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Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842.

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Viel Lachens gab es und manchen Witz mußte sie hö¬
ren über die Neugierde und wie sich die Weiber davor
fürchten und sie doch allen ihren Mädchen anhängten,
während sie den Buben nichts thäte. Da hätte sie nur
getrost fragen können. Schöne Haberacker, niedliche
Flachsplätze, herrliches Gedeihen auf Wiese und Acker
zogen aber bald die Aufmerksamkeit auf sich und fessel¬
ten die Gemüther. Sie fanden manchen Grund lang¬
sam zu gehen, stille zu stehen, und doch hatte die schöne
steigende Maisonne allen warm gemacht, als sie heim
kamen, und ein Glas kühlen Weins that Jedermann
wohl, wie sehr man sich auch dagegen sträubte. Dann
setzte man sich vor das Haus, während in der Küche
die Hände emsig sich rührten, das Feuer gewaltig pras¬
selte. Die Hebamme glühte wie Einer der Drei aus
dem feurigen Ofen. Schon vor eilf rief man zum Essen,
aber nur die Diensten, speiste die vorweg, und zwar
reichlich, aber man war doch froh wenn sie, die Knechte
namentlich, einem aus dem Wege kamen.

Etwas langsam floß den vor dem Hause Sitzenden
das Gespräch, doch versiegte es nicht; vor dem Essen
stören die Gedanken des Magens die Gedanken der Seele,
indessen läßt man nicht gerne diesen innern Zustand inne
werden, sondern bemäntelt ihn mit langsamen Worten
über gleichgültige Gegenstände. Schon stand die Sonne
überm Mittag, als die Hebamme mit flammendem Ge¬
sicht, aber immer noch blanker Schürze, unter der Thüre
erschien und die allen willkommene Nachricht brachte,
daß man essen könnte, wenn alle da wären. Aber die
Meisten der Geladenen fehlten noch und die schon frü¬
her nach ihnen gesandten Boten brachten wie die Knechte
im Evangelium, allerlei Bescheid, mit dem Unterschied
jedoch, daß eigentlich alle kommen wollten, nur jetzt noch

Viel Lachens gab es und manchen Witz mußte ſie hö¬
ren über die Neugierde und wie ſich die Weiber davor
fürchten und ſie doch allen ihren Mädchen anhängten,
während ſie den Buben nichts thäte. Da hätte ſie nur
getroſt fragen können. Schöne Haberacker, niedliche
Flachsplätze, herrliches Gedeihen auf Wieſe und Acker
zogen aber bald die Aufmerkſamkeit auf ſich und feſſel¬
ten die Gemüther. Sie fanden manchen Grund lang¬
ſam zu gehen, ſtille zu ſtehen, und doch hatte die ſchöne
ſteigende Maiſonne allen warm gemacht, als ſie heim
kamen, und ein Glas kühlen Weins that Jedermann
wohl, wie ſehr man ſich auch dagegen ſträubte. Dann
ſetzte man ſich vor das Haus, während in der Küche
die Hände emſig ſich rührten, das Feuer gewaltig praſ¬
ſelte. Die Hebamme glühte wie Einer der Drei aus
dem feurigen Ofen. Schon vor eilf rief man zum Eſſen,
aber nur die Dienſten, ſpeiste die vorweg, und zwar
reichlich, aber man war doch froh wenn ſie, die Knechte
namentlich, einem aus dem Wege kamen.

Etwas langſam floß den vor dem Hauſe Sitzenden
das Geſpräch, doch verſiegte es nicht; vor dem Eſſen
ſtören die Gedanken des Magens die Gedanken der Seele,
indeſſen läßt man nicht gerne dieſen innern Zuſtand inne
werden, ſondern bemäntelt ihn mit langſamen Worten
über gleichgültige Gegenſtände. Schon ſtand die Sonne
überm Mittag, als die Hebamme mit flammendem Ge¬
ſicht, aber immer noch blanker Schürze, unter der Thüre
erſchien und die allen willkommene Nachricht brachte,
daß man eſſen könnte, wenn alle da wären. Aber die
Meiſten der Geladenen fehlten noch und die ſchon frü¬
her nach ihnen geſandten Boten brachten wie die Knechte
im Evangelium, allerlei Beſcheid, mit dem Unterſchied
jedoch, daß eigentlich alle kommen wollten, nur jetzt noch

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[18/0028] Viel Lachens gab es und manchen Witz mußte ſie hö¬ ren über die Neugierde und wie ſich die Weiber davor fürchten und ſie doch allen ihren Mädchen anhängten, während ſie den Buben nichts thäte. Da hätte ſie nur getroſt fragen können. Schöne Haberacker, niedliche Flachsplätze, herrliches Gedeihen auf Wieſe und Acker zogen aber bald die Aufmerkſamkeit auf ſich und feſſel¬ ten die Gemüther. Sie fanden manchen Grund lang¬ ſam zu gehen, ſtille zu ſtehen, und doch hatte die ſchöne ſteigende Maiſonne allen warm gemacht, als ſie heim kamen, und ein Glas kühlen Weins that Jedermann wohl, wie ſehr man ſich auch dagegen ſträubte. Dann ſetzte man ſich vor das Haus, während in der Küche die Hände emſig ſich rührten, das Feuer gewaltig praſ¬ ſelte. Die Hebamme glühte wie Einer der Drei aus dem feurigen Ofen. Schon vor eilf rief man zum Eſſen, aber nur die Dienſten, ſpeiste die vorweg, und zwar reichlich, aber man war doch froh wenn ſie, die Knechte namentlich, einem aus dem Wege kamen. Etwas langſam floß den vor dem Hauſe Sitzenden das Geſpräch, doch verſiegte es nicht; vor dem Eſſen ſtören die Gedanken des Magens die Gedanken der Seele, indeſſen läßt man nicht gerne dieſen innern Zuſtand inne werden, ſondern bemäntelt ihn mit langſamen Worten über gleichgültige Gegenſtände. Schon ſtand die Sonne überm Mittag, als die Hebamme mit flammendem Ge¬ ſicht, aber immer noch blanker Schürze, unter der Thüre erſchien und die allen willkommene Nachricht brachte, daß man eſſen könnte, wenn alle da wären. Aber die Meiſten der Geladenen fehlten noch und die ſchon frü¬ her nach ihnen geſandten Boten brachten wie die Knechte im Evangelium, allerlei Beſcheid, mit dem Unterſchied jedoch, daß eigentlich alle kommen wollten, nur jetzt noch

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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842/28>, abgerufen am 28.04.2024.