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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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zeihe" will, sondern den Beleidiger von den Criminalgerichtm bestra¬
fen, auf die Frohnveste schicken läßt. Nimmt doch der gewöhnlichste
Privatmann eine Abbitte nur unter der Bedingung an, daß er die
ihm angethane Kränkung vergeben will. --

-- Eine Berliner Zeitung vergleicht die Erneuerung des Schwa-
ncnvrdenS mit der Verkündigung der frohen Botschaft (des Evan¬
geliums) und spricht überhaupt in sehr hochklingenden, mysteriösen
Nebclqualm- und Wcihrauchphrascn von diesem Ereigniß, welches den
Eintritt in eine funkelnagelneue "Epoche," eine neue "Aera" :c. be¬
deute. Für das profane Volk wirft der Berliner Prophet übrigens
die Bemerkung hin, daß der Schwancnorden eine That sei, deren
Bedeutung selbst dann, wenn die Statuten auch veröffentlicht sein
würden, schwerlich von irdischen Geistern schon in diesem Zeitalter,
ja vielleicht auch von der Nachwelt noch nicht verstanden oder gar er¬
gründet werden dürfte. Das heißt, man solle sich ja kein vorwitziges
Urtheil über diese neue Offenbarung erlauben. Wir nehmen also den
Zeitungsschreiber, der hoffentlich ein irdischer Geist ist, beim Wort und
glauben, daß er von der Sache auch Nichts versteht, Bon andern
Seiten hört man, daß die Realisirung des SchwcrncnordenS bis auf
Weiteres verschoben sei.

-- Der Karneval in den Rheinstädten soll dieses Jahr etwas
trübselig ausfallen; man flüstert sogar von büreaukratischen Einflüssen,
welche in den moussircndcn Becher der Freude niederschlagende Pül-
vcrchcn, Ahnungen künftigen Katzenjammers hätten fallen lassen. Nur
die "Narrhalla" (von Kalisch in Mainz) scheint sich von diesen Win-
tcrncbcln nicht anfechten zu lassen. Sie ist voll göttlicher Narrheit,
ein guter Witz jagt den Andern, und bei aller politischen Keckheit ist
ihr bis zur vierten Lieferung nichts Menschliches oder vielmehr Poli¬
zeiliches passirt.

-- In der Unterhaltungsliteratur lautet die Losung noch
immer: Geheimnisse! Angekündigt sind seit einiger Zeit Geheimnisse
von Wien, von Berlin, von London von Neu-Uork, von Moskau,
von Konstantinopel :c. Wer die Mysterien von nur einer dieser
Städte enthüllen könnte, hätte viel gethan. Ein Berliner Schriftsteller
will die Geheimnisse der Schelling'sehen Philosophie herausgeben.
Wirkliche Geheimnisse wären jetzt in Posen zu entdecken, wo man
trotz aller berichtigenden, beruhigenden, läugncnden und erklärenden
Zeitungsartikel über die letzten Verhaftungen noch immer nicht weiß,
woran man ist.

-- Gestorben ist Sir Francis Burdctt, einer der berühm¬
testen ,Fiocl"mwender" Englands. -- Bernadotte, der glücklichste von


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zeihe» will, sondern den Beleidiger von den Criminalgerichtm bestra¬
fen, auf die Frohnveste schicken läßt. Nimmt doch der gewöhnlichste
Privatmann eine Abbitte nur unter der Bedingung an, daß er die
ihm angethane Kränkung vergeben will. —

— Eine Berliner Zeitung vergleicht die Erneuerung des Schwa-
ncnvrdenS mit der Verkündigung der frohen Botschaft (des Evan¬
geliums) und spricht überhaupt in sehr hochklingenden, mysteriösen
Nebclqualm- und Wcihrauchphrascn von diesem Ereigniß, welches den
Eintritt in eine funkelnagelneue „Epoche," eine neue „Aera" :c. be¬
deute. Für das profane Volk wirft der Berliner Prophet übrigens
die Bemerkung hin, daß der Schwancnorden eine That sei, deren
Bedeutung selbst dann, wenn die Statuten auch veröffentlicht sein
würden, schwerlich von irdischen Geistern schon in diesem Zeitalter,
ja vielleicht auch von der Nachwelt noch nicht verstanden oder gar er¬
gründet werden dürfte. Das heißt, man solle sich ja kein vorwitziges
Urtheil über diese neue Offenbarung erlauben. Wir nehmen also den
Zeitungsschreiber, der hoffentlich ein irdischer Geist ist, beim Wort und
glauben, daß er von der Sache auch Nichts versteht, Bon andern
Seiten hört man, daß die Realisirung des SchwcrncnordenS bis auf
Weiteres verschoben sei.

— Der Karneval in den Rheinstädten soll dieses Jahr etwas
trübselig ausfallen; man flüstert sogar von büreaukratischen Einflüssen,
welche in den moussircndcn Becher der Freude niederschlagende Pül-
vcrchcn, Ahnungen künftigen Katzenjammers hätten fallen lassen. Nur
die „Narrhalla" (von Kalisch in Mainz) scheint sich von diesen Win-
tcrncbcln nicht anfechten zu lassen. Sie ist voll göttlicher Narrheit,
ein guter Witz jagt den Andern, und bei aller politischen Keckheit ist
ihr bis zur vierten Lieferung nichts Menschliches oder vielmehr Poli¬
zeiliches passirt.

— In der Unterhaltungsliteratur lautet die Losung noch
immer: Geheimnisse! Angekündigt sind seit einiger Zeit Geheimnisse
von Wien, von Berlin, von London von Neu-Uork, von Moskau,
von Konstantinopel :c. Wer die Mysterien von nur einer dieser
Städte enthüllen könnte, hätte viel gethan. Ein Berliner Schriftsteller
will die Geheimnisse der Schelling'sehen Philosophie herausgeben.
Wirkliche Geheimnisse wären jetzt in Posen zu entdecken, wo man
trotz aller berichtigenden, beruhigenden, läugncnden und erklärenden
Zeitungsartikel über die letzten Verhaftungen noch immer nicht weiß,
woran man ist.

— Gestorben ist Sir Francis Burdctt, einer der berühm¬
testen ,Fiocl»mwender" Englands. — Bernadotte, der glücklichste von


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[0235] zeihe» will, sondern den Beleidiger von den Criminalgerichtm bestra¬ fen, auf die Frohnveste schicken läßt. Nimmt doch der gewöhnlichste Privatmann eine Abbitte nur unter der Bedingung an, daß er die ihm angethane Kränkung vergeben will. — — Eine Berliner Zeitung vergleicht die Erneuerung des Schwa- ncnvrdenS mit der Verkündigung der frohen Botschaft (des Evan¬ geliums) und spricht überhaupt in sehr hochklingenden, mysteriösen Nebclqualm- und Wcihrauchphrascn von diesem Ereigniß, welches den Eintritt in eine funkelnagelneue „Epoche," eine neue „Aera" :c. be¬ deute. Für das profane Volk wirft der Berliner Prophet übrigens die Bemerkung hin, daß der Schwancnorden eine That sei, deren Bedeutung selbst dann, wenn die Statuten auch veröffentlicht sein würden, schwerlich von irdischen Geistern schon in diesem Zeitalter, ja vielleicht auch von der Nachwelt noch nicht verstanden oder gar er¬ gründet werden dürfte. Das heißt, man solle sich ja kein vorwitziges Urtheil über diese neue Offenbarung erlauben. Wir nehmen also den Zeitungsschreiber, der hoffentlich ein irdischer Geist ist, beim Wort und glauben, daß er von der Sache auch Nichts versteht, Bon andern Seiten hört man, daß die Realisirung des SchwcrncnordenS bis auf Weiteres verschoben sei. — Der Karneval in den Rheinstädten soll dieses Jahr etwas trübselig ausfallen; man flüstert sogar von büreaukratischen Einflüssen, welche in den moussircndcn Becher der Freude niederschlagende Pül- vcrchcn, Ahnungen künftigen Katzenjammers hätten fallen lassen. Nur die „Narrhalla" (von Kalisch in Mainz) scheint sich von diesen Win- tcrncbcln nicht anfechten zu lassen. Sie ist voll göttlicher Narrheit, ein guter Witz jagt den Andern, und bei aller politischen Keckheit ist ihr bis zur vierten Lieferung nichts Menschliches oder vielmehr Poli¬ zeiliches passirt. — In der Unterhaltungsliteratur lautet die Losung noch immer: Geheimnisse! Angekündigt sind seit einiger Zeit Geheimnisse von Wien, von Berlin, von London von Neu-Uork, von Moskau, von Konstantinopel :c. Wer die Mysterien von nur einer dieser Städte enthüllen könnte, hätte viel gethan. Ein Berliner Schriftsteller will die Geheimnisse der Schelling'sehen Philosophie herausgeben. Wirkliche Geheimnisse wären jetzt in Posen zu entdecken, wo man trotz aller berichtigenden, beruhigenden, läugncnden und erklärenden Zeitungsartikel über die letzten Verhaftungen noch immer nicht weiß, woran man ist. — Gestorben ist Sir Francis Burdctt, einer der berühm¬ testen ,Fiocl»mwender" Englands. — Bernadotte, der glücklichste von 305

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/235>, abgerufen am 17.06.2024.