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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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doch kann ich Sie versichern, daß es nur
eine gute Freundin ist, die sich einige Tage
unbekannt bey mir aufhalten will. Sie sol¬
len ihre Schicksale künftig erfahren, ja viel¬
leicht das interessante Mädchen selbst kennen
lernen, und ich werde wahrscheinlich alsdann
Ursache haben, meine Bescheidenheit und
Nachsicht zu üben, denn ich fürchte, die Her¬
ren werden über ihre neue Bekanntschaft ihre
alte Freundin vergessen.

Wilhelm stand versteinert da; denn gleich
beym ersten Anblick hatte ihn die rothe Uni¬
form an den so sehr geliebten Rock Maria¬
nens erinnert; es war ihre Gestalt, es wa¬
ren ihre blonden Haare, nur schien ihm der
gegenwärtige Officier etwas größer zu seyn.

Um des Himmels Willen! rief er aus,
lassen Sie uns mehr von Ihrer Freundin
wissen, lassen Sie uns das verkleidete Mäd¬
chen sehen. Wir sind nun einmal Theilneh¬

doch kann ich Sie verſichern, daß es nur
eine gute Freundin iſt, die ſich einige Tage
unbekannt bey mir aufhalten will. Sie ſol¬
len ihre Schickſale künftig erfahren, ja viel¬
leicht das intereſſante Mädchen ſelbſt kennen
lernen, und ich werde wahrſcheinlich alsdann
Urſache haben, meine Beſcheidenheit und
Nachſicht zu üben, denn ich fürchte, die Her¬
ren werden über ihre neue Bekanntſchaft ihre
alte Freundin vergeſſen.

Wilhelm ſtand verſteinert da; denn gleich
beym erſten Anblick hatte ihn die rothe Uni¬
form an den ſo ſehr geliebten Rock Maria¬
nens erinnert; es war ihre Geſtalt, es wa¬
ren ihre blonden Haare, nur ſchien ihm der
gegenwärtige Officier etwas größer zu ſeyn.

Um des Himmels Willen! rief er aus,
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[153/0159] doch kann ich Sie verſichern, daß es nur eine gute Freundin iſt, die ſich einige Tage unbekannt bey mir aufhalten will. Sie ſol¬ len ihre Schickſale künftig erfahren, ja viel¬ leicht das intereſſante Mädchen ſelbſt kennen lernen, und ich werde wahrſcheinlich alsdann Urſache haben, meine Beſcheidenheit und Nachſicht zu üben, denn ich fürchte, die Her¬ ren werden über ihre neue Bekanntſchaft ihre alte Freundin vergeſſen. Wilhelm ſtand verſteinert da; denn gleich beym erſten Anblick hatte ihn die rothe Uni¬ form an den ſo ſehr geliebten Rock Maria¬ nens erinnert; es war ihre Geſtalt, es wa¬ ren ihre blonden Haare, nur ſchien ihm der gegenwärtige Officier etwas größer zu ſeyn. Um des Himmels Willen! rief er aus, laſſen Sie uns mehr von Ihrer Freundin wiſſen, laſſen Sie uns das verkleidete Mäd¬ chen ſehen. Wir ſind nun einmal Theilneh¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/159>, abgerufen am 29.04.2024.