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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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erscheinen zu dürfen? Oder wird das "vlacmschc Bclgic" daS Schick¬
sal der Grenzboten finden, denen (zur Unterstützung ihrer patriotischen
Absichten!) der Eingang in Preußen nicht gestattet wurde? --
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III.
Vermischte Nachrichte".

Preufiisch-Polen. -- Georgi, Weidia's Inquisitor. -- Gratsch. -- Censor
Wenzel und Frciligrarh.

-- Mit Widerwillen sieht man sich gezwungen, fortwährend von
Rußland zu reden; denn eS gibt nichts Peinlicheres, als gegen einen
solchen Feind die Formen der Höflichkeit und des Auslandes beobachten
zu müssen. Die Nachrichten aus dem slavischen Osten klingen wie die
Sagen von Bampvrcn und Währwölfen. Doch sind es keine Sagen.
Ein sehr gewiegter und besonnener Korrespondent der "Deutschen All¬
gemeinen" rollt uns (in der Nummer vom 29. Januar) ein Gemälde
des polnischen Elends auf, dessen Details wir nicht wiedergeben wollen.
Nußland zertritt die letzten zuckende" Reste polnischen Nationallcbcuö
und man weiß nicht, was bei diesem Verfahren gräßlicher ist: der
Zweck oder die Mittel. Selbst der rohe Constantin war gegen die
zartere polnische Natur nicht ganz so russisch wie gegen seine Russen;
jetzt aber wirft man sich, mit thierischer Lust an dem Ekel und Ent>
setzen seiner Beute, auf das wehrlose Volk, vor dessen Heldenmuth man
einst gezittert. Ingrimmig sieht man die großmüthige Schonung, de¬
ren die polnische Nationalität in Preußen genießt. Leider wirb die
Wiedereinführung des Cartelö von selbst nothwendig werden. Ru߬
land will aber mehr; russische Spione kommen, als Ueberläufer mas-
kirt, nach Posen und suchen das Volt zu Excessen und Emeuten zu
verhetzen, um der preußischen Regierung jene Schonung zu verleiden;
hoffentlich wird das nicht gelingen. Wir sind überzeugt, daß unsere
deutschen Regierungen das russische Nachevcrfahrcn entschieden verwer¬
fen. Und doch, warum hört mau von keiner diplomatischen Interven¬
tion, von keiner christlichen Verwendung? Ist Rußland so mächtig,
um dergleichen vornehm zurückweisen zu dürfe"? -- Dazwischen tönen,
wie zum Hohn, die Hochzcitstrompctcn, täglich eine neue russisch-deut¬
sche Fürstcnvcrmählung verkündend. Das deutsche Volk ist uicht so
svusiblv, wie das französische, aber ein gutes Gedächtniß hat dasselbe.
Langsam bildet sich ein unauslöschlicher Haß und -- er wird Früchte
trage".


erscheinen zu dürfen? Oder wird das „vlacmschc Bclgic" daS Schick¬
sal der Grenzboten finden, denen (zur Unterstützung ihrer patriotischen
Absichten!) der Eingang in Preußen nicht gestattet wurde? —
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III.
Vermischte Nachrichte».

Preufiisch-Polen. — Georgi, Weidia's Inquisitor. — Gratsch. — Censor
Wenzel und Frciligrarh.

— Mit Widerwillen sieht man sich gezwungen, fortwährend von
Rußland zu reden; denn eS gibt nichts Peinlicheres, als gegen einen
solchen Feind die Formen der Höflichkeit und des Auslandes beobachten
zu müssen. Die Nachrichten aus dem slavischen Osten klingen wie die
Sagen von Bampvrcn und Währwölfen. Doch sind es keine Sagen.
Ein sehr gewiegter und besonnener Korrespondent der „Deutschen All¬
gemeinen" rollt uns (in der Nummer vom 29. Januar) ein Gemälde
des polnischen Elends auf, dessen Details wir nicht wiedergeben wollen.
Nußland zertritt die letzten zuckende» Reste polnischen Nationallcbcuö
und man weiß nicht, was bei diesem Verfahren gräßlicher ist: der
Zweck oder die Mittel. Selbst der rohe Constantin war gegen die
zartere polnische Natur nicht ganz so russisch wie gegen seine Russen;
jetzt aber wirft man sich, mit thierischer Lust an dem Ekel und Ent>
setzen seiner Beute, auf das wehrlose Volk, vor dessen Heldenmuth man
einst gezittert. Ingrimmig sieht man die großmüthige Schonung, de¬
ren die polnische Nationalität in Preußen genießt. Leider wirb die
Wiedereinführung des Cartelö von selbst nothwendig werden. Ru߬
land will aber mehr; russische Spione kommen, als Ueberläufer mas-
kirt, nach Posen und suchen das Volt zu Excessen und Emeuten zu
verhetzen, um der preußischen Regierung jene Schonung zu verleiden;
hoffentlich wird das nicht gelingen. Wir sind überzeugt, daß unsere
deutschen Regierungen das russische Nachevcrfahrcn entschieden verwer¬
fen. Und doch, warum hört mau von keiner diplomatischen Interven¬
tion, von keiner christlichen Verwendung? Ist Rußland so mächtig,
um dergleichen vornehm zurückweisen zu dürfe«? — Dazwischen tönen,
wie zum Hohn, die Hochzcitstrompctcn, täglich eine neue russisch-deut¬
sche Fürstcnvcrmählung verkündend. Das deutsche Volk ist uicht so
svusiblv, wie das französische, aber ein gutes Gedächtniß hat dasselbe.
Langsam bildet sich ein unauslöschlicher Haß und — er wird Früchte
trage».


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[0207] erscheinen zu dürfen? Oder wird das „vlacmschc Bclgic" daS Schick¬ sal der Grenzboten finden, denen (zur Unterstützung ihrer patriotischen Absichten!) der Eingang in Preußen nicht gestattet wurde? — '' III. Vermischte Nachrichte». Preufiisch-Polen. — Georgi, Weidia's Inquisitor. — Gratsch. — Censor Wenzel und Frciligrarh. — Mit Widerwillen sieht man sich gezwungen, fortwährend von Rußland zu reden; denn eS gibt nichts Peinlicheres, als gegen einen solchen Feind die Formen der Höflichkeit und des Auslandes beobachten zu müssen. Die Nachrichten aus dem slavischen Osten klingen wie die Sagen von Bampvrcn und Währwölfen. Doch sind es keine Sagen. Ein sehr gewiegter und besonnener Korrespondent der „Deutschen All¬ gemeinen" rollt uns (in der Nummer vom 29. Januar) ein Gemälde des polnischen Elends auf, dessen Details wir nicht wiedergeben wollen. Nußland zertritt die letzten zuckende» Reste polnischen Nationallcbcuö und man weiß nicht, was bei diesem Verfahren gräßlicher ist: der Zweck oder die Mittel. Selbst der rohe Constantin war gegen die zartere polnische Natur nicht ganz so russisch wie gegen seine Russen; jetzt aber wirft man sich, mit thierischer Lust an dem Ekel und Ent> setzen seiner Beute, auf das wehrlose Volk, vor dessen Heldenmuth man einst gezittert. Ingrimmig sieht man die großmüthige Schonung, de¬ ren die polnische Nationalität in Preußen genießt. Leider wirb die Wiedereinführung des Cartelö von selbst nothwendig werden. Ru߬ land will aber mehr; russische Spione kommen, als Ueberläufer mas- kirt, nach Posen und suchen das Volt zu Excessen und Emeuten zu verhetzen, um der preußischen Regierung jene Schonung zu verleiden; hoffentlich wird das nicht gelingen. Wir sind überzeugt, daß unsere deutschen Regierungen das russische Nachevcrfahrcn entschieden verwer¬ fen. Und doch, warum hört mau von keiner diplomatischen Interven¬ tion, von keiner christlichen Verwendung? Ist Rußland so mächtig, um dergleichen vornehm zurückweisen zu dürfe«? — Dazwischen tönen, wie zum Hohn, die Hochzcitstrompctcn, täglich eine neue russisch-deut¬ sche Fürstcnvcrmählung verkündend. Das deutsche Volk ist uicht so svusiblv, wie das französische, aber ein gutes Gedächtniß hat dasselbe. Langsam bildet sich ein unauslöschlicher Haß und — er wird Früchte trage».

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/207>, abgerufen am 17.06.2024.