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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.

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Strome durch, hierin liegt alle Größe, alle Poesie dieser Arbeiten. Wir
bemerken mit Vergnügen, daß die belgischen Ingenieure bei den zahlreichen
Tunneln im Weze-Thale einen, in seiner Einfachheit, weit edleren Styl be¬
folgt haben. Aber da wir nun einmal in diese Kritik des Details einge¬
gangen sind, so wollen wir auch gleich unsere aufrichtige Bewunderung des
schönen Viaducts aussprechen, der, dicht bei der Aachner Station, über die
Niederungen bei Burtscheid hinläuft. Hier zum wenigsten haben die Inge¬
nieure den Grazien nicht geopfert. Sie haben eine colossale Brücke erbaut,
die den Weg in den Lüften fortführt, und ganz sicherlich den hängenden
Gärten zu Babylon gleich zu setzen ist. Hierin haben wir, ohne Widerspruch,
die Römer überflügelt. Sie leiteten Wasserbäche über die Thäler hinweg;
wir dagegen führen Ströme von Mengen dahin, die von oben auf die Vö¬
gel herabsehen, wie sie sich auf den Wipfeln der Bäume wiegen!

Dies ist die Eisenbahn von Cöln, so wie wir sie an diesem Festtage
gesehen haben, den die Einwohner der Rheinprovinzen noch lange in freu¬
diger Rückerinnerung behalten werden. Wir wollen die weiteren Nebenum-
stände, wovon die Zeitungen bereits die Lesewelt unterhalten haben, hier nicht
wiederholen. Man kann daraus ersehen, daß die bei dieser Gelegenheit ge¬
haltenen Reden bemerkenswerther sind, als sie es bei Feierlichkeiten anderer
Art zu sein pflegen. Denn große Dinge setzen uns in Begeisterung; diese
Eisenbahn vom Rhein nach der See, durch Belgien hindurch, hat die Einbil¬
dungskraft der Deutschen lebhaft ergriffen. Das Meer ist es, was Deutsch¬
land fehlt, und diese bewundernswürdige Straße verschafft ihm Küsten. Das
Merkwürdige bei diesem Feste in Aachen war wohl auch die Anwesenheit eines
Mitglieds des belgischen Ministeriums, und die Zuvorkommenheit, die man ihm
erwies. Es ist dieß ohne Zweifel eine Anerkenntnis), die man dem Nachfolger
eines Mannes schuldig zu sein glaubte, der im Jahr 1834 den Kammern
seines kaum hergestellten Landes den berühmten Eisenbahnenentwurf vorlegte,
dessen fast vollständige Ausführung wir heute vor uns sehen. Aber welches
Zusammentreffens seltsamer und unvorhergesehener Ereignisse hat es auch be¬
durft, um zwölf Jahre nach Eröffnung der ersten Eisenbahn, der von Liver¬
pool nach Manchester, den Minister eines Königreichs, welches damals noch
nicht vorhanden war, und welches sein Daseyn einer Revolution verdankt,
in Preußen als den Repräsentanten eines Volkes begrüßen zu lassen, das
dem Binnenlande mit dem Beispiele eines vollständigen, in weniger als fünf
Jahren entworfenen und zugleich beinahe gänzlich ausgeführten Eisenbahn¬
systems vorangegangen ist.

Wir waren in so begeisterter Stimmung für diese schöne Straßenver-
bindung, daß wir uns entschlossen, auf dem Umwege über Verviers, nach
Belgien zurückzukehren, und hatten so Gelegenheit, die Arbeiten, welche jetzt

Strome durch, hierin liegt alle Größe, alle Poesie dieser Arbeiten. Wir
bemerken mit Vergnügen, daß die belgischen Ingenieure bei den zahlreichen
Tunneln im Weze-Thale einen, in seiner Einfachheit, weit edleren Styl be¬
folgt haben. Aber da wir nun einmal in diese Kritik des Details einge¬
gangen sind, so wollen wir auch gleich unsere aufrichtige Bewunderung des
schönen Viaducts aussprechen, der, dicht bei der Aachner Station, über die
Niederungen bei Burtscheid hinläuft. Hier zum wenigsten haben die Inge¬
nieure den Grazien nicht geopfert. Sie haben eine colossale Brücke erbaut,
die den Weg in den Lüften fortführt, und ganz sicherlich den hängenden
Gärten zu Babylon gleich zu setzen ist. Hierin haben wir, ohne Widerspruch,
die Römer überflügelt. Sie leiteten Wasserbäche über die Thäler hinweg;
wir dagegen führen Ströme von Mengen dahin, die von oben auf die Vö¬
gel herabsehen, wie sie sich auf den Wipfeln der Bäume wiegen!

Dies ist die Eisenbahn von Cöln, so wie wir sie an diesem Festtage
gesehen haben, den die Einwohner der Rheinprovinzen noch lange in freu¬
diger Rückerinnerung behalten werden. Wir wollen die weiteren Nebenum-
stände, wovon die Zeitungen bereits die Lesewelt unterhalten haben, hier nicht
wiederholen. Man kann daraus ersehen, daß die bei dieser Gelegenheit ge¬
haltenen Reden bemerkenswerther sind, als sie es bei Feierlichkeiten anderer
Art zu sein pflegen. Denn große Dinge setzen uns in Begeisterung; diese
Eisenbahn vom Rhein nach der See, durch Belgien hindurch, hat die Einbil¬
dungskraft der Deutschen lebhaft ergriffen. Das Meer ist es, was Deutsch¬
land fehlt, und diese bewundernswürdige Straße verschafft ihm Küsten. Das
Merkwürdige bei diesem Feste in Aachen war wohl auch die Anwesenheit eines
Mitglieds des belgischen Ministeriums, und die Zuvorkommenheit, die man ihm
erwies. Es ist dieß ohne Zweifel eine Anerkenntnis), die man dem Nachfolger
eines Mannes schuldig zu sein glaubte, der im Jahr 1834 den Kammern
seines kaum hergestellten Landes den berühmten Eisenbahnenentwurf vorlegte,
dessen fast vollständige Ausführung wir heute vor uns sehen. Aber welches
Zusammentreffens seltsamer und unvorhergesehener Ereignisse hat es auch be¬
durft, um zwölf Jahre nach Eröffnung der ersten Eisenbahn, der von Liver¬
pool nach Manchester, den Minister eines Königreichs, welches damals noch
nicht vorhanden war, und welches sein Daseyn einer Revolution verdankt,
in Preußen als den Repräsentanten eines Volkes begrüßen zu lassen, das
dem Binnenlande mit dem Beispiele eines vollständigen, in weniger als fünf
Jahren entworfenen und zugleich beinahe gänzlich ausgeführten Eisenbahn¬
systems vorangegangen ist.

Wir waren in so begeisterter Stimmung für diese schöne Straßenver-
bindung, daß wir uns entschlossen, auf dem Umwege über Verviers, nach
Belgien zurückzukehren, und hatten so Gelegenheit, die Arbeiten, welche jetzt

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[76/0084] Strome durch, hierin liegt alle Größe, alle Poesie dieser Arbeiten. Wir bemerken mit Vergnügen, daß die belgischen Ingenieure bei den zahlreichen Tunneln im Weze-Thale einen, in seiner Einfachheit, weit edleren Styl be¬ folgt haben. Aber da wir nun einmal in diese Kritik des Details einge¬ gangen sind, so wollen wir auch gleich unsere aufrichtige Bewunderung des schönen Viaducts aussprechen, der, dicht bei der Aachner Station, über die Niederungen bei Burtscheid hinläuft. Hier zum wenigsten haben die Inge¬ nieure den Grazien nicht geopfert. Sie haben eine colossale Brücke erbaut, die den Weg in den Lüften fortführt, und ganz sicherlich den hängenden Gärten zu Babylon gleich zu setzen ist. Hierin haben wir, ohne Widerspruch, die Römer überflügelt. Sie leiteten Wasserbäche über die Thäler hinweg; wir dagegen führen Ströme von Mengen dahin, die von oben auf die Vö¬ gel herabsehen, wie sie sich auf den Wipfeln der Bäume wiegen! Dies ist die Eisenbahn von Cöln, so wie wir sie an diesem Festtage gesehen haben, den die Einwohner der Rheinprovinzen noch lange in freu¬ diger Rückerinnerung behalten werden. Wir wollen die weiteren Nebenum- stände, wovon die Zeitungen bereits die Lesewelt unterhalten haben, hier nicht wiederholen. Man kann daraus ersehen, daß die bei dieser Gelegenheit ge¬ haltenen Reden bemerkenswerther sind, als sie es bei Feierlichkeiten anderer Art zu sein pflegen. Denn große Dinge setzen uns in Begeisterung; diese Eisenbahn vom Rhein nach der See, durch Belgien hindurch, hat die Einbil¬ dungskraft der Deutschen lebhaft ergriffen. Das Meer ist es, was Deutsch¬ land fehlt, und diese bewundernswürdige Straße verschafft ihm Küsten. Das Merkwürdige bei diesem Feste in Aachen war wohl auch die Anwesenheit eines Mitglieds des belgischen Ministeriums, und die Zuvorkommenheit, die man ihm erwies. Es ist dieß ohne Zweifel eine Anerkenntnis), die man dem Nachfolger eines Mannes schuldig zu sein glaubte, der im Jahr 1834 den Kammern seines kaum hergestellten Landes den berühmten Eisenbahnenentwurf vorlegte, dessen fast vollständige Ausführung wir heute vor uns sehen. Aber welches Zusammentreffens seltsamer und unvorhergesehener Ereignisse hat es auch be¬ durft, um zwölf Jahre nach Eröffnung der ersten Eisenbahn, der von Liver¬ pool nach Manchester, den Minister eines Königreichs, welches damals noch nicht vorhanden war, und welches sein Daseyn einer Revolution verdankt, in Preußen als den Repräsentanten eines Volkes begrüßen zu lassen, das dem Binnenlande mit dem Beispiele eines vollständigen, in weniger als fünf Jahren entworfenen und zugleich beinahe gänzlich ausgeführten Eisenbahn¬ systems vorangegangen ist. Wir waren in so begeisterter Stimmung für diese schöne Straßenver- bindung, daß wir uns entschlossen, auf dem Umwege über Verviers, nach Belgien zurückzukehren, und hatten so Gelegenheit, die Arbeiten, welche jetzt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/84>, abgerufen am 15.05.2024.