Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

doch, man mögte oft lieber ein Gespenst als
einen alten Liebhaber zur unrechten Zeit vor
Augen sehen. Ich will sie fragen, ich will
sie vorbereiten und wir wollen überlegen,
was zu thun ist. Ich schreibe Ihnen mor¬
gen ein Billet, zu welcher Stunde Sie kom¬
men sollen, oder ob Sie kommen dürfen; ge¬
horchen Sie mir pünktlich, denn ich schwöre,
niemand soll gegen meinen und meiner Freun¬
din Willen dieses liebenswürdige Geschöpf
mit Augen sehen. Meine Thüren werde ich
besser verschlossen halten, und mit Axt und
Beil werden Sie mich nicht besuchen wollen.

Wilhelm beschwor sie, Serlo redete ihr
zu, vergebens! beyde Freunde mußten zu¬
letzt nachgeben, das Zimmer und das Haus
räumen.

Welche unruhige Nacht Wilhelm zubrachte,
wird sich jedermann denken. Wie langsam
die Stunden des Tages dahinzogen, in de¬

doch, man mögte oft lieber ein Geſpenſt als
einen alten Liebhaber zur unrechten Zeit vor
Augen ſehen. Ich will ſie fragen, ich will
ſie vorbereiten und wir wollen überlegen,
was zu thun iſt. Ich ſchreibe Ihnen mor¬
gen ein Billet, zu welcher Stunde Sie kom¬
men ſollen, oder ob Sie kommen dürfen; ge¬
horchen Sie mir pünktlich, denn ich ſchwöre,
niemand ſoll gegen meinen und meiner Freun¬
din Willen dieſes liebenswürdige Geſchöpf
mit Augen ſehen. Meine Thüren werde ich
beſſer verſchloſſen halten, und mit Axt und
Beil werden Sie mich nicht beſuchen wollen.

Wilhelm beſchwor ſie, Serlo redete ihr
zu, vergebens! beyde Freunde mußten zu¬
letzt nachgeben, das Zimmer und das Haus
räumen.

Welche unruhige Nacht Wilhelm zubrachte,
wird ſich jedermann denken. Wie langſam
die Stunden des Tages dahinzogen, in de¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0163" n="157"/>
doch, man mögte oft lieber ein Ge&#x017F;pen&#x017F;t als<lb/>
einen alten Liebhaber zur unrechten Zeit vor<lb/>
Augen &#x017F;ehen. Ich will &#x017F;ie fragen, ich will<lb/>
&#x017F;ie vorbereiten und wir wollen überlegen,<lb/>
was zu thun i&#x017F;t. Ich &#x017F;chreibe Ihnen mor¬<lb/>
gen ein Billet, zu welcher Stunde Sie kom¬<lb/>
men &#x017F;ollen, oder ob Sie kommen dürfen; ge¬<lb/>
horchen Sie mir pünktlich, denn ich &#x017F;chwöre,<lb/>
niemand &#x017F;oll gegen meinen und meiner Freun¬<lb/>
din Willen die&#x017F;es liebenswürdige Ge&#x017F;chöpf<lb/>
mit Augen &#x017F;ehen. Meine Thüren werde ich<lb/>
be&#x017F;&#x017F;er ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en halten, und mit Axt und<lb/>
Beil werden Sie mich nicht be&#x017F;uchen wollen.</p><lb/>
            <p>Wilhelm be&#x017F;chwor &#x017F;ie, Serlo redete ihr<lb/>
zu, vergebens! beyde Freunde mußten zu¬<lb/>
letzt nachgeben, das Zimmer und das Haus<lb/>
räumen.</p><lb/>
            <p>Welche unruhige Nacht Wilhelm zubrachte,<lb/>
wird &#x017F;ich jedermann denken. Wie lang&#x017F;am<lb/>
die Stunden des Tages dahinzogen, in de¬<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[157/0163] doch, man mögte oft lieber ein Geſpenſt als einen alten Liebhaber zur unrechten Zeit vor Augen ſehen. Ich will ſie fragen, ich will ſie vorbereiten und wir wollen überlegen, was zu thun iſt. Ich ſchreibe Ihnen mor¬ gen ein Billet, zu welcher Stunde Sie kom¬ men ſollen, oder ob Sie kommen dürfen; ge¬ horchen Sie mir pünktlich, denn ich ſchwöre, niemand ſoll gegen meinen und meiner Freun¬ din Willen dieſes liebenswürdige Geſchöpf mit Augen ſehen. Meine Thüren werde ich beſſer verſchloſſen halten, und mit Axt und Beil werden Sie mich nicht beſuchen wollen. Wilhelm beſchwor ſie, Serlo redete ihr zu, vergebens! beyde Freunde mußten zu¬ letzt nachgeben, das Zimmer und das Haus räumen. Welche unruhige Nacht Wilhelm zubrachte, wird ſich jedermann denken. Wie langſam die Stunden des Tages dahinzogen, in de¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/163
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/163>, abgerufen am 29.04.2024.