Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

1. Buch. 1. Tit.
stehen können, oder ob ein solcher Fall vorhanden, wo
die bürgerlichen Gesetze einer wirklich vorhandenen und
bisher völlig klagbaren Verbindlichkeit zur Strafe des
Gläubigers ihre Wirkung ganz wiederum entzogen ha-
ben. Im leztern Fall findet die Zurückforderung nur
alsdenn statt, wenn die Zahlung aus Irrthum ge-
schehen. Denn zahlet der Schuldner dennoch wissent-
lich und freywillig seinem Gläubiger dasjenige, was
lezterer den Rechten nach gar nicht weiter hätte fordern
dürfen, so wird rechtlich vermuthet, daß die Zahlung
animo donandi geschehen sey, in welchem Fall die
Gesetze keine Repetition der einmahl geleisteten Zahlung
gestatten 2). Im erstern Fall muß man wiederum auf
den Grund des bürgerlichen Verbots, und das persöhn-
liche Verhältnis dessen, der die Zahlung geleistet hat,
Achtung geben, und daraus beurtheilen, wie weit die
Zurückforderung des Gegebnen freystehe. Hier kom-
men nun besonders diejenigen Fälle in Betrachtung, die
wir schon oben in der Theorie vom verbietenden Rech-
te im Allgemeinen angegeben haben. (S. 99. u. folg.)
Wir distinguiren demnach in Grundlage derselben nun
folgender gestalt. Das bürgerliche Gesez hat entweder
diejenige Handlung allgemein verboten, zu deren Er-
füllung die Zahlung geschehen; oder nur allein gewis-
sen Persohnen zu ihren eignen Besten
die Be-
fugnis genommen, diejenige rechtliche Handlungen einzu-
gehen, die sie gegen das Gesez dennoch unternommen
haben. Im leztern Fall ist besonders das persöhn-
liche Verhältnis
dessen in Obacht zu nehmen, der
die Zahlung geleistet hat. Ist dieser Contrahent eine solche
Persohn, der überhaupt die rechtlichen Erfordernisse sich gül-
tig zu verbinden, ermangeln, so ist es ausser allen Zwei-

fel,
2) L. 53. D. de Reg. Iur. Cuius per errorem dati repe-
titio est, eius consulto dati donatio est.

1. Buch. 1. Tit.
ſtehen koͤnnen, oder ob ein ſolcher Fall vorhanden, wo
die buͤrgerlichen Geſetze einer wirklich vorhandenen und
bisher voͤllig klagbaren Verbindlichkeit zur Strafe des
Glaͤubigers ihre Wirkung ganz wiederum entzogen ha-
ben. Im leztern Fall findet die Zuruͤckforderung nur
alsdenn ſtatt, wenn die Zahlung aus Irrthum ge-
ſchehen. Denn zahlet der Schuldner dennoch wiſſent-
lich und freywillig ſeinem Glaͤubiger dasjenige, was
lezterer den Rechten nach gar nicht weiter haͤtte fordern
duͤrfen, ſo wird rechtlich vermuthet, daß die Zahlung
animo donandi geſchehen ſey, in welchem Fall die
Geſetze keine Repetition der einmahl geleiſteten Zahlung
geſtatten 2). Im erſtern Fall muß man wiederum auf
den Grund des buͤrgerlichen Verbots, und das perſoͤhn-
liche Verhaͤltnis deſſen, der die Zahlung geleiſtet hat,
Achtung geben, und daraus beurtheilen, wie weit die
Zuruͤckforderung des Gegebnen freyſtehe. Hier kom-
men nun beſonders diejenigen Faͤlle in Betrachtung, die
wir ſchon oben in der Theorie vom verbietenden Rech-
te im Allgemeinen angegeben haben. (S. 99. u. folg.)
Wir diſtinguiren demnach in Grundlage derſelben nun
folgender geſtalt. Das buͤrgerliche Geſez hat entweder
diejenige Handlung allgemein verboten, zu deren Er-
fuͤllung die Zahlung geſchehen; oder nur allein gewiſ-
ſen Perſohnen zu ihren eignen Beſten
die Be-
fugnis genommen, diejenige rechtliche Handlungen einzu-
gehen, die ſie gegen das Geſez dennoch unternommen
haben. Im leztern Fall iſt beſonders das perſoͤhn-
liche Verhaͤltnis
deſſen in Obacht zu nehmen, der
die Zahlung geleiſtet hat. Iſt dieſer Contrahent eine ſolche
Perſohn, der uͤberhaupt die rechtlichen Erforderniſſe ſich guͤl-
tig zu verbinden, ermangeln, ſo iſt es auſſer allen Zwei-

fel,
2) L. 53. D. de Reg. Iur. Cuius per errorem dati repe-
titio eſt, eius conſulto dati donatio eſt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0200" n="180"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">1. Buch. 1. Tit.</hi></fw><lb/>
&#x017F;tehen ko&#x0364;nnen, oder ob ein &#x017F;olcher Fall vorhanden, wo<lb/>
die bu&#x0364;rgerlichen Ge&#x017F;etze einer wirklich vorhandenen und<lb/>
bisher vo&#x0364;llig klagbaren Verbindlichkeit zur Strafe des<lb/>
Gla&#x0364;ubigers ihre Wirkung ganz wiederum entzogen ha-<lb/>
ben. Im leztern Fall findet die Zuru&#x0364;ckforderung nur<lb/>
alsdenn &#x017F;tatt, wenn die Zahlung <hi rendition="#g">aus Irrthum</hi> ge-<lb/>
&#x017F;chehen. Denn zahlet der Schuldner dennoch wi&#x017F;&#x017F;ent-<lb/>
lich und freywillig &#x017F;einem Gla&#x0364;ubiger dasjenige, was<lb/>
lezterer den Rechten nach gar nicht weiter ha&#x0364;tte fordern<lb/>
du&#x0364;rfen, &#x017F;o wird rechtlich vermuthet, daß die Zahlung<lb/><hi rendition="#aq">animo donandi</hi> ge&#x017F;chehen &#x017F;ey, in welchem Fall die<lb/>
Ge&#x017F;etze keine Repetition der einmahl gelei&#x017F;teten Zahlung<lb/>
ge&#x017F;tatten <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L. 53. D. de Reg. Iur.</hi> Cuius per errorem dati repe-<lb/>
titio e&#x017F;t, <hi rendition="#i">eius con&#x017F;ulto dati donatio e&#x017F;t.</hi></hi></note>. Im er&#x017F;tern Fall muß man wiederum auf<lb/>
den Grund des bu&#x0364;rgerlichen Verbots, und das per&#x017F;o&#x0364;hn-<lb/>
liche Verha&#x0364;ltnis de&#x017F;&#x017F;en, der die Zahlung gelei&#x017F;tet hat,<lb/>
Achtung geben, und daraus beurtheilen, wie weit die<lb/>
Zuru&#x0364;ckforderung des Gegebnen frey&#x017F;tehe. Hier kom-<lb/>
men nun be&#x017F;onders diejenigen Fa&#x0364;lle in Betrachtung, die<lb/>
wir &#x017F;chon oben in der Theorie vom verbietenden Rech-<lb/>
te im Allgemeinen angegeben haben. (S. 99. u. folg.)<lb/>
Wir di&#x017F;tinguiren demnach in Grundlage der&#x017F;elben nun<lb/>
folgender ge&#x017F;talt. Das bu&#x0364;rgerliche Ge&#x017F;ez hat entweder<lb/>
diejenige Handlung <hi rendition="#g">allgemein</hi> verboten, zu deren Er-<lb/>
fu&#x0364;llung die Zahlung ge&#x017F;chehen; oder nur allein <hi rendition="#g">gewi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Per&#x017F;ohnen zu ihren eignen Be&#x017F;ten</hi> die Be-<lb/>
fugnis genommen, diejenige rechtliche Handlungen einzu-<lb/>
gehen, die &#x017F;ie gegen das Ge&#x017F;ez dennoch unternommen<lb/>
haben. Im leztern Fall i&#x017F;t be&#x017F;onders das <hi rendition="#g">per&#x017F;o&#x0364;hn-<lb/>
liche Verha&#x0364;ltnis</hi> de&#x017F;&#x017F;en in Obacht zu nehmen, der<lb/>
die Zahlung gelei&#x017F;tet hat. I&#x017F;t die&#x017F;er Contrahent eine &#x017F;olche<lb/>
Per&#x017F;ohn, der u&#x0364;berhaupt die rechtlichen Erforderni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ich gu&#x0364;l-<lb/>
tig zu verbinden, ermangeln, &#x017F;o i&#x017F;t es au&#x017F;&#x017F;er allen Zwei-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">fel,</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[180/0200] 1. Buch. 1. Tit. ſtehen koͤnnen, oder ob ein ſolcher Fall vorhanden, wo die buͤrgerlichen Geſetze einer wirklich vorhandenen und bisher voͤllig klagbaren Verbindlichkeit zur Strafe des Glaͤubigers ihre Wirkung ganz wiederum entzogen ha- ben. Im leztern Fall findet die Zuruͤckforderung nur alsdenn ſtatt, wenn die Zahlung aus Irrthum ge- ſchehen. Denn zahlet der Schuldner dennoch wiſſent- lich und freywillig ſeinem Glaͤubiger dasjenige, was lezterer den Rechten nach gar nicht weiter haͤtte fordern duͤrfen, ſo wird rechtlich vermuthet, daß die Zahlung animo donandi geſchehen ſey, in welchem Fall die Geſetze keine Repetition der einmahl geleiſteten Zahlung geſtatten 2). Im erſtern Fall muß man wiederum auf den Grund des buͤrgerlichen Verbots, und das perſoͤhn- liche Verhaͤltnis deſſen, der die Zahlung geleiſtet hat, Achtung geben, und daraus beurtheilen, wie weit die Zuruͤckforderung des Gegebnen freyſtehe. Hier kom- men nun beſonders diejenigen Faͤlle in Betrachtung, die wir ſchon oben in der Theorie vom verbietenden Rech- te im Allgemeinen angegeben haben. (S. 99. u. folg.) Wir diſtinguiren demnach in Grundlage derſelben nun folgender geſtalt. Das buͤrgerliche Geſez hat entweder diejenige Handlung allgemein verboten, zu deren Er- fuͤllung die Zahlung geſchehen; oder nur allein gewiſ- ſen Perſohnen zu ihren eignen Beſten die Be- fugnis genommen, diejenige rechtliche Handlungen einzu- gehen, die ſie gegen das Geſez dennoch unternommen haben. Im leztern Fall iſt beſonders das perſoͤhn- liche Verhaͤltnis deſſen in Obacht zu nehmen, der die Zahlung geleiſtet hat. Iſt dieſer Contrahent eine ſolche Perſohn, der uͤberhaupt die rechtlichen Erforderniſſe ſich guͤl- tig zu verbinden, ermangeln, ſo iſt es auſſer allen Zwei- fel, 2) L. 53. D. de Reg. Iur. Cuius per errorem dati repe- titio eſt, eius conſulto dati donatio eſt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/200
Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/200>, abgerufen am 29.04.2024.