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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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funkelt in den kleinbürgerlichen Schlamm des deutschen Kastengeistes, ist ihnen
der große, freie Begriff der Gesellschaft noch immer nicht klar. Sie können
sich nicht zu dem Gedanken erheben, daß in dem Salon eines französischen
Staatsmannes nicht nur^besternte und betitelte Personen, sondern auch die Künst¬
ler, die Schriftsteller, d. h. die Männer ihres Gleichen, die unter dem Knopf¬
loche Nichts, als ihr Talent in der Brust haben, einen Mittelpunkt finden.
Auch Schriftsteller von weniger Ruf, als Gutzkow, wenn sie, mit den gehörigen
Einführungsbriefcn versehen, nach Paris kommen, werden in allen Cirkeln (etwa
die Faubourg Se. Germain ausgenommen) Zutritt finden, bei dem Minister,
wie beim Pair. Gutzkow aber ging obendrein ein halb politischer Ruf zur Seite.
Er war einer der Häupter des jungen Deutschlands, was in's Französische
übersetzt un eilst <is 1^ jsnnv ^Nemus'us heißt und eine ganz andere Be¬
deutung gewinnt, die an die jeuiie ^rumph, giovins It-Ul-l, Silvio I'eUico U. s. w.
erinnert. Das Bewußtsein der mangelhaften Kenntnisse der deutschen Zustände
ist in Frankreich nie so lebhast gefühlt worden, als jetzt; und Thiers trotz
allem äußerlichen Großthun weiß innerlich sehr wohl, daß er im Jahre 1340
durch seine Verkenming der deutschen Stimmung sich blamirt hat. Da kommt
Se. Marc Gircirdin und wünscht, ihm einen deutschen Schriftsteller seiner Be¬
kanntschaft vorzuführen, un nos olxzls ,1s 1^ ^Ilemaxne, <loue le"
ouvraxes ont ot.6 t'rajiplls j>ar I'iiitoi-Jiew <1v -ufte vt qui a neu prisoiiisi-
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Thüren einem solchen Gaste öffnen, von dem er vielleicht im Stillen den
Beweis erwartete, daß er in seiner Rechnung auf das ,'revolutionaire Deutsch¬
land sich doch nicht'betrogen habe? Und warum geradeThiers und Gutzkow? War¬
um sollte überhaupt ein deutscher Schriftsteller in Frankreich nicht eben so viel sein,
als ein französischer in Deutschland ? Sind Michel Chevalier, sind Mistreß Trollopc,
und um ein allerncustcs Beispiel zu wählen, sind dem Bicomtc d'Arlincourt
die deutschen Salons verschlossen geblieben? Freilich der Vicomte ist von Adel
und, vergessen wir es nicht, Legitimist; aber Emile Girardin, der von dem
glänzendsten und geehrtester deutschen Staatsmanne einen freundlichen Em¬
pfang aus dem Johannisberg erhielt, ist weder von Adel und noch viel weni¬
ger legitim. Ihm gingen nicht einmal so unbescholtene Antecedentien voraus,
wie Gutzkow. Wenn übrigens einige Pariser Berichterstatter in deutschen
Blättern behaupten, Gutzkow habe durch die Indiscretion, womit er Einzelnes
ausgeplaudert hat, anderen Schriftstellern, die nach ihm kommen, den Zutritt
erschwert, so ist das eine Unwahrheit und eine Uebertreibung. Jedermann
weiß in Frankreich, daß der reisende Schriftsteller seine Eindrücke zu Papiere


funkelt in den kleinbürgerlichen Schlamm des deutschen Kastengeistes, ist ihnen
der große, freie Begriff der Gesellschaft noch immer nicht klar. Sie können
sich nicht zu dem Gedanken erheben, daß in dem Salon eines französischen
Staatsmannes nicht nur^besternte und betitelte Personen, sondern auch die Künst¬
ler, die Schriftsteller, d. h. die Männer ihres Gleichen, die unter dem Knopf¬
loche Nichts, als ihr Talent in der Brust haben, einen Mittelpunkt finden.
Auch Schriftsteller von weniger Ruf, als Gutzkow, wenn sie, mit den gehörigen
Einführungsbriefcn versehen, nach Paris kommen, werden in allen Cirkeln (etwa
die Faubourg Se. Germain ausgenommen) Zutritt finden, bei dem Minister,
wie beim Pair. Gutzkow aber ging obendrein ein halb politischer Ruf zur Seite.
Er war einer der Häupter des jungen Deutschlands, was in's Französische
übersetzt un eilst <is 1^ jsnnv ^Nemus'us heißt und eine ganz andere Be¬
deutung gewinnt, die an die jeuiie ^rumph, giovins It-Ul-l, Silvio I'eUico U. s. w.
erinnert. Das Bewußtsein der mangelhaften Kenntnisse der deutschen Zustände
ist in Frankreich nie so lebhast gefühlt worden, als jetzt; und Thiers trotz
allem äußerlichen Großthun weiß innerlich sehr wohl, daß er im Jahre 1340
durch seine Verkenming der deutschen Stimmung sich blamirt hat. Da kommt
Se. Marc Gircirdin und wünscht, ihm einen deutschen Schriftsteller seiner Be¬
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Thüren einem solchen Gaste öffnen, von dem er vielleicht im Stillen den
Beweis erwartete, daß er in seiner Rechnung auf das ,'revolutionaire Deutsch¬
land sich doch nicht'betrogen habe? Und warum geradeThiers und Gutzkow? War¬
um sollte überhaupt ein deutscher Schriftsteller in Frankreich nicht eben so viel sein,
als ein französischer in Deutschland ? Sind Michel Chevalier, sind Mistreß Trollopc,
und um ein allerncustcs Beispiel zu wählen, sind dem Bicomtc d'Arlincourt
die deutschen Salons verschlossen geblieben? Freilich der Vicomte ist von Adel
und, vergessen wir es nicht, Legitimist; aber Emile Girardin, der von dem
glänzendsten und geehrtester deutschen Staatsmanne einen freundlichen Em¬
pfang aus dem Johannisberg erhielt, ist weder von Adel und noch viel weni¬
ger legitim. Ihm gingen nicht einmal so unbescholtene Antecedentien voraus,
wie Gutzkow. Wenn übrigens einige Pariser Berichterstatter in deutschen
Blättern behaupten, Gutzkow habe durch die Indiscretion, womit er Einzelnes
ausgeplaudert hat, anderen Schriftstellern, die nach ihm kommen, den Zutritt
erschwert, so ist das eine Unwahrheit und eine Uebertreibung. Jedermann
weiß in Frankreich, daß der reisende Schriftsteller seine Eindrücke zu Papiere


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/536>, abgerufen am 22.05.2024.