß
und hoͤchſtens das Mittel haͤlt, ohne daß ſie darinn
bleiben, oder lange ausdauern. Denn dieſe Cultur
derſelben Gewaͤchſe iſt hoͤchſt muͤhſam, und wenn
ſie den moͤglichſten Grad von Abaͤnderungen und

Ver-
O
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0221" n="209"/>
wozu &#x017F;ie die Natur durch den Keim be&#x017F;timmt hat.<lb/>
Ob nun beyde allerer&#x017F;ten Va&#x0364;ter der Pflanzenkunde<lb/>
&#x017F;chon, wie vorge&#x017F;agt, aus Mangel einer &#x017F;ichern<lb/>
Be&#x017F;timmung von jeher &#x017F;ehr unzureichend befunden<lb/>
worden &#x017F;ind, &#x017F;o glaubte man doch zum Theil, aus<lb/>
Achtung gegen das Alterthum, einige Spuren der<lb/>
Wahrheit darinnen erblickt zu haben, und fu&#x0364;hrte<lb/>
&#x017F;ie deswegen in allen Schriften mit einigen Erinne-<lb/>
rungen an. Die Erfahrung als der &#x017F;icher&#x017F;te Lehr-<lb/>
mei&#x017F;ter, welcher der Natur getreu verbleibet, beleh-<lb/>
ret die Zweifel am gewi&#x017F;&#x017F;e&#x017F;ten, u&#x0364;ber die&#x017F;e Vera&#x0364;nde-<lb/>
rungen aller Pflanzen aus einem fremden Himmels-<lb/>
&#x017F;trich in den andern, auch unter einen und eben<lb/>
den&#x017F;elben; &#x017F;ie u&#x0364;berzeuget nehmlich, daß nachdem<lb/>
Zeit, Ko&#x017F;ten, Mu&#x0364;he und Nachdenken vielfa&#x0364;ltig<lb/>
auch nicht ganz ohne Ein&#x017F;icht ver&#x017F;chwendet worden,<lb/>
die <hi rendition="#fr">wahren Kra&#x0364;uter,</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">plantae herbaceae</hi>,</hi> dennoch<lb/><hi rendition="#fr">weder zu Staudengewa&#x0364;ch&#x017F;en,</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">&#x017F;uffrutices</hi>,</hi> gemacht,<lb/>
noch beyderley ohne einen bloßen An&#x017F;chein in <hi rendition="#fr">Stra&#x0364;u-<lb/>
cher,</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">frutices</hi>,</hi> und <hi rendition="#fr">Ba&#x0364;ume,</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">arbores</hi>,</hi> verwandelt,<lb/>
das i&#x017F;t, wirklich umgebildet werden ko&#x0364;nnen. Denn<lb/>
die Unter&#x017F;uchung hebt allen bloßen An&#x017F;chein auf,<lb/>
und man kann alle &#x017F;olche Gewa&#x0364;ch&#x017F;e, nut auf einige<lb/>
Zeit, in einen &#x017F;olchen Zu&#x017F;tand ver&#x017F;etzen, der zwi-<lb/>
&#x017F;chen allen <hi rendition="#fr">viererley Pflanzenabtheilungen,</hi> bloß<lb/>
und ho&#x0364;ch&#x017F;tens das Mittel ha&#x0364;lt, ohne daß &#x017F;ie darinn<lb/>
bleiben, oder lange ausdauern. Denn die&#x017F;e Cultur<lb/>
der&#x017F;elben Gewa&#x0364;ch&#x017F;e i&#x017F;t ho&#x0364;ch&#x017F;t mu&#x0364;h&#x017F;am, und wenn<lb/>
&#x017F;ie den mo&#x0364;glich&#x017F;ten Grad von Aba&#x0364;nderungen und<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">O</fw><fw place="bottom" type="catch">Ver-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[209/0221] wozu ſie die Natur durch den Keim beſtimmt hat. Ob nun beyde allererſten Vaͤter der Pflanzenkunde ſchon, wie vorgeſagt, aus Mangel einer ſichern Beſtimmung von jeher ſehr unzureichend befunden worden ſind, ſo glaubte man doch zum Theil, aus Achtung gegen das Alterthum, einige Spuren der Wahrheit darinnen erblickt zu haben, und fuͤhrte ſie deswegen in allen Schriften mit einigen Erinne- rungen an. Die Erfahrung als der ſicherſte Lehr- meiſter, welcher der Natur getreu verbleibet, beleh- ret die Zweifel am gewiſſeſten, uͤber dieſe Veraͤnde- rungen aller Pflanzen aus einem fremden Himmels- ſtrich in den andern, auch unter einen und eben denſelben; ſie uͤberzeuget nehmlich, daß nachdem Zeit, Koſten, Muͤhe und Nachdenken vielfaͤltig auch nicht ganz ohne Einſicht verſchwendet worden, die wahren Kraͤuter, plantae herbaceae, dennoch weder zu Staudengewaͤchſen, ſuffrutices, gemacht, noch beyderley ohne einen bloßen Anſchein in Straͤu- cher, frutices, und Baͤume, arbores, verwandelt, das iſt, wirklich umgebildet werden koͤnnen. Denn die Unterſuchung hebt allen bloßen Anſchein auf, und man kann alle ſolche Gewaͤchſe, nut auf einige Zeit, in einen ſolchen Zuſtand verſetzen, der zwi- ſchen allen viererley Pflanzenabtheilungen, bloß und hoͤchſtens das Mittel haͤlt, ohne daß ſie darinn bleiben, oder lange ausdauern. Denn dieſe Cultur derſelben Gewaͤchſe iſt hoͤchſt muͤhſam, und wenn ſie den moͤglichſten Grad von Abaͤnderungen und Ver- O

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen01_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen01_1789/221
Zitationshilfe: Gleditsch, Johann Gottlieb: Vermischte botanische Abhandlungen. Bd. 1. Berlin, 1789, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen01_1789/221>, abgerufen am 30.04.2024.