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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.

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selbst bei den Wilden, einen so sonderbaren Glauben an so abgeschmackte
Dogmen.

Wie, vierundzwanzig Schriftlichen, nach einer gewissen Reihe geordnet, und
vor Euch gerückt auf einem viereckigen Stücke Papier, reichen hin, um Euch mun¬
ter und wüthend zu machen.

Was, diese vierundzwanzig Götzen, diese vierundzwanzig Abgötter machen
Euch zu Sclaven ihrer Willkühr, je nachdem sie so oder anders geordnet sind!

Die Presse ist eine außerordentliche Macht, die keine über sich und neben
sich duldet.

Sie fordert dem Feldherrn, wie dem Gesetzgeber, dem Ackersmanne, wie
dem Seemanne, dem Künstler, wie dem Gelehrten, Rechnung ab über all sein
Thun und Denken.

Sie muß also geleitet sein von den ausgezeichnetsten, untrüglichsten und
allgemein als die weisesten, und unterrichtetsten anerkannten Gelehrten, Künst¬
lern, Oeconomen, Seeleuten, Feldherrn und Gesetzgebern, denn wie wollten
sie sonst so von oben herab zu der ganzen Welt reden?

Nein, sie wird nur von Schriftstellern geleitet, und nicht einmal von den
ausgezeichnetsten des Landes. An allen Journalen zusammen arbeiten keine
zehn, deren Namen Ihr wisset.

Es möge der Mächtigste dieser Herrscher in einer Versammlung reden,
man wird ihn nicht anhören; wenn aber seine Worte mit der Post ankommen,
aus ein viereckiges Papier gedruckt, dann wagt man sie nur auf die Versiche¬
rungen eines andern viereckigen Papiers in Zweifel zu ziehen.

Großer Gott, alle Gewalten geben ihre Entlassung, weil es keinen Glau¬
ben mehr gebe, in einer Zeit, wo die Menschen so allerliebst naiv sind, sich von
vierundzwanzig Bleistäben, Papier und Tinte beherrschen zu lassen.

Gießt keine Kugeln mehr! Die Militärgewalt ist todt, wie jede andere.
Die Presse hat sie verzehrt. Gießt sie um, und macht Typen daraus. Zerstört
Eure Waffensäle und macht Buchdruckereien daraus.

Was, eine Gewalt wie diese, und das Königthum hat sie nicht in Händen?
Ihr verdient, was Euch begegnet, und das Schlimmere, das Euch noch begeg¬
nen wird. Ihr könnt Euch dieser Gewalt nicht bemächtigen, und gebt ihr Kraft;
Ihr gebt ihr Privilegien durch Eure thörichten Finanzgesetze, durch Eure un¬
ersättliche Habsucht. Beklagt Euch nicht, daß Ihr gegeißelt werdet, Ihr wer¬
det ja dafür bezahlt, Ihr fertigt und verkauft die Ruthen!

Unbeschränkte Preßfreiheit! Kein Stempel, keine Caution, keine Preßpro¬
cesse mehr -- und sie wird, vom Schlage getroffen, dahinsterben. --

Ihr könnt sie nicht tödten, nicht überwinden, sie wird Euch tödten.

Dann wird sie, um auch ihr die Wahrheit zu sagen, sich selbst tödten.
Sie vermag Alles zum Nachtheile Anderer und Nichts, weder zum Vortheile

selbst bei den Wilden, einen so sonderbaren Glauben an so abgeschmackte
Dogmen.

Wie, vierundzwanzig Schriftlichen, nach einer gewissen Reihe geordnet, und
vor Euch gerückt auf einem viereckigen Stücke Papier, reichen hin, um Euch mun¬
ter und wüthend zu machen.

Was, diese vierundzwanzig Götzen, diese vierundzwanzig Abgötter machen
Euch zu Sclaven ihrer Willkühr, je nachdem sie so oder anders geordnet sind!

Die Presse ist eine außerordentliche Macht, die keine über sich und neben
sich duldet.

Sie fordert dem Feldherrn, wie dem Gesetzgeber, dem Ackersmanne, wie
dem Seemanne, dem Künstler, wie dem Gelehrten, Rechnung ab über all sein
Thun und Denken.

Sie muß also geleitet sein von den ausgezeichnetsten, untrüglichsten und
allgemein als die weisesten, und unterrichtetsten anerkannten Gelehrten, Künst¬
lern, Oeconomen, Seeleuten, Feldherrn und Gesetzgebern, denn wie wollten
sie sonst so von oben herab zu der ganzen Welt reden?

Nein, sie wird nur von Schriftstellern geleitet, und nicht einmal von den
ausgezeichnetsten des Landes. An allen Journalen zusammen arbeiten keine
zehn, deren Namen Ihr wisset.

Es möge der Mächtigste dieser Herrscher in einer Versammlung reden,
man wird ihn nicht anhören; wenn aber seine Worte mit der Post ankommen,
aus ein viereckiges Papier gedruckt, dann wagt man sie nur auf die Versiche¬
rungen eines andern viereckigen Papiers in Zweifel zu ziehen.

Großer Gott, alle Gewalten geben ihre Entlassung, weil es keinen Glau¬
ben mehr gebe, in einer Zeit, wo die Menschen so allerliebst naiv sind, sich von
vierundzwanzig Bleistäben, Papier und Tinte beherrschen zu lassen.

Gießt keine Kugeln mehr! Die Militärgewalt ist todt, wie jede andere.
Die Presse hat sie verzehrt. Gießt sie um, und macht Typen daraus. Zerstört
Eure Waffensäle und macht Buchdruckereien daraus.

Was, eine Gewalt wie diese, und das Königthum hat sie nicht in Händen?
Ihr verdient, was Euch begegnet, und das Schlimmere, das Euch noch begeg¬
nen wird. Ihr könnt Euch dieser Gewalt nicht bemächtigen, und gebt ihr Kraft;
Ihr gebt ihr Privilegien durch Eure thörichten Finanzgesetze, durch Eure un¬
ersättliche Habsucht. Beklagt Euch nicht, daß Ihr gegeißelt werdet, Ihr wer¬
det ja dafür bezahlt, Ihr fertigt und verkauft die Ruthen!

Unbeschränkte Preßfreiheit! Kein Stempel, keine Caution, keine Preßpro¬
cesse mehr — und sie wird, vom Schlage getroffen, dahinsterben. —

Ihr könnt sie nicht tödten, nicht überwinden, sie wird Euch tödten.

Dann wird sie, um auch ihr die Wahrheit zu sagen, sich selbst tödten.
Sie vermag Alles zum Nachtheile Anderer und Nichts, weder zum Vortheile

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Art der Texterfassung: OCR.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/100>, abgerufen am 30.04.2024.