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Gottsched, Luise Adelgunde Victorie: Die Pietisterey im Fischbein-Rocke. Rostock, 1736.

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Die Pietisterey
Frau Bettelsackin.
Jn Wahrheit! die Zeiten sind sehr schlecht.
Wenn solche begüterte und gottselige Frauen, als
sie sind, nicht noch was thun wollen, so geht die
gute Sache gar verlohren.
Frau Glaubeleichtin.
Es ist aber nur ein Monat, da gab ich euch
60 Gulden, und 6 Wochen vorher gab ich euch
200 Gulden. Kurtz, ich habe in einem Jahre über
1000 Gulden gegeben: Da ich meinem Gesinde
selbst noch das Lohn von 3 Jahren her schuldig bin.
Jhr werdet mich noch bis aufs Hemde ausziehen.
Frau Bettelsackin.
Ach! der liebe GOtt wirds ihnen nicht man-
geln lassen. Er wird ihre Barmhertzigkeit beloh-
nen. Sie können nicht glauben, wie sie seiner
Kirchen aufhelffen, und wie viel Ehre sie davor bey
unsern Herren haben.
Frau Glaubeleichtin.
Was ist denn das für eine Noth, davon ihr
sagt?
Frau Bettelsackin.
Ausser dem, daß wir immer Allmosen, und ei-
nige Leute, die wir auf unserer Seite haben wollen,
immer besolden müssen; so haben wir schon seit ei-
niger Zeit zum Drucke gewisser Bücher von unsern
Herren zuschiessen müssen. Was nun dabey das
ärgste
Die Pietiſterey
Frau Bettelſackin.
Jn Wahrheit! die Zeiten ſind ſehr ſchlecht.
Wenn ſolche beguͤterte und gottſelige Frauen, als
ſie ſind, nicht noch was thun wollen, ſo geht die
gute Sache gar verlohren.
Frau Glaubeleichtin.
Es iſt aber nur ein Monat, da gab ich euch
60 Gulden, und 6 Wochen vorher gab ich euch
200 Gulden. Kurtz, ich habe in einem Jahre uͤber
1000 Gulden gegeben: Da ich meinem Geſinde
ſelbſt noch das Lohn von 3 Jahren her ſchuldig bin.
Jhr werdet mich noch bis aufs Hemde ausziehen.
Frau Bettelſackin.
Ach! der liebe GOtt wirds ihnen nicht man-
geln laſſen. Er wird ihre Barmhertzigkeit beloh-
nen. Sie koͤnnen nicht glauben, wie ſie ſeiner
Kirchen aufhelffen, und wie viel Ehre ſie davor bey
unſern Herren haben.
Frau Glaubeleichtin.
Was iſt denn das fuͤr eine Noth, davon ihr
ſagt?
Frau Bettelſackin.
Auſſer dem, daß wir immer Allmoſen, und ei-
nige Leute, die wir auf unſerer Seite haben wollen,
immer beſolden muͤſſen; ſo haben wir ſchon ſeit ei-
niger Zeit zum Drucke gewiſſer Buͤcher von unſern
Herren zuſchieſſen muͤſſen. Was nun dabey das
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[68/0088] Die Pietiſterey Frau Bettelſackin. Jn Wahrheit! die Zeiten ſind ſehr ſchlecht. Wenn ſolche beguͤterte und gottſelige Frauen, als ſie ſind, nicht noch was thun wollen, ſo geht die gute Sache gar verlohren. Frau Glaubeleichtin. Es iſt aber nur ein Monat, da gab ich euch 60 Gulden, und 6 Wochen vorher gab ich euch 200 Gulden. Kurtz, ich habe in einem Jahre uͤber 1000 Gulden gegeben: Da ich meinem Geſinde ſelbſt noch das Lohn von 3 Jahren her ſchuldig bin. Jhr werdet mich noch bis aufs Hemde ausziehen. Frau Bettelſackin. Ach! der liebe GOtt wirds ihnen nicht man- geln laſſen. Er wird ihre Barmhertzigkeit beloh- nen. Sie koͤnnen nicht glauben, wie ſie ſeiner Kirchen aufhelffen, und wie viel Ehre ſie davor bey unſern Herren haben. Frau Glaubeleichtin. Was iſt denn das fuͤr eine Noth, davon ihr ſagt? Frau Bettelſackin. Auſſer dem, daß wir immer Allmoſen, und ei- nige Leute, die wir auf unſerer Seite haben wollen, immer beſolden muͤſſen; ſo haben wir ſchon ſeit ei- niger Zeit zum Drucke gewiſſer Buͤcher von unſern Herren zuſchieſſen muͤſſen. Was nun dabey das aͤrgſte

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Zitationshilfe: Gottsched, Luise Adelgunde Victorie: Die Pietisterey im Fischbein-Rocke. Rostock, 1736, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_pietisterey_1736/88>, abgerufen am 29.04.2024.