Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

nen er Philinens Billet erwartete, läßt sich
begreifen. Unglücklicherweise mußte er selbi¬
gen Abend spielen; er hatte niemals eine
größere Pein ausgestanden. Nach geendig¬
tem Stücke eilte er zu Philinen, ohne nur
zu fragen, ob er eingeladen worden. Er fand
ihre Thüre verschlossen und die Hausleute
sagten: Mademoiselle sey heute früh mit ei¬
nem jungen Officier weggefahren; sie habe
zwar gesagt, daß sie in einigen Tagen wie¬
derkomme, man glaube es aber nicht, weil
sie alles bezahlt und ihre Sachen mitgenom¬
men habe.

Wilhelm war außer sich über diese Nach¬
richt. Er eilte zu Laertes, und schlug ihm
vor, ihr nachzusetzen, und, es koste was es
wolle, über ihren Begleiter Gewißheit zu er¬
langen. Laertes dagegen verwies seinem
Freunde seine Leidenschaft und Leichtgläubig¬
keit. Ich will wetten, sagte er, es ist nie¬

nen er Philinens Billet erwartete, läßt ſich
begreifen. Unglücklicherweiſe mußte er ſelbi¬
gen Abend ſpielen; er hatte niemals eine
größere Pein ausgeſtanden. Nach geendig¬
tem Stücke eilte er zu Philinen, ohne nur
zu fragen, ob er eingeladen worden. Er fand
ihre Thüre verſchloſſen und die Hausleute
ſagten: Mademoiſelle ſey heute früh mit ei¬
nem jungen Officier weggefahren; ſie habe
zwar geſagt, daß ſie in einigen Tagen wie¬
derkomme, man glaube es aber nicht, weil
ſie alles bezahlt und ihre Sachen mitgenom¬
men habe.

Wilhelm war außer ſich über dieſe Nach¬
richt. Er eilte zu Laertes, und ſchlug ihm
vor, ihr nachzuſetzen, und, es koſte was es
wolle, über ihren Begleiter Gewißheit zu er¬
langen. Laertes dagegen verwies ſeinem
Freunde ſeine Leidenſchaft und Leichtgläubig¬
keit. Ich will wetten, ſagte er, es iſt nie¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0164" n="158"/>
nen er Philinens Billet erwartete, läßt &#x017F;ich<lb/>
begreifen. Unglücklicherwei&#x017F;e mußte er &#x017F;elbi¬<lb/>
gen Abend &#x017F;pielen; er hatte niemals eine<lb/>
größere Pein ausge&#x017F;tanden. Nach geendig¬<lb/>
tem Stücke eilte er zu Philinen, ohne nur<lb/>
zu fragen, ob er eingeladen worden. Er fand<lb/>
ihre Thüre ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en und die Hausleute<lb/>
&#x017F;agten: Mademoi&#x017F;elle &#x017F;ey heute früh mit ei¬<lb/>
nem jungen Officier weggefahren; &#x017F;ie habe<lb/>
zwar ge&#x017F;agt, daß &#x017F;ie in einigen Tagen wie¬<lb/>
derkomme, man glaube es aber nicht, weil<lb/>
&#x017F;ie alles bezahlt und ihre Sachen mitgenom¬<lb/>
men habe.</p><lb/>
            <p>Wilhelm war außer &#x017F;ich über die&#x017F;e Nach¬<lb/>
richt. Er eilte zu Laertes, und &#x017F;chlug ihm<lb/>
vor, ihr nachzu&#x017F;etzen, und, es ko&#x017F;te was es<lb/>
wolle, über ihren Begleiter Gewißheit zu er¬<lb/>
langen. Laertes dagegen verwies &#x017F;einem<lb/>
Freunde &#x017F;eine Leiden&#x017F;chaft und Leichtgläubig¬<lb/>
keit. Ich will wetten, &#x017F;agte er, es i&#x017F;t nie¬<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[158/0164] nen er Philinens Billet erwartete, läßt ſich begreifen. Unglücklicherweiſe mußte er ſelbi¬ gen Abend ſpielen; er hatte niemals eine größere Pein ausgeſtanden. Nach geendig¬ tem Stücke eilte er zu Philinen, ohne nur zu fragen, ob er eingeladen worden. Er fand ihre Thüre verſchloſſen und die Hausleute ſagten: Mademoiſelle ſey heute früh mit ei¬ nem jungen Officier weggefahren; ſie habe zwar geſagt, daß ſie in einigen Tagen wie¬ derkomme, man glaube es aber nicht, weil ſie alles bezahlt und ihre Sachen mitgenom¬ men habe. Wilhelm war außer ſich über dieſe Nach¬ richt. Er eilte zu Laertes, und ſchlug ihm vor, ihr nachzuſetzen, und, es koſte was es wolle, über ihren Begleiter Gewißheit zu er¬ langen. Laertes dagegen verwies ſeinem Freunde ſeine Leidenſchaft und Leichtgläubig¬ keit. Ich will wetten, ſagte er, es iſt nie¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/164
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/164>, abgerufen am 29.04.2024.