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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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aus dem Evangelio stammt, eiferte. nicht viel besser geht es in
Wie" noch jetzt zu. Die Vorsteher und Professoren der Akademie
sind zu Allem auf 5er Welt mehr geeignet, als zu Vorstehern und
Professoren einer so mächtigen Anstalt. Um uns übrigens den Leser"
gegenüber vor dem Verdachte einer Verleumdung zu bewahre",
lassen wir bei allen österreichischen Künstler", die wir hier an¬
führen, statt des Lobes oder Tadels, ihre Werke selbst sprechen;
der eine, ein sehr einflußreicher Man", malt seit mehrere" Jah-
reir Nichts als AhaSvcrnssc. El" Anderer macht lauter 49 bis W
Fuß hohe "Mariä Himmelfahrt." Um den Mangel an Neuheit, Er¬
findung, Großartigkeit, Tiefe und Poesie bei ihnen am deutlichsten
zu fühlen, muß man in Wien eine Atclicrsschau vorgcnommc" habe",
und hierauf das Gesehene berichten und aufschreiben wollen. Wenn
man auch in den Ateliers oft wirklich sehr Viel n"d Vieles zu scheu
glaubt, und man ist aus dem Hause fort, und wird gefragt: Was hast
Du gesehn"? so weiß man Nichts zu sagen, alö: Bei habe ich
ein schönes Gesicht und schöne Hände, bei L. einige schöne Bäume,
bei einige recht lebendige Figürchen gesehen.

Als eine angenehme Neuigkeit ist zu berichten, daß der Zwang,
den die Wiener Akademie ihren Zöglingen bisher angelegt hat, morsch
zu werden anfängt, und daß die starke Natur einiger, durch die frische
freie, aus dem Auslande hereinwchendc Luft begeisterten jungen Oester-
reicher die beengenden Schranken einer blinden Nachtrcterci der alten
Italiener bereits triumphirend durchbrochen und auf dem imposan¬
ten Schlachtfelde der Geschichte und dramatischen Kunst, kühn ihr ju¬
gendliches Panner aufzuschlagen anfängt. Die Akademie ist nicht mehr
ini Stande, diese Scharte ihrer crzkatholischen Richtung auszuwetzen,
und die untereinander sympathisirenden freien Vögel der jungen Künst-
lerwelt wieder in ihrem alten Käfig einzufangen.
'

Wenn je Schillers Worte: Kein Augustisch Alter blühte u. s. w.,
an ihrem Platze Ware", so sind sie es in Bezug auf die bildende Kunst
in Oesterreich. ES ist wahrlich betrübend, wie wenig Oesterreichs für
die Seinen sonst so besorgtes Kaiserhaus in diesem Fache thut, höch¬
stens daß es einige Pensionäre nach Rom schickt und alle drei Jahre
den sogenannten Kaiscrprcis aussetzt, zu den, es aber den Stoff selbst
""gibt -- der gewöhnlich von der Akademie vorgeschlagen wird und
anch immer gut akademisch aussieht.

Was eine bedeutende Ursache des "Langsam voran" der öster-
reichischen Kunst war, ist die geringe wtsseuschaftlichc Grundlage ihrer
Künstler und derjenigen jungen Leute, die sich der Kunst widmeten.
Sehr glücklich können in dieser Beziehung jene jungen Leute wirke",
welche, wie in neuester Zeit oft geschah, nachdem sie mehrere Jahre an
der Wiener Hochschule studirten, aus Noth einer seit frühester Jugend
beibehaltenen Vorliebe für die Kunst nachgeben, indem sie in die Aka-


aus dem Evangelio stammt, eiferte. nicht viel besser geht es in
Wie» noch jetzt zu. Die Vorsteher und Professoren der Akademie
sind zu Allem auf 5er Welt mehr geeignet, als zu Vorstehern und
Professoren einer so mächtigen Anstalt. Um uns übrigens den Leser»
gegenüber vor dem Verdachte einer Verleumdung zu bewahre»,
lassen wir bei allen österreichischen Künstler», die wir hier an¬
führen, statt des Lobes oder Tadels, ihre Werke selbst sprechen;
der eine, ein sehr einflußreicher Man», malt seit mehrere» Jah-
reir Nichts als AhaSvcrnssc. El» Anderer macht lauter 49 bis W
Fuß hohe „Mariä Himmelfahrt." Um den Mangel an Neuheit, Er¬
findung, Großartigkeit, Tiefe und Poesie bei ihnen am deutlichsten
zu fühlen, muß man in Wien eine Atclicrsschau vorgcnommc» habe»,
und hierauf das Gesehene berichten und aufschreiben wollen. Wenn
man auch in den Ateliers oft wirklich sehr Viel n»d Vieles zu scheu
glaubt, und man ist aus dem Hause fort, und wird gefragt: Was hast
Du gesehn»? so weiß man Nichts zu sagen, alö: Bei habe ich
ein schönes Gesicht und schöne Hände, bei L. einige schöne Bäume,
bei einige recht lebendige Figürchen gesehen.

Als eine angenehme Neuigkeit ist zu berichten, daß der Zwang,
den die Wiener Akademie ihren Zöglingen bisher angelegt hat, morsch
zu werden anfängt, und daß die starke Natur einiger, durch die frische
freie, aus dem Auslande hereinwchendc Luft begeisterten jungen Oester-
reicher die beengenden Schranken einer blinden Nachtrcterci der alten
Italiener bereits triumphirend durchbrochen und auf dem imposan¬
ten Schlachtfelde der Geschichte und dramatischen Kunst, kühn ihr ju¬
gendliches Panner aufzuschlagen anfängt. Die Akademie ist nicht mehr
ini Stande, diese Scharte ihrer crzkatholischen Richtung auszuwetzen,
und die untereinander sympathisirenden freien Vögel der jungen Künst-
lerwelt wieder in ihrem alten Käfig einzufangen.
'

Wenn je Schillers Worte: Kein Augustisch Alter blühte u. s. w.,
an ihrem Platze Ware«, so sind sie es in Bezug auf die bildende Kunst
in Oesterreich. ES ist wahrlich betrübend, wie wenig Oesterreichs für
die Seinen sonst so besorgtes Kaiserhaus in diesem Fache thut, höch¬
stens daß es einige Pensionäre nach Rom schickt und alle drei Jahre
den sogenannten Kaiscrprcis aussetzt, zu den, es aber den Stoff selbst
«»gibt — der gewöhnlich von der Akademie vorgeschlagen wird und
anch immer gut akademisch aussieht.

Was eine bedeutende Ursache des „Langsam voran" der öster-
reichischen Kunst war, ist die geringe wtsseuschaftlichc Grundlage ihrer
Künstler und derjenigen jungen Leute, die sich der Kunst widmeten.
Sehr glücklich können in dieser Beziehung jene jungen Leute wirke»,
welche, wie in neuester Zeit oft geschah, nachdem sie mehrere Jahre an
der Wiener Hochschule studirten, aus Noth einer seit frühester Jugend
beibehaltenen Vorliebe für die Kunst nachgeben, indem sie in die Aka-


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[0228] aus dem Evangelio stammt, eiferte. nicht viel besser geht es in Wie» noch jetzt zu. Die Vorsteher und Professoren der Akademie sind zu Allem auf 5er Welt mehr geeignet, als zu Vorstehern und Professoren einer so mächtigen Anstalt. Um uns übrigens den Leser» gegenüber vor dem Verdachte einer Verleumdung zu bewahre», lassen wir bei allen österreichischen Künstler», die wir hier an¬ führen, statt des Lobes oder Tadels, ihre Werke selbst sprechen; der eine, ein sehr einflußreicher Man», malt seit mehrere» Jah- reir Nichts als AhaSvcrnssc. El» Anderer macht lauter 49 bis W Fuß hohe „Mariä Himmelfahrt." Um den Mangel an Neuheit, Er¬ findung, Großartigkeit, Tiefe und Poesie bei ihnen am deutlichsten zu fühlen, muß man in Wien eine Atclicrsschau vorgcnommc» habe», und hierauf das Gesehene berichten und aufschreiben wollen. Wenn man auch in den Ateliers oft wirklich sehr Viel n»d Vieles zu scheu glaubt, und man ist aus dem Hause fort, und wird gefragt: Was hast Du gesehn»? so weiß man Nichts zu sagen, alö: Bei habe ich ein schönes Gesicht und schöne Hände, bei L. einige schöne Bäume, bei einige recht lebendige Figürchen gesehen. Als eine angenehme Neuigkeit ist zu berichten, daß der Zwang, den die Wiener Akademie ihren Zöglingen bisher angelegt hat, morsch zu werden anfängt, und daß die starke Natur einiger, durch die frische freie, aus dem Auslande hereinwchendc Luft begeisterten jungen Oester- reicher die beengenden Schranken einer blinden Nachtrcterci der alten Italiener bereits triumphirend durchbrochen und auf dem imposan¬ ten Schlachtfelde der Geschichte und dramatischen Kunst, kühn ihr ju¬ gendliches Panner aufzuschlagen anfängt. Die Akademie ist nicht mehr ini Stande, diese Scharte ihrer crzkatholischen Richtung auszuwetzen, und die untereinander sympathisirenden freien Vögel der jungen Künst- lerwelt wieder in ihrem alten Käfig einzufangen. ' Wenn je Schillers Worte: Kein Augustisch Alter blühte u. s. w., an ihrem Platze Ware«, so sind sie es in Bezug auf die bildende Kunst in Oesterreich. ES ist wahrlich betrübend, wie wenig Oesterreichs für die Seinen sonst so besorgtes Kaiserhaus in diesem Fache thut, höch¬ stens daß es einige Pensionäre nach Rom schickt und alle drei Jahre den sogenannten Kaiscrprcis aussetzt, zu den, es aber den Stoff selbst «»gibt — der gewöhnlich von der Akademie vorgeschlagen wird und anch immer gut akademisch aussieht. Was eine bedeutende Ursache des „Langsam voran" der öster- reichischen Kunst war, ist die geringe wtsseuschaftlichc Grundlage ihrer Künstler und derjenigen jungen Leute, die sich der Kunst widmeten. Sehr glücklich können in dieser Beziehung jene jungen Leute wirke», welche, wie in neuester Zeit oft geschah, nachdem sie mehrere Jahre an der Wiener Hochschule studirten, aus Noth einer seit frühester Jugend beibehaltenen Vorliebe für die Kunst nachgeben, indem sie in die Aka-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/228>, abgerufen am 17.06.2024.