Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

zur Hälfte ausgebeuteter Boden liegt in seiner Mitte und zur Hebung
seines Nationalwohlstandes braucht es nicht erst ferne Welttheile
durch eine ungeheure und doch unsichere Flottenmacht in Unterwür-
figkeit zu halten. Die blühendste Zukunft kann es aus sich selbst
entwickeln, durch einen Schritt, freilich durch einen großen, aber zu-
gleich durch einen so nahen natürlichen. Und man wagt zu behaupt
ten, es sei zu sy^at!! - Deutschland sieht hoffend auf Oesterreich,
seinen alten Führer; es hat das Vertrauen zu seiner Würde, Ein-
sicht und Klugheit, daß es den Wendepunkt der Zeit erkannt hat,
der ein freisinniges Staatssystem nöthig macht, um seine Macht und
mit ihr die Macht der ganzen deutscheu Nation zu sichern und zu
heben.

Preußen hat allerdings viele Schritte näher, um durch ein frei-
sinniges System seine innere Kraft zur höchsten Entwickelung ^ zu
bringen und dadurch allen Gefahren, die uns künftig im Westen
oder Osten drohen möchten, mit Sicherheit zu entgehen. Von seinem
eigenen Volke selbst wird es mächtig auf diese Bahn gedrängt. Die
letzten in diesem Jahre versammelt gewesenen Provinzial -Landtage
haben alle deutschen liberalen Lebensfragen entschieden bevorwortet.
Der ostwestpreußische Landtag hat mit mehr als zwei Dritteln
Stimmen die Freiheit der Presse verlangt und ist darin mit absolu-
ter Stimmenmehrheit auch von dem rheinischen unterstützt worden.
Der schlesische hat mit einer imposanten Majorität und nur gegen
vier Stimmen um die Oeffentlichkeit feiner eigenen Verhandlungen
gebeten. Beinahe alle haben den Entwurf des Criminalgefetzbuchs ent-
weder abgelehnt, oder um dessen nochmalige Revision und erneuerte
Vorlage in Verbindung mit der Strafprozeßordnung gebeten. Diese
und ähnliche freisinnige Petitionen, wie auch die bevorwortete wei-
tere Ausbildung der ständischen Central - Ausschüsse, welche weit die
der ersten Landtage unter der neuen Regierung überholt haben,^ sind
um so überraschender, als in Preußen nur das Grundeigenthum
grundgcsetzlich repräsentirt und alle geistigen Capacitäten, so wie die
Besitzer von Capitalien und alles bewegli^chen Eigenthums völlig aus-
geschlossen sind. Der Grund dieser für Deutschland freudigen Er^
scheinung, deren noch mehrere und noch viel wichtigere auf den
nächsten Landtagen sich unzweifelhaft anschließen werden, liegt in der
gänzlichen Vernichtung des Feudal - Systems, das durch die freisinnige


zur Hälfte ausgebeuteter Boden liegt in seiner Mitte und zur Hebung
seines Nationalwohlstandes braucht es nicht erst ferne Welttheile
durch eine ungeheure und doch unsichere Flottenmacht in Unterwür-
figkeit zu halten. Die blühendste Zukunft kann es aus sich selbst
entwickeln, durch einen Schritt, freilich durch einen großen, aber zu-
gleich durch einen so nahen natürlichen. Und man wagt zu behaupt
ten, es sei zu sy^at!! - Deutschland sieht hoffend auf Oesterreich,
seinen alten Führer; es hat das Vertrauen zu seiner Würde, Ein-
sicht und Klugheit, daß es den Wendepunkt der Zeit erkannt hat,
der ein freisinniges Staatssystem nöthig macht, um seine Macht und
mit ihr die Macht der ganzen deutscheu Nation zu sichern und zu
heben.

Preußen hat allerdings viele Schritte näher, um durch ein frei-
sinniges System seine innere Kraft zur höchsten Entwickelung ^ zu
bringen und dadurch allen Gefahren, die uns künftig im Westen
oder Osten drohen möchten, mit Sicherheit zu entgehen. Von seinem
eigenen Volke selbst wird es mächtig auf diese Bahn gedrängt. Die
letzten in diesem Jahre versammelt gewesenen Provinzial -Landtage
haben alle deutschen liberalen Lebensfragen entschieden bevorwortet.
Der ostwestpreußische Landtag hat mit mehr als zwei Dritteln
Stimmen die Freiheit der Presse verlangt und ist darin mit absolu-
ter Stimmenmehrheit auch von dem rheinischen unterstützt worden.
Der schlesische hat mit einer imposanten Majorität und nur gegen
vier Stimmen um die Oeffentlichkeit feiner eigenen Verhandlungen
gebeten. Beinahe alle haben den Entwurf des Criminalgefetzbuchs ent-
weder abgelehnt, oder um dessen nochmalige Revision und erneuerte
Vorlage in Verbindung mit der Strafprozeßordnung gebeten. Diese
und ähnliche freisinnige Petitionen, wie auch die bevorwortete wei-
tere Ausbildung der ständischen Central - Ausschüsse, welche weit die
der ersten Landtage unter der neuen Regierung überholt haben,^ sind
um so überraschender, als in Preußen nur das Grundeigenthum
grundgcsetzlich repräsentirt und alle geistigen Capacitäten, so wie die
Besitzer von Capitalien und alles bewegli^chen Eigenthums völlig aus-
geschlossen sind. Der Grund dieser für Deutschland freudigen Er^
scheinung, deren noch mehrere und noch viel wichtigere auf den
nächsten Landtagen sich unzweifelhaft anschließen werden, liegt in der
gänzlichen Vernichtung des Feudal - Systems, das durch die freisinnige


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0013" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/179726"/>
          <p xml:id="ID_14" prev="#ID_13"> zur Hälfte ausgebeuteter Boden liegt in seiner Mitte und zur Hebung<lb/>
seines Nationalwohlstandes braucht es nicht erst ferne Welttheile<lb/>
durch eine ungeheure und doch unsichere Flottenmacht in Unterwür-<lb/>
figkeit zu halten. Die blühendste Zukunft kann es aus sich selbst<lb/>
entwickeln, durch einen Schritt, freilich durch einen großen, aber zu-<lb/>
gleich durch einen so nahen natürlichen. Und man wagt zu behaupt<lb/>
ten, es sei zu sy^at!! - Deutschland sieht hoffend auf Oesterreich,<lb/>
seinen alten Führer; es hat das Vertrauen zu seiner Würde, Ein-<lb/>
sicht und Klugheit, daß es den Wendepunkt der Zeit erkannt hat,<lb/>
der ein freisinniges Staatssystem nöthig macht, um seine Macht und<lb/>
mit ihr die Macht der ganzen deutscheu Nation zu sichern und zu<lb/>
heben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_15" next="#ID_16"> Preußen hat allerdings viele Schritte näher, um durch ein frei-<lb/>
sinniges System seine innere Kraft zur höchsten Entwickelung ^ zu<lb/>
bringen und dadurch allen Gefahren, die uns künftig im Westen<lb/>
oder Osten drohen möchten, mit Sicherheit zu entgehen. Von seinem<lb/>
eigenen Volke selbst wird es mächtig auf diese Bahn gedrängt. Die<lb/>
letzten in diesem Jahre versammelt gewesenen Provinzial -Landtage<lb/>
haben alle deutschen liberalen Lebensfragen entschieden bevorwortet.<lb/>
Der ostwestpreußische Landtag hat mit mehr als zwei Dritteln<lb/>
Stimmen die Freiheit der Presse verlangt und ist darin mit absolu-<lb/>
ter Stimmenmehrheit auch von dem rheinischen unterstützt worden.<lb/>
Der schlesische hat mit einer imposanten Majorität und nur gegen<lb/>
vier Stimmen um die Oeffentlichkeit feiner eigenen Verhandlungen<lb/>
gebeten. Beinahe alle haben den Entwurf des Criminalgefetzbuchs ent-<lb/>
weder abgelehnt, oder um dessen nochmalige Revision und erneuerte<lb/>
Vorlage in Verbindung mit der Strafprozeßordnung gebeten. Diese<lb/>
und ähnliche freisinnige Petitionen, wie auch die bevorwortete wei-<lb/>
tere Ausbildung der ständischen Central - Ausschüsse, welche weit die<lb/>
der ersten Landtage unter der neuen Regierung überholt haben,^ sind<lb/>
um so überraschender, als in Preußen nur das Grundeigenthum<lb/>
grundgcsetzlich repräsentirt und alle geistigen Capacitäten, so wie die<lb/>
Besitzer von Capitalien und alles bewegli^chen Eigenthums völlig aus-<lb/>
geschlossen sind. Der Grund dieser für Deutschland freudigen Er^<lb/>
scheinung, deren noch mehrere und noch viel wichtigere auf den<lb/>
nächsten Landtagen sich unzweifelhaft anschließen werden, liegt in der<lb/>
gänzlichen Vernichtung des Feudal - Systems, das durch die freisinnige</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0013] zur Hälfte ausgebeuteter Boden liegt in seiner Mitte und zur Hebung seines Nationalwohlstandes braucht es nicht erst ferne Welttheile durch eine ungeheure und doch unsichere Flottenmacht in Unterwür- figkeit zu halten. Die blühendste Zukunft kann es aus sich selbst entwickeln, durch einen Schritt, freilich durch einen großen, aber zu- gleich durch einen so nahen natürlichen. Und man wagt zu behaupt ten, es sei zu sy^at!! - Deutschland sieht hoffend auf Oesterreich, seinen alten Führer; es hat das Vertrauen zu seiner Würde, Ein- sicht und Klugheit, daß es den Wendepunkt der Zeit erkannt hat, der ein freisinniges Staatssystem nöthig macht, um seine Macht und mit ihr die Macht der ganzen deutscheu Nation zu sichern und zu heben. Preußen hat allerdings viele Schritte näher, um durch ein frei- sinniges System seine innere Kraft zur höchsten Entwickelung ^ zu bringen und dadurch allen Gefahren, die uns künftig im Westen oder Osten drohen möchten, mit Sicherheit zu entgehen. Von seinem eigenen Volke selbst wird es mächtig auf diese Bahn gedrängt. Die letzten in diesem Jahre versammelt gewesenen Provinzial -Landtage haben alle deutschen liberalen Lebensfragen entschieden bevorwortet. Der ostwestpreußische Landtag hat mit mehr als zwei Dritteln Stimmen die Freiheit der Presse verlangt und ist darin mit absolu- ter Stimmenmehrheit auch von dem rheinischen unterstützt worden. Der schlesische hat mit einer imposanten Majorität und nur gegen vier Stimmen um die Oeffentlichkeit feiner eigenen Verhandlungen gebeten. Beinahe alle haben den Entwurf des Criminalgefetzbuchs ent- weder abgelehnt, oder um dessen nochmalige Revision und erneuerte Vorlage in Verbindung mit der Strafprozeßordnung gebeten. Diese und ähnliche freisinnige Petitionen, wie auch die bevorwortete wei- tere Ausbildung der ständischen Central - Ausschüsse, welche weit die der ersten Landtage unter der neuen Regierung überholt haben,^ sind um so überraschender, als in Preußen nur das Grundeigenthum grundgcsetzlich repräsentirt und alle geistigen Capacitäten, so wie die Besitzer von Capitalien und alles bewegli^chen Eigenthums völlig aus- geschlossen sind. Der Grund dieser für Deutschland freudigen Er^ scheinung, deren noch mehrere und noch viel wichtigere auf den nächsten Landtagen sich unzweifelhaft anschließen werden, liegt in der gänzlichen Vernichtung des Feudal - Systems, das durch die freisinnige

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/13
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/13>, abgerufen am 26.05.2024.