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Gleditsch, Johann Gottlieb: Vermischte botanische Abhandlungen. Bd. 1. Berlin, 1789.

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chen Zustande eine Befruchtung erfolgen? Aus
diesen Umständen kamen die Naturforscher endlich
auf alle mögliche Versuche, die Befruchtung des
Saamens in den Griffel durch Kunst nach Gefal-
len zu verändern, zu hindern und zu befördern,
und dadurch erhielten sie eine weit mehrere Gewiß-
heit in dieser höchst wichtigen Sache, als man zu-
vor nie gehabt hatte.

15. Diese Versuche waren wegen Gewißheit
der Hauptsache zwar entscheidend genug, allein,
wegen des wahren Ortes an dem Griffel durch wel-
chen die Befruchtung geschähe, und was die be-
fruchtende Materie sey, darüber blieben die Mey-
nungen getheilt, und etliche hielten das letztere gar
vor ein unergründliches Geheimniß der Natur.
Viele blieben bey der bloßen Verwunderung stehen,
andere schrieben und beteten ihren Lehrmeistern nach,
und erläuterten dasjenige mit Figuren, was weder
ihre Meister noch sie jemahls gesehen hatten, und
andere nach ihnen, außer den Figuren, niemahls
werden zu sehen bekommen haben. Was den Ort
der Befruchtung betrift, so nahmen die meisten die
Narbe des Griffels
, andere aber die Fruchtröhre
davor an.

Die nachfolgenden Naturforscher, welche die
Verschiedenheiten und Abweichungen des innern
und äußern Baues nach ihrer wahren Beschaffen-
heit besser kannten, und dahero bey ganzen natürli-
chen Klassen und Ordnungen der Pflanzen, etwas

besser
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chen Zuſtande eine Befruchtung erfolgen? Aus
dieſen Umſtaͤnden kamen die Naturforſcher endlich
auf alle moͤgliche Verſuche, die Befruchtung des
Saamens in den Griffel durch Kunſt nach Gefal-
len zu veraͤndern, zu hindern und zu befoͤrdern,
und dadurch erhielten ſie eine weit mehrere Gewiß-
heit in dieſer hoͤchſt wichtigen Sache, als man zu-
vor nie gehabt hatte.

15. Dieſe Verſuche waren wegen Gewißheit
der Hauptſache zwar entſcheidend genug, allein,
wegen des wahren Ortes an dem Griffel durch wel-
chen die Befruchtung geſchaͤhe, und was die be-
fruchtende Materie ſey, daruͤber blieben die Mey-
nungen getheilt, und etliche hielten das letztere gar
vor ein unergruͤndliches Geheimniß der Natur.
Viele blieben bey der bloßen Verwunderung ſtehen,
andere ſchrieben und beteten ihren Lehrmeiſtern nach,
und erlaͤuterten dasjenige mit Figuren, was weder
ihre Meiſter noch ſie jemahls geſehen hatten, und
andere nach ihnen, außer den Figuren, niemahls
werden zu ſehen bekommen haben. Was den Ort
der Befruchtung betrift, ſo nahmen die meiſten die
Narbe des Griffels
, andere aber die Fruchtroͤhre
davor an.

Die nachfolgenden Naturforſcher, welche die
Verſchiedenheiten und Abweichungen des innern
und aͤußern Baues nach ihrer wahren Beſchaffen-
heit beſſer kannten, und dahero bey ganzen natuͤrli-
chen Klaſſen und Ordnungen der Pflanzen, etwas

beſſer
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[51/0063] chen Zuſtande eine Befruchtung erfolgen? Aus dieſen Umſtaͤnden kamen die Naturforſcher endlich auf alle moͤgliche Verſuche, die Befruchtung des Saamens in den Griffel durch Kunſt nach Gefal- len zu veraͤndern, zu hindern und zu befoͤrdern, und dadurch erhielten ſie eine weit mehrere Gewiß- heit in dieſer hoͤchſt wichtigen Sache, als man zu- vor nie gehabt hatte. 15. Dieſe Verſuche waren wegen Gewißheit der Hauptſache zwar entſcheidend genug, allein, wegen des wahren Ortes an dem Griffel durch wel- chen die Befruchtung geſchaͤhe, und was die be- fruchtende Materie ſey, daruͤber blieben die Mey- nungen getheilt, und etliche hielten das letztere gar vor ein unergruͤndliches Geheimniß der Natur. Viele blieben bey der bloßen Verwunderung ſtehen, andere ſchrieben und beteten ihren Lehrmeiſtern nach, und erlaͤuterten dasjenige mit Figuren, was weder ihre Meiſter noch ſie jemahls geſehen hatten, und andere nach ihnen, außer den Figuren, niemahls werden zu ſehen bekommen haben. Was den Ort der Befruchtung betrift, ſo nahmen die meiſten die Narbe des Griffels, andere aber die Fruchtroͤhre davor an. Die nachfolgenden Naturforſcher, welche die Verſchiedenheiten und Abweichungen des innern und aͤußern Baues nach ihrer wahren Beſchaffen- heit beſſer kannten, und dahero bey ganzen natuͤrli- chen Klaſſen und Ordnungen der Pflanzen, etwas beſſer D 2

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Zitationshilfe: Gleditsch, Johann Gottlieb: Vermischte botanische Abhandlungen. Bd. 1. Berlin, 1789, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen01_1789/63>, abgerufen am 28.04.2024.