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Gottsched, Luise Adelgunde Victorie: Die Pietisterey im Fischbein-Rocke. Rostock, 1736.

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bey dem Drachen in der Fabel, dem an
statt eines abgehauenen Kopffs allemahl
drey andere wieder wuchsen. Daher ha-
ben schon längst verständige Männer ge-
urtheilet, man müsse solchen Schwärmern
die Ehre nicht mehr anthun, ernstlich wi-
der sie zu streiten; und würde besser thun,
wenn man sie mit Satyrischen Waffen zu
erlegen bemühet seyn würde. Dieses ha-
ben nun E. H. mit so glücklichem Erfolg
ins Werck gerichtet, daß dadurch nothwen-
dig einer unzehlbahren Menge verführter
Seelen die Augen geöffnet werden können.
Wollte man sagen: Daß gleichwohl die
Heil. Schrifft und viele Glaubens-Artickel
mit dabey etwas leiden, und zum Geläch-
ter werden würden; so wird doch ein Un-
partheyischer leicht sehen, daß nicht die
Schrifft selbst, auch nicht die Glaubens-
Lehren, sondern nur die einfältigste Art,
selbige zu mißbrauchen, gemeinet sey.
Wäre dieses nicht; so müsste man auch
behaupten, der theure Lutherus hätte sich
an den Geheimnissen der Religion vergrif-

fen,
)*( 5

bey dem Drachen in der Fabel, dem an
ſtatt eines abgehauenen Kopffs allemahl
drey andere wieder wuchſen. Daher ha-
ben ſchon laͤngſt verſtaͤndige Maͤnner ge-
urtheilet, man muͤſſe ſolchen Schwaͤrmern
die Ehre nicht mehr anthun, ernſtlich wi-
der ſie zu ſtreiten; und wuͤrde beſſer thun,
wenn man ſie mit Satyriſchen Waffen zu
erlegen bemuͤhet ſeyn wuͤrde. Dieſes ha-
ben nun E. H. mit ſo gluͤcklichem Erfolg
ins Werck gerichtet, daß dadurch nothwen-
dig einer unzehlbahren Menge verfuͤhrter
Seelen die Augen geoͤffnet werden koͤnnen.
Wollte man ſagen: Daß gleichwohl die
Heil. Schrifft und viele Glaubens-Artickel
mit dabey etwas leiden, und zum Gelaͤch-
ter werden wuͤrden; ſo wird doch ein Un-
partheyiſcher leicht ſehen, daß nicht die
Schrifft ſelbſt, auch nicht die Glaubens-
Lehren, ſondern nur die einfaͤltigſte Art,
ſelbige zu mißbrauchen, gemeinet ſey.
Waͤre dieſes nicht; ſo muͤſſte man auch
behaupten, der theure Lutherus haͤtte ſich
an den Geheimniſſen der Religion vergrif-

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)*( 5
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[0013] bey dem Drachen in der Fabel, dem an ſtatt eines abgehauenen Kopffs allemahl drey andere wieder wuchſen. Daher ha- ben ſchon laͤngſt verſtaͤndige Maͤnner ge- urtheilet, man muͤſſe ſolchen Schwaͤrmern die Ehre nicht mehr anthun, ernſtlich wi- der ſie zu ſtreiten; und wuͤrde beſſer thun, wenn man ſie mit Satyriſchen Waffen zu erlegen bemuͤhet ſeyn wuͤrde. Dieſes ha- ben nun E. H. mit ſo gluͤcklichem Erfolg ins Werck gerichtet, daß dadurch nothwen- dig einer unzehlbahren Menge verfuͤhrter Seelen die Augen geoͤffnet werden koͤnnen. Wollte man ſagen: Daß gleichwohl die Heil. Schrifft und viele Glaubens-Artickel mit dabey etwas leiden, und zum Gelaͤch- ter werden wuͤrden; ſo wird doch ein Un- partheyiſcher leicht ſehen, daß nicht die Schrifft ſelbſt, auch nicht die Glaubens- Lehren, ſondern nur die einfaͤltigſte Art, ſelbige zu mißbrauchen, gemeinet ſey. Waͤre dieſes nicht; ſo muͤſſte man auch behaupten, der theure Lutherus haͤtte ſich an den Geheimniſſen der Religion vergrif- fen, )*( 5

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Zitationshilfe: Gottsched, Luise Adelgunde Victorie: Die Pietisterey im Fischbein-Rocke. Rostock, 1736, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_pietisterey_1736/13>, abgerufen am 26.04.2024.