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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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benie treten*). Solche Künstler werden wohl in der Technik noch
längere Zeit brauchen, bis sic mündig sind, allein ihr anStudicn ge¬
wohnter Geist treibt sie zu Compositionen, denen ein gewisser geisti¬
ger Gehalt nicht abzusprechen ist. "

Um auf die Wiener Akademie zurückzukommen, so erkennen wir
den Hauptfehler derselben darin, daß sie in einem jeden ihrer
Professoren ein ganz anderes Ziel verfolgt. ES ist keine
Einheit ihres Strebens sichtbar, wie wohl bei der Münchner und Düs¬
seldorfer Schule. Mit heiterer Theilnahme kann man daher in den
Sälen der Wiener Akademie, die oft mit aller Hitze geführten Ge¬
spräche zweier Parteien belauschen, Streitigkeiten, welche von den "Mo¬
dernen" (so heißen die Gegner derKlosterknnstlcr) gegen diese gewöhnlich
mit vielem Aufwand- von Witz und Satyre geführt und gewonnen
werden. Die "Klosterkünstlcr," was sind das eigentlich für Helden?
wird man fragen: rav sind diejenigen, die als unwürdige Nachfolger
und Partei eines der Professoren ohne die "Gnade Gottes" Nichts
thun -- die, ihren Meister blos in seinen Fehlern nachahmend, oft ihr
wirkliches Talent zu Grunde richten, und nur Feste und Messen ver¬
anstalten, wenn sie ein "verlorenes Schaf" wieder zurückgeführt und
gerettet haben. Ihr Oberhaupt, ein übrigens in früherer Zeit im
Heiligcnsiylc sehr bedeutender Künstler, dessen Blüthe jedoch vorbei ist,
um nicht wiederzukehren, hat in neuerer Zeit eine Lehrkanzel der Kunst-
theorie und Kompositionslehre erhalten"); wir sprechen es hier un¬
umwunden aus, zum größten Nachtheile der bildenden Kunst in Oester¬
reich. Um vor Allem nur Eines anzuführen, was von dem Ton die¬
ses Mannes einen Begriff gibt, sagen wir, daß er, anstatt seine Schü¬
ler auf den Fortschritt des Auslandes aufmerksam zu machen, oder
denselben ein gutes Buch anzurathen, mit ihnen eine Wallfahrt nach
Maria-Zell macht und öffentlich mit der Procession einzieht, wobei
der von jedem der Seinigen getragene Blumenstrauß den "Modernen"
ein willkommenes Schauspiel ist. Unter dem Vorwande, dem Fran-
zoseuthumc cntgegenznaröcitm, verbannen sic alle Wahrheit, Kühn¬
heit, allen Geschmack, kurz Alles, was nicht "heilig"(!) ist, aus dem
Bereiche der Kunst. O ihr weisen Daniele! ahntet ihr doch lieber




Das Studium der Geschichte ist an den österreichischen Universitäten
unodligat. Nur solche Studirende, welche vom Schulgelde befreit sein
wolle", müsse" den geschichtlichen Cursus durchmachen. Wen" nun geschicht¬
liche Kenntnisse schon unter den Studirende" zur Seltenheit gehören; wie erst
unter de" Malern! Bei einer jedesmaligen Kunstausstellung'in Wien singen
die wiener Journale Jcrcmiadtn über das Niedcrliegen historischer Kunst, als
ob's an den Malern allein läge. Der österreichische Studienplan ist die Wur¬
zel. An der Wiener Akademie gibt eß nicht ein Mal einen Lehrer der Ge¬
D. Red.
schichte. --
D. Red. "", Fuhrich!

benie treten*). Solche Künstler werden wohl in der Technik noch
längere Zeit brauchen, bis sic mündig sind, allein ihr anStudicn ge¬
wohnter Geist treibt sie zu Compositionen, denen ein gewisser geisti¬
ger Gehalt nicht abzusprechen ist. »

Um auf die Wiener Akademie zurückzukommen, so erkennen wir
den Hauptfehler derselben darin, daß sie in einem jeden ihrer
Professoren ein ganz anderes Ziel verfolgt. ES ist keine
Einheit ihres Strebens sichtbar, wie wohl bei der Münchner und Düs¬
seldorfer Schule. Mit heiterer Theilnahme kann man daher in den
Sälen der Wiener Akademie, die oft mit aller Hitze geführten Ge¬
spräche zweier Parteien belauschen, Streitigkeiten, welche von den „Mo¬
dernen" (so heißen die Gegner derKlosterknnstlcr) gegen diese gewöhnlich
mit vielem Aufwand- von Witz und Satyre geführt und gewonnen
werden. Die „Klosterkünstlcr," was sind das eigentlich für Helden?
wird man fragen: rav sind diejenigen, die als unwürdige Nachfolger
und Partei eines der Professoren ohne die „Gnade Gottes" Nichts
thun — die, ihren Meister blos in seinen Fehlern nachahmend, oft ihr
wirkliches Talent zu Grunde richten, und nur Feste und Messen ver¬
anstalten, wenn sie ein „verlorenes Schaf" wieder zurückgeführt und
gerettet haben. Ihr Oberhaupt, ein übrigens in früherer Zeit im
Heiligcnsiylc sehr bedeutender Künstler, dessen Blüthe jedoch vorbei ist,
um nicht wiederzukehren, hat in neuerer Zeit eine Lehrkanzel der Kunst-
theorie und Kompositionslehre erhalten"); wir sprechen es hier un¬
umwunden aus, zum größten Nachtheile der bildenden Kunst in Oester¬
reich. Um vor Allem nur Eines anzuführen, was von dem Ton die¬
ses Mannes einen Begriff gibt, sagen wir, daß er, anstatt seine Schü¬
ler auf den Fortschritt des Auslandes aufmerksam zu machen, oder
denselben ein gutes Buch anzurathen, mit ihnen eine Wallfahrt nach
Maria-Zell macht und öffentlich mit der Procession einzieht, wobei
der von jedem der Seinigen getragene Blumenstrauß den „Modernen"
ein willkommenes Schauspiel ist. Unter dem Vorwande, dem Fran-
zoseuthumc cntgegenznaröcitm, verbannen sic alle Wahrheit, Kühn¬
heit, allen Geschmack, kurz Alles, was nicht „heilig"(!) ist, aus dem
Bereiche der Kunst. O ihr weisen Daniele! ahntet ihr doch lieber




Das Studium der Geschichte ist an den österreichischen Universitäten
unodligat. Nur solche Studirende, welche vom Schulgelde befreit sein
wolle», müsse» den geschichtlichen Cursus durchmachen. Wen» nun geschicht¬
liche Kenntnisse schon unter den Studirende» zur Seltenheit gehören; wie erst
unter de» Malern! Bei einer jedesmaligen Kunstausstellung'in Wien singen
die wiener Journale Jcrcmiadtn über das Niedcrliegen historischer Kunst, als
ob's an den Malern allein läge. Der österreichische Studienplan ist die Wur¬
zel. An der Wiener Akademie gibt eß nicht ein Mal einen Lehrer der Ge¬
D. Red.
schichte. —
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[0229] benie treten*). Solche Künstler werden wohl in der Technik noch längere Zeit brauchen, bis sic mündig sind, allein ihr anStudicn ge¬ wohnter Geist treibt sie zu Compositionen, denen ein gewisser geisti¬ ger Gehalt nicht abzusprechen ist. » Um auf die Wiener Akademie zurückzukommen, so erkennen wir den Hauptfehler derselben darin, daß sie in einem jeden ihrer Professoren ein ganz anderes Ziel verfolgt. ES ist keine Einheit ihres Strebens sichtbar, wie wohl bei der Münchner und Düs¬ seldorfer Schule. Mit heiterer Theilnahme kann man daher in den Sälen der Wiener Akademie, die oft mit aller Hitze geführten Ge¬ spräche zweier Parteien belauschen, Streitigkeiten, welche von den „Mo¬ dernen" (so heißen die Gegner derKlosterknnstlcr) gegen diese gewöhnlich mit vielem Aufwand- von Witz und Satyre geführt und gewonnen werden. Die „Klosterkünstlcr," was sind das eigentlich für Helden? wird man fragen: rav sind diejenigen, die als unwürdige Nachfolger und Partei eines der Professoren ohne die „Gnade Gottes" Nichts thun — die, ihren Meister blos in seinen Fehlern nachahmend, oft ihr wirkliches Talent zu Grunde richten, und nur Feste und Messen ver¬ anstalten, wenn sie ein „verlorenes Schaf" wieder zurückgeführt und gerettet haben. Ihr Oberhaupt, ein übrigens in früherer Zeit im Heiligcnsiylc sehr bedeutender Künstler, dessen Blüthe jedoch vorbei ist, um nicht wiederzukehren, hat in neuerer Zeit eine Lehrkanzel der Kunst- theorie und Kompositionslehre erhalten"); wir sprechen es hier un¬ umwunden aus, zum größten Nachtheile der bildenden Kunst in Oester¬ reich. Um vor Allem nur Eines anzuführen, was von dem Ton die¬ ses Mannes einen Begriff gibt, sagen wir, daß er, anstatt seine Schü¬ ler auf den Fortschritt des Auslandes aufmerksam zu machen, oder denselben ein gutes Buch anzurathen, mit ihnen eine Wallfahrt nach Maria-Zell macht und öffentlich mit der Procession einzieht, wobei der von jedem der Seinigen getragene Blumenstrauß den „Modernen" ein willkommenes Schauspiel ist. Unter dem Vorwande, dem Fran- zoseuthumc cntgegenznaröcitm, verbannen sic alle Wahrheit, Kühn¬ heit, allen Geschmack, kurz Alles, was nicht „heilig"(!) ist, aus dem Bereiche der Kunst. O ihr weisen Daniele! ahntet ihr doch lieber Das Studium der Geschichte ist an den österreichischen Universitäten unodligat. Nur solche Studirende, welche vom Schulgelde befreit sein wolle», müsse» den geschichtlichen Cursus durchmachen. Wen» nun geschicht¬ liche Kenntnisse schon unter den Studirende» zur Seltenheit gehören; wie erst unter de» Malern! Bei einer jedesmaligen Kunstausstellung'in Wien singen die wiener Journale Jcrcmiadtn über das Niedcrliegen historischer Kunst, als ob's an den Malern allein läge. Der österreichische Studienplan ist die Wur¬ zel. An der Wiener Akademie gibt eß nicht ein Mal einen Lehrer der Ge¬ D. Red. schichte. — D. Red. »», Fuhrich!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/229>, abgerufen am 17.06.2024.