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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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1. Buch 1. Tit.

Zweitens ist zu bemerken, daß, wenn gegen das
Verbot eines Gesetzes gehandelt worden, deswegen nicht
immer gleich das ganze unternommene Geschäft nichtig
sen, sondern der Regel nach nur in so weit solches dem
Gesez zuwider ist, (quatenus in legem peccatum) es
wäre denn, daß die vorgenommene Handlung durchaus
von den Gesetzen sey verboten worden 76). Z. B. eine
Schenkung, die sich über 500 Solidos beläuft, und
nicht gerichtlich insinuirt worden, ist deswegen nicht ganz
ungültig, sondern nur in so weit sie diese Summe über-
steigt, sie gilt also wenigstens doch bis auf die erlaubte
Summe 77). Desgleichen wenn sich ein Gläubiger von
seinem Schuldner mehr Zinsen hat versprechen lassen, als
die Gesetze erlauben, so ist deswegen nicht die ganze
Stipulation ungültig, sondern nur in so weit sie gesez-
liche Quantitär der Zinsen übersteigt 78). Auch sogar bey
leztern Willensverordnungen findet dieses zuweilen statt.
Z. B. wenn Eltern ein Kind ohne rechtmäsige Ursach
enterben, so ist ein solches pflichtwidriges Testament nicht
ganz ungültig, sondern es soll nach der Nov. 115. c. 3.
nur die Erbenseinsetzung auf erhobene Querel des enterb-
ten Kindes rescindiret werden. Der Grund ist leicht
einzusehen. Justinian will, daß Eltern ihre Kinder
zu Erben ernennen sollen, es soll also denen Eltern nicht

er-
76) vinnius Select. Quaest. Lib. I. c. I. Chr. Lud. crell Ob-
servat. de fructu et effectu negotii inutilis
nullius et imperfecti
. Vitembergae 1750. Christ.
Ferd
. harpprecht Diss. de effectibus actus nul-
liter gesti. Tüb.
1750.
77) L. 34. pr. und L. 36 §. 3. C. de donat.
78) L. 29. D. de Usuris. Placuit, sive supra statutum
modum
quis usuras stipulatus fuerit, sive usurarum usu-
ras
, quod illicite adiectum est, pro non adiecto ha-
beri, et licitas peti posse.
1. Buch 1. Tit.

Zweitens iſt zu bemerken, daß, wenn gegen das
Verbot eines Geſetzes gehandelt worden, deswegen nicht
immer gleich das ganze unternommene Geſchaͤft nichtig
ſen, ſondern der Regel nach nur in ſo weit ſolches dem
Geſez zuwider iſt, (quatenus in legem peccatum) es
waͤre denn, daß die vorgenommene Handlung durchaus
von den Geſetzen ſey verboten worden 76). Z. B. eine
Schenkung, die ſich uͤber 500 Solidos belaͤuft, und
nicht gerichtlich inſinuirt worden, iſt deswegen nicht ganz
unguͤltig, ſondern nur in ſo weit ſie dieſe Summe uͤber-
ſteigt, ſie gilt alſo wenigſtens doch bis auf die erlaubte
Summe 77). Desgleichen wenn ſich ein Glaͤubiger von
ſeinem Schuldner mehr Zinſen hat verſprechen laſſen, als
die Geſetze erlauben, ſo iſt deswegen nicht die ganze
Stipulation unguͤltig, ſondern nur in ſo weit ſie geſez-
liche Quantitaͤr der Zinſen uͤberſteigt 78). Auch ſogar bey
leztern Willensverordnungen findet dieſes zuweilen ſtatt.
Z. B. wenn Eltern ein Kind ohne rechtmaͤſige Urſach
enterben, ſo iſt ein ſolches pflichtwidriges Teſtament nicht
ganz unguͤltig, ſondern es ſoll nach der Nov. 115. c. 3.
nur die Erbenseinſetzung auf erhobene Querel des enterb-
ten Kindes reſcindiret werden. Der Grund iſt leicht
einzuſehen. Juſtinian will, daß Eltern ihre Kinder
zu Erben ernennen ſollen, es ſoll alſo denen Eltern nicht

er-
76) vinnius Select. Quaeſt. Lib. I. c. I. Chr. Lud. crell Ob-
ſervat. de fructu et effectu negotii inutilis
nullius et imperfecti
. Vitembergae 1750. Chriſt.
Ferd
. harpprecht Diſſ. de effectibus actus nul-
liter geſti. Tüb.
1750.
77) L. 34. pr. und L. 36 §. 3. C. de donat.
78) L. 29. D. de Uſuris. Placuit, ſive ſupra ſtatutum
modum
quis uſuras ſtipulatus fuerit, ſive uſurarum uſu-
ras
, quod illicite adiectum eſt, pro non adiecto ha-
beri, et licitas peti poſſe.
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[106/0126] 1. Buch 1. Tit. Zweitens iſt zu bemerken, daß, wenn gegen das Verbot eines Geſetzes gehandelt worden, deswegen nicht immer gleich das ganze unternommene Geſchaͤft nichtig ſen, ſondern der Regel nach nur in ſo weit ſolches dem Geſez zuwider iſt, (quatenus in legem peccatum) es waͤre denn, daß die vorgenommene Handlung durchaus von den Geſetzen ſey verboten worden 76). Z. B. eine Schenkung, die ſich uͤber 500 Solidos belaͤuft, und nicht gerichtlich inſinuirt worden, iſt deswegen nicht ganz unguͤltig, ſondern nur in ſo weit ſie dieſe Summe uͤber- ſteigt, ſie gilt alſo wenigſtens doch bis auf die erlaubte Summe 77). Desgleichen wenn ſich ein Glaͤubiger von ſeinem Schuldner mehr Zinſen hat verſprechen laſſen, als die Geſetze erlauben, ſo iſt deswegen nicht die ganze Stipulation unguͤltig, ſondern nur in ſo weit ſie geſez- liche Quantitaͤr der Zinſen uͤberſteigt 78). Auch ſogar bey leztern Willensverordnungen findet dieſes zuweilen ſtatt. Z. B. wenn Eltern ein Kind ohne rechtmaͤſige Urſach enterben, ſo iſt ein ſolches pflichtwidriges Teſtament nicht ganz unguͤltig, ſondern es ſoll nach der Nov. 115. c. 3. nur die Erbenseinſetzung auf erhobene Querel des enterb- ten Kindes reſcindiret werden. Der Grund iſt leicht einzuſehen. Juſtinian will, daß Eltern ihre Kinder zu Erben ernennen ſollen, es ſoll alſo denen Eltern nicht er- 76) vinnius Select. Quaeſt. Lib. I. c. I. Chr. Lud. crell Ob- ſervat. de fructu et effectu negotii inutilis nullius et imperfecti. Vitembergae 1750. Chriſt. Ferd. harpprecht Diſſ. de effectibus actus nul- liter geſti. Tüb. 1750. 77) L. 34. pr. und L. 36 §. 3. C. de donat. 78) L. 29. D. de Uſuris. Placuit, ſive ſupra ſtatutum modum quis uſuras ſtipulatus fuerit, ſive uſurarum uſu- ras, quod illicite adiectum eſt, pro non adiecto ha- beri, et licitas peti poſſe.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/126>, abgerufen am 30.04.2024.