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Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842.

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begreifen, wie man sich in einem so schlechten Hause
so lange leiden kann, wenn man Geld und Holz genug
zum Bauen hat, wie ihr zum Exempel." "Vexier nicht,
Vetter", sagte der Großvater, "es hat von Beidem
nichts zu rühmen; dann ist das Bauen eine wüste Sache,
man weiß wohl wie man anfängt, aber nie wie man
aufhört, und manchmal ist einem noch dies im Wege
oder das, an jedem Orte etwas anderes."

"Mir gefällt das Haus ganz ausnehmend wohl",
sagte eine der Frauen. "Wir sollten auch schon lange
ein neues haben, aber wir scheuen immer die Kosten.
Sobald mein Mann aber kommt, muß er dieses recht
besehen, es dünkt mich, wenn wir so eins haben könn¬
ten, ich wäre im Himmel. Aber fragen möchte ich
doch, nehmt es nicht für ungut, warum da gleich ne¬
ben dem ersten Fenster, der wüste schwarze Fensterposten
(Bystel) ist, der steht dem ganzen Hause übel an." --
Der Großvater machte ein bedenkliches Gesicht, zog noch
härter an seiner Pfeife und sagte endlich: "Es hätte
an Holz gefehlt beim Aufrichten, kein anderes sei gleich
bei der Hand gewesen, da habe man in Noth und Eile
einiges vom alten Hause genommen." "Aber", sagte
die Frau, "das schwarze Stück Holz war ja noch dazu
zu kurz, oben und unten ist es angesetzt, und jeder
Nachbar hätte euch von Herzen gerne ein ganz neues
Stück gegeben." " Ja, wir haben es halt nicht besser
g'sinnet und durften unsere Nachbaren nicht immer von
neuem plagen, sie hatten uns schon genug geholfen mit
Holz und Fahren", antwortete der Alte.

"Hör, Aetti", sagte der Vetter, "mache nicht Schnecken¬
tänze, sondern gib die Wahrheit an und aufrichtigen
Bericht. Schon Manches habe ich raunen hören, aber
Punktum das Wahre nie vernehmen können. Jetzt schickte

begreifen, wie man ſich in einem ſo ſchlechten Hauſe
ſo lange leiden kann, wenn man Geld und Holz genug
zum Bauen hat, wie ihr zum Exempel.“ „Vexier nicht,
Vetter“, ſagte der Großvater, „es hat von Beidem
nichts zu rühmen; dann iſt das Bauen eine wüſte Sache,
man weiß wohl wie man anfängt, aber nie wie man
aufhört, und manchmal iſt einem noch dies im Wege
oder das, an jedem Orte etwas anderes.“

„Mir gefällt das Haus ganz ausnehmend wohl“,
ſagte eine der Frauen. „Wir ſollten auch ſchon lange
ein neues haben, aber wir ſcheuen immer die Koſten.
Sobald mein Mann aber kommt, muß er dieſes recht
beſehen, es dünkt mich, wenn wir ſo eins haben könn¬
ten, ich wäre im Himmel. Aber fragen möchte ich
doch, nehmt es nicht für ungut, warum da gleich ne¬
ben dem erſten Fenſter, der wüſte ſchwarze Fenſterpoſten
(Byſtel) iſt, der ſteht dem ganzen Hauſe übel an.“ —
Der Großvater machte ein bedenkliches Geſicht, zog noch
härter an ſeiner Pfeife und ſagte endlich: „Es hätte
an Holz gefehlt beim Aufrichten, kein anderes ſei gleich
bei der Hand geweſen, da habe man in Noth und Eile
einiges vom alten Hauſe genommen.“ „Aber“, ſagte
die Frau, „das ſchwarze Stück Holz war ja noch dazu
zu kurz, oben und unten iſt es angeſetzt, und jeder
Nachbar hätte euch von Herzen gerne ein ganz neues
Stück gegeben.“ „ Ja, wir haben es halt nicht beſſer
g'ſinnet und durften unſere Nachbaren nicht immer von
neuem plagen, ſie hatten uns ſchon genug geholfen mit
Holz und Fahren“, antwortete der Alte.

„Hör, Aetti“, ſagte der Vetter, „mache nicht Schnecken¬
tänze, ſondern gib die Wahrheit an und aufrichtigen
Bericht. Schon Manches habe ich raunen hören, aber
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[24/0034] begreifen, wie man ſich in einem ſo ſchlechten Hauſe ſo lange leiden kann, wenn man Geld und Holz genug zum Bauen hat, wie ihr zum Exempel.“ „Vexier nicht, Vetter“, ſagte der Großvater, „es hat von Beidem nichts zu rühmen; dann iſt das Bauen eine wüſte Sache, man weiß wohl wie man anfängt, aber nie wie man aufhört, und manchmal iſt einem noch dies im Wege oder das, an jedem Orte etwas anderes.“ „Mir gefällt das Haus ganz ausnehmend wohl“, ſagte eine der Frauen. „Wir ſollten auch ſchon lange ein neues haben, aber wir ſcheuen immer die Koſten. Sobald mein Mann aber kommt, muß er dieſes recht beſehen, es dünkt mich, wenn wir ſo eins haben könn¬ ten, ich wäre im Himmel. Aber fragen möchte ich doch, nehmt es nicht für ungut, warum da gleich ne¬ ben dem erſten Fenſter, der wüſte ſchwarze Fenſterpoſten (Byſtel) iſt, der ſteht dem ganzen Hauſe übel an.“ — Der Großvater machte ein bedenkliches Geſicht, zog noch härter an ſeiner Pfeife und ſagte endlich: „Es hätte an Holz gefehlt beim Aufrichten, kein anderes ſei gleich bei der Hand geweſen, da habe man in Noth und Eile einiges vom alten Hauſe genommen.“ „Aber“, ſagte die Frau, „das ſchwarze Stück Holz war ja noch dazu zu kurz, oben und unten iſt es angeſetzt, und jeder Nachbar hätte euch von Herzen gerne ein ganz neues Stück gegeben.“ „ Ja, wir haben es halt nicht beſſer g'ſinnet und durften unſere Nachbaren nicht immer von neuem plagen, ſie hatten uns ſchon genug geholfen mit Holz und Fahren“, antwortete der Alte. „Hör, Aetti“, ſagte der Vetter, „mache nicht Schnecken¬ tänze, ſondern gib die Wahrheit an und aufrichtigen Bericht. Schon Manches habe ich raunen hören, aber Punktum das Wahre nie vernehmen können. Jetzt ſchickte

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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842/34>, abgerufen am 28.04.2024.