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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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diese Verfassung sey gar nichts gegen eine
ordentlich eingerichtete Gemeine. Ich konn¬
te mir das gefallen lassen, doch hätte nach
meiner Überzeugung der wahre Geist, aus
einer kleinen so gut, als aus einer großen
Anstalt, hervorblicken sollen.

Einer ihrer Bischöfe, der gegenwärtig
war, ein unmittelbarer Schüler des Grafen,
beschäftigte sich viel mit mir; er sprach voll¬
kommen Englisch; und weil ich es ein we¬
nig verstand, meinte er, es sey ein Wink,
daß wir zusammen gehörten; ich meinte es
aber ganz und gar nicht, sein Umgang konn¬
te mir nicht im geringsten gefallen. Er war
ein Messerschmidt, ein gebohrner Mähre,
seine Art zu denken konnte das handwerks¬
mäßige nicht verleugnen. Besser verstand
ich mich mit dem Herrn von L*, der Ma¬
jor in französischen Diensten gewesen war;
aber zu der Unterthänigkeit, die er gegen

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dieſe Verfaſſung ſey gar nichts gegen eine
ordentlich eingerichtete Gemeine. Ich konn¬
te mir das gefallen laſſen, doch hätte nach
meiner Überzeugung der wahre Geiſt, aus
einer kleinen ſo gut, als aus einer großen
Anſtalt, hervorblicken ſollen.

Einer ihrer Biſchöfe, der gegenwärtig
war, ein unmittelbarer Schüler des Grafen,
beſchäftigte ſich viel mit mir; er ſprach voll¬
kommen Engliſch; und weil ich es ein we¬
nig verſtand, meinte er, es ſey ein Wink,
daß wir zuſammen gehörten; ich meinte es
aber ganz und gar nicht, ſein Umgang konn¬
te mir nicht im geringſten gefallen. Er war
ein Meſſerſchmidt, ein gebohrner Mähre,
ſeine Art zu denken konnte das handwerks¬
mäßige nicht verleugnen. Beſſer verſtand
ich mich mit dem Herrn von L*, der Ma¬
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[355/0361] dieſe Verfaſſung ſey gar nichts gegen eine ordentlich eingerichtete Gemeine. Ich konn¬ te mir das gefallen laſſen, doch hätte nach meiner Überzeugung der wahre Geiſt, aus einer kleinen ſo gut, als aus einer großen Anſtalt, hervorblicken ſollen. Einer ihrer Biſchöfe, der gegenwärtig war, ein unmittelbarer Schüler des Grafen, beſchäftigte ſich viel mit mir; er ſprach voll¬ kommen Engliſch; und weil ich es ein we¬ nig verſtand, meinte er, es ſey ein Wink, daß wir zuſammen gehörten; ich meinte es aber ganz und gar nicht, ſein Umgang konn¬ te mir nicht im geringſten gefallen. Er war ein Meſſerſchmidt, ein gebohrner Mähre, ſeine Art zu denken konnte das handwerks¬ mäßige nicht verleugnen. Beſſer verſtand ich mich mit dem Herrn von L*, der Ma¬ jor in franzöſiſchen Dienſten geweſen war; aber zu der Unterthänigkeit, die er gegen Z 2

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/361>, abgerufen am 26.04.2024.