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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Auslande Eroberungen macht, die Masse kümmert sich nicht darum.
Das deutsche Volk ist nicht eroberungssüchtig. Wenn es etwas erobern
möchte, so wäre es vor Allem sein Recht und seine Freiheit im In"
nem; es hat in seinem eigenen Hause noch nicht, was es wünscht,
waS es braucht, wer will es ihm verargen, wenn es sich um das, was
draußen zu erringen ist, so wenig kümmert? Indessen ist daS Erschei¬
nen eines flamändischen politischen Blattes in der Hauptstadt Bel¬
giens keineswegs so gleichgiltig hinzunehmen. Die Flamänder sind
nun ein Mal, gleich den Holländern, verkommene Deutsche, welche
die uunationale trübselige Politik des heiligen römischen Reichs auf
die unverzeihlichste Weise dem großen Ganzen entschlüpfen, entfremden
ließ. Wir, die wir in einer bewußteren Zeit leben, sollten das Ver¬
lorene nachholen und wieder gut machen. Und wir könnten es, trotz
der äußerlichen, scheinbaren Schwierigkeiten. Die Födcrativ-Basis des
heutigen Deutschland läßt die Aufnahme und den Anschluß aller
deutschen Stämme zu. Wir brauchen nicht wie Frankreich Dynastien
zu entfernen, wenn wir ein Land uns einverleiben wollen. Der deutsche
Bund hat Raum für viele Königreiche. Würde die Hauspolitik der
deutschen Fürsten nicht eine so egoistische sein, dann würde Holland
bald an der Seite jener Nation stehen, deren Blut, deren Sprache,
deren Geschichte noch heute in seinen Adern fließen. Und Belgien
mit deu zwei Drittheilen seiner norddeutschen Bevölkerung, mit seinem
deutschen Könige, mit seinen Wünschen nach einem deutschen Handel,
mit seiner Furcht vor dem beutelustigen französischen Nachbar, wäre
gewiß nicht allzuspröde, wenn ihm der deutsche Bund die Hand reichen
wollte. Frankreich weiß dieses gar wohl und ist nicht müßig. In
Brüssel hat die französische Politik fast alle leitenden Organe mit seinen
Getreuen besetzt. In den Provinzen regt sich noch niederdeutsches Le¬
ben; in der Hauptstadt hat Frankreich es aufgepickt. Darum hat das
plötzliche Auftauchen eines flamändischen Journals in der Hauptstadt
seine gute Bedeutung. In Belgien entstehen die Journale nicht aus
bloßer Privatspcculation, aus den Kosten eines Buchhändlers. Dort
ist Alles Partei und diese trägt Sorge für die Erhaltung ihres Or¬
gans. An der Spitze des neuen Blattes, das den Titel das "vlaem-
sche Belgie" führt, steht ein junger feuriger Schriftsteller Herr ,1"-
I^t, dessen Sympathien für Deutschland unzweideutig sind und der
auch einer der leider wenigen flamändischen Autoren ist, die mit
deutscher Sprache und Literatur sich bekannt gemacht haben. Ein sol¬
ches Journal bedarf der Unterstützung und der Aufmunterung v-on
deutscher Seite. Wird die preußische Gesandtschaft in Brüssel dieses
Mal wieder sich so lange besinnen, ob sie das Journal nach Deutsch¬
land lassen darf, wie sie es bei dem Journale des Herrn CorrcmanL
gethan hat, wo die Erlaubniß erst anlangte, als nach Verlauf eines
Jahres das Blatt bereits zu große Opfer gebracht hatte, um weiter


Auslande Eroberungen macht, die Masse kümmert sich nicht darum.
Das deutsche Volk ist nicht eroberungssüchtig. Wenn es etwas erobern
möchte, so wäre es vor Allem sein Recht und seine Freiheit im In«
nem; es hat in seinem eigenen Hause noch nicht, was es wünscht,
waS es braucht, wer will es ihm verargen, wenn es sich um das, was
draußen zu erringen ist, so wenig kümmert? Indessen ist daS Erschei¬
nen eines flamändischen politischen Blattes in der Hauptstadt Bel¬
giens keineswegs so gleichgiltig hinzunehmen. Die Flamänder sind
nun ein Mal, gleich den Holländern, verkommene Deutsche, welche
die uunationale trübselige Politik des heiligen römischen Reichs auf
die unverzeihlichste Weise dem großen Ganzen entschlüpfen, entfremden
ließ. Wir, die wir in einer bewußteren Zeit leben, sollten das Ver¬
lorene nachholen und wieder gut machen. Und wir könnten es, trotz
der äußerlichen, scheinbaren Schwierigkeiten. Die Födcrativ-Basis des
heutigen Deutschland läßt die Aufnahme und den Anschluß aller
deutschen Stämme zu. Wir brauchen nicht wie Frankreich Dynastien
zu entfernen, wenn wir ein Land uns einverleiben wollen. Der deutsche
Bund hat Raum für viele Königreiche. Würde die Hauspolitik der
deutschen Fürsten nicht eine so egoistische sein, dann würde Holland
bald an der Seite jener Nation stehen, deren Blut, deren Sprache,
deren Geschichte noch heute in seinen Adern fließen. Und Belgien
mit deu zwei Drittheilen seiner norddeutschen Bevölkerung, mit seinem
deutschen Könige, mit seinen Wünschen nach einem deutschen Handel,
mit seiner Furcht vor dem beutelustigen französischen Nachbar, wäre
gewiß nicht allzuspröde, wenn ihm der deutsche Bund die Hand reichen
wollte. Frankreich weiß dieses gar wohl und ist nicht müßig. In
Brüssel hat die französische Politik fast alle leitenden Organe mit seinen
Getreuen besetzt. In den Provinzen regt sich noch niederdeutsches Le¬
ben; in der Hauptstadt hat Frankreich es aufgepickt. Darum hat das
plötzliche Auftauchen eines flamändischen Journals in der Hauptstadt
seine gute Bedeutung. In Belgien entstehen die Journale nicht aus
bloßer Privatspcculation, aus den Kosten eines Buchhändlers. Dort
ist Alles Partei und diese trägt Sorge für die Erhaltung ihres Or¬
gans. An der Spitze des neuen Blattes, das den Titel das „vlaem-
sche Belgie" führt, steht ein junger feuriger Schriftsteller Herr ,1»-
I^t, dessen Sympathien für Deutschland unzweideutig sind und der
auch einer der leider wenigen flamändischen Autoren ist, die mit
deutscher Sprache und Literatur sich bekannt gemacht haben. Ein sol¬
ches Journal bedarf der Unterstützung und der Aufmunterung v-on
deutscher Seite. Wird die preußische Gesandtschaft in Brüssel dieses
Mal wieder sich so lange besinnen, ob sie das Journal nach Deutsch¬
land lassen darf, wie sie es bei dem Journale des Herrn CorrcmanL
gethan hat, wo die Erlaubniß erst anlangte, als nach Verlauf eines
Jahres das Blatt bereits zu große Opfer gebracht hatte, um weiter


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/206>, abgerufen am 17.06.2024.