Goethe, Johann Wolfgang von: Torquato Tasso. Leipzig, 1790.Torquato Tasso Alphons. Ich bin verdrießlich, daß ich dir's gestehe, Und lieber sag' ich dir, daß ich es bin, Als daß ich den Verdruß verberg' und mehre. Er will verreisen; gut, ich halt' ihn nicht: Er will hinweg, er will nach Rom; es sey! Nur daß mir Scipio Gonzaga nicht, Der kluge Medicis, ihn nicht entwende! Das hat Italien so groß gemacht, Daß jeder Nachbar mit dem andern strei- tet, Die Bessern zu besitzen, zu benutzen. Ein Feldherr ohne Heer scheint mir ein Fürst, Der die Talente nicht um sich versammelt. Und wer der Dichtkunst Stimme nicht ver- nimmt, Ist ein Barbar, er sey auch wer er sey. Gefunden hab' ich diesen und gewählt, Ich bin auf ihn als meinen Diener stolz, Und da ich schon für ihn so viel gethan, So möcht' ich ihn nicht ohne Noth verlie- ren. Torquato Taſſo Alphons. Ich bin verdrießlich, daß ich dir’s geſtehe, Und lieber ſag’ ich dir, daß ich es bin, Als daß ich den Verdruß verberg’ und mehre. Er will verreiſen; gut, ich halt’ ihn nicht: Er will hinweg, er will nach Rom; es ſey! Nur daß mir Scipio Gonzaga nicht, Der kluge Medicis, ihn nicht entwende! Das hat Italien ſo groß gemacht, Daß jeder Nachbar mit dem andern ſtrei- tet, Die Beſſern zu beſitzen, zu benutzen. Ein Feldherr ohne Heer ſcheint mir ein Fürſt, Der die Talente nicht um ſich verſammelt. Und wer der Dichtkunſt Stimme nicht ver- nimmt, Iſt ein Barbar, er ſey auch wer er ſey. Gefunden hab’ ich dieſen und gewählt, Ich bin auf ihn als meinen Diener ſtolz, Und da ich ſchon für ihn ſo viel gethan, So möcht’ ich ihn nicht ohne Noth verlie- ren. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0192" n="184"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#g">Torquato Taſſo</hi> </fw><lb/> <sp who="#ALP"> <speaker><hi rendition="#g">Alphons</hi>.</speaker><lb/> <p>Ich bin verdrießlich, daß ich dir’s geſtehe,<lb/> Und lieber ſag’ ich dir, daß ich es bin,<lb/> Als daß ich den Verdruß verberg’ und mehre.<lb/> Er will verreiſen; gut, ich halt’ ihn nicht:<lb/> Er will hinweg, er will nach Rom; es ſey!<lb/> Nur daß mir Scipio Gonzaga nicht,<lb/> Der kluge Medicis, ihn nicht entwende!<lb/> Das hat Italien ſo groß gemacht,<lb/> Daß jeder Nachbar mit dem andern ſtrei-<lb/> tet,<lb/> Die Beſſern zu beſitzen, zu benutzen.<lb/> Ein Feldherr ohne Heer ſcheint mir ein Fürſt,<lb/> Der die Talente nicht um ſich verſammelt.<lb/> Und wer der Dichtkunſt Stimme nicht ver-<lb/> nimmt,<lb/> Iſt ein Barbar, er ſey auch wer er ſey.<lb/> Gefunden hab’ ich dieſen und gewählt,<lb/> Ich bin auf ihn als meinen Diener ſtolz,<lb/> Und da ich ſchon für ihn ſo viel gethan,<lb/> So möcht’ ich ihn nicht ohne Noth verlie-<lb/> ren.</p> </sp><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [184/0192]
Torquato Taſſo
Alphons.
Ich bin verdrießlich, daß ich dir’s geſtehe,
Und lieber ſag’ ich dir, daß ich es bin,
Als daß ich den Verdruß verberg’ und mehre.
Er will verreiſen; gut, ich halt’ ihn nicht:
Er will hinweg, er will nach Rom; es ſey!
Nur daß mir Scipio Gonzaga nicht,
Der kluge Medicis, ihn nicht entwende!
Das hat Italien ſo groß gemacht,
Daß jeder Nachbar mit dem andern ſtrei-
tet,
Die Beſſern zu beſitzen, zu benutzen.
Ein Feldherr ohne Heer ſcheint mir ein Fürſt,
Der die Talente nicht um ſich verſammelt.
Und wer der Dichtkunſt Stimme nicht ver-
nimmt,
Iſt ein Barbar, er ſey auch wer er ſey.
Gefunden hab’ ich dieſen und gewählt,
Ich bin auf ihn als meinen Diener ſtolz,
Und da ich ſchon für ihn ſo viel gethan,
So möcht’ ich ihn nicht ohne Noth verlie-
ren.
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