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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Gesetzgebung der Freiherrn von Stein und Hardenberg vom Jahre
1804 bis 1813 bewirkt worden, so wie in den neuen Eimichtungen
für die -Schule und das Heer, welches eine wahre nationale In¬
stitution und der förmliche Gegensatz der frühern Soldateska ist.
Das preußische Volk strebt mit Riesenschritten vorwärts und die neue
Regierung ist viel zu gerecht und einsichtsvoll, um die Entwickelung
dieser neuen Kraft, die ihr zuletzt am meisten zu gute kommen muß,
gewaltsam zu hemmen.

Traurig gestimmt und tief geschmerzt hat es uns jedoch, daß
die neue Negierung sich noch nicht mit der Presse oder was gleich
bedeutet, mit den gebildeten und denkenden Classen der Nation auf
einen freundlichen Fuß zu stellen vermocht hat. Sie hat nunmehr
die literarische Einheit Deutschlands dadurch gebrochen und hierin
einen offenbaren Rückschritt begangen, daß sie auswärtige, unter
deutscher Censur erscheinende Blätter verboten und die Strenge so
weit getrieben hat, daß sie selbst Blätter, welche unter Aufsicht der
eigenen Beamten erscheinen, unterdrückte. Es ist hier nicht der Ort
zu untersuchen, welche Fehlgriffe, Indiskretionen und Ungezogenheiten
sich jene Blätter haben zu Schulden kommen lassen, aber so viel steht
fest, dass eine geistige Macht nur mit Erfolg mit dem Geist und
nicht mit der bloßen physischen Gewalt bekämpft werden kann. Wie
uns scheint, hat man den ersten Fehler darin begangen, daß man
den Organen der Presse zu viel Wichtigkeit beilegte und sogleich von
ihnen verlangte, daß sie sich nach Regierungs - Idealen bewegen
sollten. Jeder Schriftsteller trägt aber sein geistiges Ideal in sich
selbst und eS ist hart, so lange er die Landesgesetze nicht verletzt, ihn
zwingen zu wollen, davon abzugehen. Hätte man die radicalen
Blätter nicht verfolgt und in geistigen Dingen die Gewerbefreiheit,
wie sie in materiellen besteht, eingeführt, so hätte sich die Presse unter
sich selbst bekämpft und wäre nach und nach gezwungen worden, sich
den Interessen und den Bedürfnissen der großen Mehrheit anzu¬
schließen. Die literarische Gewerbefreiheit, wodurch allein die ge¬
bildeten Classen zufrieden gestellt werden können, hätte um so mehr
gewährt werden sollen, als sie gesetzlich wirklich besteht. Das Gesetz
über die Einführung der allgemeinen Gewerbfreiheit schreibt aus¬
drücklich vor, daß man auch seine Erzeugnisse in Kunst und Wissen¬
schaften künftig frei debitiren könne und daß Niemanden, der ein


Gesetzgebung der Freiherrn von Stein und Hardenberg vom Jahre
1804 bis 1813 bewirkt worden, so wie in den neuen Eimichtungen
für die -Schule und das Heer, welches eine wahre nationale In¬
stitution und der förmliche Gegensatz der frühern Soldateska ist.
Das preußische Volk strebt mit Riesenschritten vorwärts und die neue
Regierung ist viel zu gerecht und einsichtsvoll, um die Entwickelung
dieser neuen Kraft, die ihr zuletzt am meisten zu gute kommen muß,
gewaltsam zu hemmen.

Traurig gestimmt und tief geschmerzt hat es uns jedoch, daß
die neue Negierung sich noch nicht mit der Presse oder was gleich
bedeutet, mit den gebildeten und denkenden Classen der Nation auf
einen freundlichen Fuß zu stellen vermocht hat. Sie hat nunmehr
die literarische Einheit Deutschlands dadurch gebrochen und hierin
einen offenbaren Rückschritt begangen, daß sie auswärtige, unter
deutscher Censur erscheinende Blätter verboten und die Strenge so
weit getrieben hat, daß sie selbst Blätter, welche unter Aufsicht der
eigenen Beamten erscheinen, unterdrückte. Es ist hier nicht der Ort
zu untersuchen, welche Fehlgriffe, Indiskretionen und Ungezogenheiten
sich jene Blätter haben zu Schulden kommen lassen, aber so viel steht
fest, dass eine geistige Macht nur mit Erfolg mit dem Geist und
nicht mit der bloßen physischen Gewalt bekämpft werden kann. Wie
uns scheint, hat man den ersten Fehler darin begangen, daß man
den Organen der Presse zu viel Wichtigkeit beilegte und sogleich von
ihnen verlangte, daß sie sich nach Regierungs - Idealen bewegen
sollten. Jeder Schriftsteller trägt aber sein geistiges Ideal in sich
selbst und eS ist hart, so lange er die Landesgesetze nicht verletzt, ihn
zwingen zu wollen, davon abzugehen. Hätte man die radicalen
Blätter nicht verfolgt und in geistigen Dingen die Gewerbefreiheit,
wie sie in materiellen besteht, eingeführt, so hätte sich die Presse unter
sich selbst bekämpft und wäre nach und nach gezwungen worden, sich
den Interessen und den Bedürfnissen der großen Mehrheit anzu¬
schließen. Die literarische Gewerbefreiheit, wodurch allein die ge¬
bildeten Classen zufrieden gestellt werden können, hätte um so mehr
gewährt werden sollen, als sie gesetzlich wirklich besteht. Das Gesetz
über die Einführung der allgemeinen Gewerbfreiheit schreibt aus¬
drücklich vor, daß man auch seine Erzeugnisse in Kunst und Wissen¬
schaften künftig frei debitiren könne und daß Niemanden, der ein


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[0014] Gesetzgebung der Freiherrn von Stein und Hardenberg vom Jahre 1804 bis 1813 bewirkt worden, so wie in den neuen Eimichtungen für die -Schule und das Heer, welches eine wahre nationale In¬ stitution und der förmliche Gegensatz der frühern Soldateska ist. Das preußische Volk strebt mit Riesenschritten vorwärts und die neue Regierung ist viel zu gerecht und einsichtsvoll, um die Entwickelung dieser neuen Kraft, die ihr zuletzt am meisten zu gute kommen muß, gewaltsam zu hemmen. Traurig gestimmt und tief geschmerzt hat es uns jedoch, daß die neue Negierung sich noch nicht mit der Presse oder was gleich bedeutet, mit den gebildeten und denkenden Classen der Nation auf einen freundlichen Fuß zu stellen vermocht hat. Sie hat nunmehr die literarische Einheit Deutschlands dadurch gebrochen und hierin einen offenbaren Rückschritt begangen, daß sie auswärtige, unter deutscher Censur erscheinende Blätter verboten und die Strenge so weit getrieben hat, daß sie selbst Blätter, welche unter Aufsicht der eigenen Beamten erscheinen, unterdrückte. Es ist hier nicht der Ort zu untersuchen, welche Fehlgriffe, Indiskretionen und Ungezogenheiten sich jene Blätter haben zu Schulden kommen lassen, aber so viel steht fest, dass eine geistige Macht nur mit Erfolg mit dem Geist und nicht mit der bloßen physischen Gewalt bekämpft werden kann. Wie uns scheint, hat man den ersten Fehler darin begangen, daß man den Organen der Presse zu viel Wichtigkeit beilegte und sogleich von ihnen verlangte, daß sie sich nach Regierungs - Idealen bewegen sollten. Jeder Schriftsteller trägt aber sein geistiges Ideal in sich selbst und eS ist hart, so lange er die Landesgesetze nicht verletzt, ihn zwingen zu wollen, davon abzugehen. Hätte man die radicalen Blätter nicht verfolgt und in geistigen Dingen die Gewerbefreiheit, wie sie in materiellen besteht, eingeführt, so hätte sich die Presse unter sich selbst bekämpft und wäre nach und nach gezwungen worden, sich den Interessen und den Bedürfnissen der großen Mehrheit anzu¬ schließen. Die literarische Gewerbefreiheit, wodurch allein die ge¬ bildeten Classen zufrieden gestellt werden können, hätte um so mehr gewährt werden sollen, als sie gesetzlich wirklich besteht. Das Gesetz über die Einführung der allgemeinen Gewerbfreiheit schreibt aus¬ drücklich vor, daß man auch seine Erzeugnisse in Kunst und Wissen¬ schaften künftig frei debitiren könne und daß Niemanden, der ein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/14>, abgerufen am 26.05.2024.