Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

in seiner Kunst viel zu versprechen, weil je¬
des die ersten Schritte mit Feuer und Mun¬
terkeit that. Bald aber entdeckte sich, daß
ein Theil doch nur Automaten waren, die
nur das erreichen konnten, wohin man ohne
Gefühl gelangen kann, und bald mischten
sich die Leidenschaften darzwischen, die ge¬
wöhnlich jeder guten Einrichtung im Wege
stehen und alles so leicht auseinander zerren,
was vernünftige und wohldenkende Men¬
schen zusammen zu halten wünschen.

Philinens Abgang war nicht so unbedeu¬
tend als man Anfangs glaubte. Sie hatte
mit großer Geschicklichkeit Serlo zu unter¬
halten, und die Übrigen mehr oder weniger
zu reizen gewußt. Sie ertrug Aureliens Hef¬
tigkeit mit großer Geduld, und ihr eigenstes
Geschäft war Wilhelmen zu schmeicheln. So
war sie eine Art von Bindungsmittel fürs
Ganze, und ihr Verlust mußte bald fühlbar
werden.

in ſeiner Kunſt viel zu verſprechen, weil je¬
des die erſten Schritte mit Feuer und Mun¬
terkeit that. Bald aber entdeckte ſich, daß
ein Theil doch nur Automaten waren, die
nur das erreichen konnten, wohin man ohne
Gefühl gelangen kann, und bald miſchten
ſich die Leidenſchaften darzwiſchen, die ge¬
wöhnlich jeder guten Einrichtung im Wege
ſtehen und alles ſo leicht auseinander zerren,
was vernünftige und wohldenkende Men¬
ſchen zuſammen zu halten wünſchen.

Philinens Abgang war nicht ſo unbedeu¬
tend als man Anfangs glaubte. Sie hatte
mit großer Geſchicklichkeit Serlo zu unter¬
halten, und die Übrigen mehr oder weniger
zu reizen gewußt. Sie ertrug Aureliens Hef¬
tigkeit mit großer Geduld, und ihr eigenſtes
Geſchäft war Wilhelmen zu ſchmeicheln. So
war ſie eine Art von Bindungsmittel fürs
Ganze, und ihr Verluſt mußte bald fühlbar
werden.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0175" n="169"/>
in &#x017F;einer Kun&#x017F;t viel zu ver&#x017F;prechen, weil je¬<lb/>
des die er&#x017F;ten Schritte mit Feuer und Mun¬<lb/>
terkeit that. Bald aber entdeckte &#x017F;ich, daß<lb/>
ein Theil doch nur Automaten waren, die<lb/>
nur das erreichen konnten, wohin man ohne<lb/>
Gefühl gelangen kann, und bald mi&#x017F;chten<lb/>
&#x017F;ich die Leiden&#x017F;chaften darzwi&#x017F;chen, die ge¬<lb/>
wöhnlich jeder guten Einrichtung im Wege<lb/>
&#x017F;tehen und alles &#x017F;o leicht auseinander zerren,<lb/>
was vernünftige und wohldenkende Men¬<lb/>
&#x017F;chen zu&#x017F;ammen zu halten wün&#x017F;chen.</p><lb/>
            <p>Philinens Abgang war nicht &#x017F;o unbedeu¬<lb/>
tend als man Anfangs glaubte. Sie hatte<lb/>
mit großer Ge&#x017F;chicklichkeit Serlo zu unter¬<lb/>
halten, und die Übrigen mehr oder weniger<lb/>
zu reizen gewußt. Sie ertrug Aureliens Hef¬<lb/>
tigkeit mit großer Geduld, und ihr eigen&#x017F;tes<lb/>
Ge&#x017F;chäft war Wilhelmen zu &#x017F;chmeicheln. So<lb/>
war &#x017F;ie eine Art von Bindungsmittel fürs<lb/>
Ganze, und ihr Verlu&#x017F;t mußte bald fühlbar<lb/>
werden.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[169/0175] in ſeiner Kunſt viel zu verſprechen, weil je¬ des die erſten Schritte mit Feuer und Mun¬ terkeit that. Bald aber entdeckte ſich, daß ein Theil doch nur Automaten waren, die nur das erreichen konnten, wohin man ohne Gefühl gelangen kann, und bald miſchten ſich die Leidenſchaften darzwiſchen, die ge¬ wöhnlich jeder guten Einrichtung im Wege ſtehen und alles ſo leicht auseinander zerren, was vernünftige und wohldenkende Men¬ ſchen zuſammen zu halten wünſchen. Philinens Abgang war nicht ſo unbedeu¬ tend als man Anfangs glaubte. Sie hatte mit großer Geſchicklichkeit Serlo zu unter¬ halten, und die Übrigen mehr oder weniger zu reizen gewußt. Sie ertrug Aureliens Hef¬ tigkeit mit großer Geduld, und ihr eigenſtes Geſchäft war Wilhelmen zu ſchmeicheln. So war ſie eine Art von Bindungsmittel fürs Ganze, und ihr Verluſt mußte bald fühlbar werden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/175
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/175>, abgerufen am 29.04.2024.