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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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de Iustitia et Iure.
schuldig seyn, er hat aber doch unstreitig ehender Ge-
legenheit, den wahren Thäter auszufinden, und an ihm
seinen Regreß zu nehmen, als der Beschädigte. Grund
genug zur Rechtfertigung einer zur Beförderung der öf-
fentlichen Sicherheit ganz unentbehrlichen Legislation.
Allein eben darum, weil der Beschädigte nicht verbunden
ist, den Wirth oder Bewohner des Hauses als den
Urheber der Handlung
anzuklagen, heißt es in
§. 1. I. de obligat. quae quasi ex delict. nascuntur:
ideo non proprie ex maleficio obligatus intelligitur,
quia plerumque ob alterius culpam tenetur
45).

Dies sind die Begriffe von denen Obligationi-
bus ex delicto et quasi ex delicto
in ächtem Sinn
des Röm. Rechts genommen: welches ich darum erin-
nern muß, weil unsere heutigen Rechtslehrer andere
Begriffe damit zu verbinden pflegen. Denn heut zu
Tage nennt man eigentliche Verbrechen (vera de-
licta)
solche, die mit Vorsaz verübt worden sind. Hin-
gegen, die aus bloser Unachtsamkeit zu Schulden ge-
brachte Vergehungen werden von unsern heutigen Crimi-
nalisten nur quasi delicta genannt 46).

Zum Beschluß dieser Theorie nur noch einige Be-
merkungen. Erstlich: wenn in unsern Gesetzbüchern sehr
oft gesagt wird, die Verbindlichkeit entstehe ex re,
so gilt dieses von allen denjenigen Fällen, wo die Ver-
bindlichkeit nicht von der Einwilligung des Schuldners,

noch
45) Man vergleiche besonders des Prof. Wehers angef. Buch.
I. Abtheil. §. 10--20. welcher daselbst die Begriffe von de-
nen obligationibus quasi ex delicto vortreflich erklärt,
und von den Irthümern der Doctorum gereiniget hat.
46) So lehren Böhmer, Engau, Meister, Quistorp,
Koch und Püttmann in ihren Lehrbüchern der peinl.
Rechtsgelahrtheit.
C 2

de Iuſtitia et Iure.
ſchuldig ſeyn, er hat aber doch unſtreitig ehender Ge-
legenheit, den wahren Thaͤter auszufinden, und an ihm
ſeinen Regreß zu nehmen, als der Beſchaͤdigte. Grund
genug zur Rechtfertigung einer zur Befoͤrderung der oͤf-
fentlichen Sicherheit ganz unentbehrlichen Legislation.
Allein eben darum, weil der Beſchaͤdigte nicht verbunden
iſt, den Wirth oder Bewohner des Hauſes als den
Urheber der Handlung
anzuklagen, heißt es in
§. 1. I. de obligat. quae quaſi ex delict. naſcuntur:
ideo non proprie ex maleficio obligatus intelligitur,
quia plerumque ob alterius culpam tenetur
45).

Dies ſind die Begriffe von denen Obligationi-
bus ex delicto et quaſi ex delicto
in aͤchtem Sinn
des Roͤm. Rechts genommen: welches ich darum erin-
nern muß, weil unſere heutigen Rechtslehrer andere
Begriffe damit zu verbinden pflegen. Denn heut zu
Tage nennt man eigentliche Verbrechen (vera de-
licta)
ſolche, die mit Vorſaz veruͤbt worden ſind. Hin-
gegen, die aus bloſer Unachtſamkeit zu Schulden ge-
brachte Vergehungen werden von unſern heutigen Crimi-
naliſten nur quaſi delicta genannt 46).

Zum Beſchluß dieſer Theorie nur noch einige Be-
merkungen. Erſtlich: wenn in unſern Geſetzbuͤchern ſehr
oft geſagt wird, die Verbindlichkeit entſtehe ex re,
ſo gilt dieſes von allen denjenigen Faͤllen, wo die Ver-
bindlichkeit nicht von der Einwilligung des Schuldners,

noch
45) Man vergleiche beſonders des Prof. Wehers angef. Buch.
I. Abtheil. §. 10—20. welcher daſelbſt die Begriffe von de-
nen obligationibus quaſi ex delicto vortreflich erklaͤrt,
und von den Irthuͤmern der Doctorum gereiniget hat.
46) So lehren Boͤhmer, Engau, Meiſter, Quiſtorp,
Koch und Puͤttmann in ihren Lehrbuͤchern der peinl.
Rechtsgelahrtheit.
C 2
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[35/0055] de Iuſtitia et Iure. ſchuldig ſeyn, er hat aber doch unſtreitig ehender Ge- legenheit, den wahren Thaͤter auszufinden, und an ihm ſeinen Regreß zu nehmen, als der Beſchaͤdigte. Grund genug zur Rechtfertigung einer zur Befoͤrderung der oͤf- fentlichen Sicherheit ganz unentbehrlichen Legislation. Allein eben darum, weil der Beſchaͤdigte nicht verbunden iſt, den Wirth oder Bewohner des Hauſes als den Urheber der Handlung anzuklagen, heißt es in §. 1. I. de obligat. quae quaſi ex delict. naſcuntur: ideo non proprie ex maleficio obligatus intelligitur, quia plerumque ob alterius culpam tenetur 45). Dies ſind die Begriffe von denen Obligationi- bus ex delicto et quaſi ex delicto in aͤchtem Sinn des Roͤm. Rechts genommen: welches ich darum erin- nern muß, weil unſere heutigen Rechtslehrer andere Begriffe damit zu verbinden pflegen. Denn heut zu Tage nennt man eigentliche Verbrechen (vera de- licta) ſolche, die mit Vorſaz veruͤbt worden ſind. Hin- gegen, die aus bloſer Unachtſamkeit zu Schulden ge- brachte Vergehungen werden von unſern heutigen Crimi- naliſten nur quaſi delicta genannt 46). Zum Beſchluß dieſer Theorie nur noch einige Be- merkungen. Erſtlich: wenn in unſern Geſetzbuͤchern ſehr oft geſagt wird, die Verbindlichkeit entſtehe ex re, ſo gilt dieſes von allen denjenigen Faͤllen, wo die Ver- bindlichkeit nicht von der Einwilligung des Schuldners, noch 45) Man vergleiche beſonders des Prof. Wehers angef. Buch. I. Abtheil. §. 10—20. welcher daſelbſt die Begriffe von de- nen obligationibus quaſi ex delicto vortreflich erklaͤrt, und von den Irthuͤmern der Doctorum gereiniget hat. 46) So lehren Boͤhmer, Engau, Meiſter, Quiſtorp, Koch und Puͤttmann in ihren Lehrbuͤchern der peinl. Rechtsgelahrtheit. C 2

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/55>, abgerufen am 27.04.2024.