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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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seinen Vorgesetzten bezeigte, fühlte ich mich
niemals fähig; ja es war mir als wenn man
mir eine Ohrfeige gäbe, wenn ich die Ma¬
jorin und andere, mehr oder weniger ange¬
sehene, Frauen dem Bischof die Hand küssen
sah. Indessen wurde doch eine Reise nach
Holland verabredet, die aber, und gewiß zu
meinem Besten, niemals zu Stande kam.

Meine Schwester war mit einer Tochter
niedergekommen, und nun war die Reihe an
uns Frauen zufrieden zu seyn, und zu den¬
ken, wie sie dereinst, uns ähnlich, erzogen
werden sollte. Mein Schwager war dage¬
gen sehr unzufrieden, als in dem Jahre dar¬
auf abermals eine Tochter erfolgte; er
wünschte bey seinen großen Gütern Kna¬
ben um sich zu sehen, die ihm einst in der
Verwaltung beystehen könnten.

Ich hielt mich bey meiner schwachen Ge¬
sundheit still, und bey einer ruhigen Lebens¬

ſeinen Vorgeſetzten bezeigte, fühlte ich mich
niemals fähig; ja es war mir als wenn man
mir eine Ohrfeige gäbe, wenn ich die Ma¬
jorin und andere, mehr oder weniger ange¬
ſehene, Frauen dem Biſchof die Hand küſſen
ſah. Indeſſen wurde doch eine Reiſe nach
Holland verabredet, die aber, und gewiß zu
meinem Beſten, niemals zu Stande kam.

Meine Schweſter war mit einer Tochter
niedergekommen, und nun war die Reihe an
uns Frauen zufrieden zu ſeyn, und zu den¬
ken, wie ſie dereinſt, uns ähnlich, erzogen
werden ſollte. Mein Schwager war dage¬
gen ſehr unzufrieden, als in dem Jahre dar¬
auf abermals eine Tochter erfolgte; er
wünſchte bey ſeinen großen Gütern Kna¬
ben um ſich zu ſehen, die ihm einſt in der
Verwaltung beyſtehen könnten.

Ich hielt mich bey meiner ſchwachen Ge¬
ſundheit ſtill, und bey einer ruhigen Lebens¬

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[356/0362] ſeinen Vorgeſetzten bezeigte, fühlte ich mich niemals fähig; ja es war mir als wenn man mir eine Ohrfeige gäbe, wenn ich die Ma¬ jorin und andere, mehr oder weniger ange¬ ſehene, Frauen dem Biſchof die Hand küſſen ſah. Indeſſen wurde doch eine Reiſe nach Holland verabredet, die aber, und gewiß zu meinem Beſten, niemals zu Stande kam. Meine Schweſter war mit einer Tochter niedergekommen, und nun war die Reihe an uns Frauen zufrieden zu ſeyn, und zu den¬ ken, wie ſie dereinſt, uns ähnlich, erzogen werden ſollte. Mein Schwager war dage¬ gen ſehr unzufrieden, als in dem Jahre dar¬ auf abermals eine Tochter erfolgte; er wünſchte bey ſeinen großen Gütern Kna¬ ben um ſich zu ſehen, die ihm einſt in der Verwaltung beyſtehen könnten. Ich hielt mich bey meiner ſchwachen Ge¬ ſundheit ſtill, und bey einer ruhigen Lebens¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/362>, abgerufen am 26.04.2024.