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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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nahten Local aus alle diese zierlichen, feinen Herrchen, diese Zöglinge
und Schooßkinder der noblen Berliner Gesellschaft, innerhalb ihrer
bekannt und mit einer Wichtigkeit genannt, als seien es berühmte
Namen? Dieser Art waren die Männer, mit denen Herr C. auf so
vertrautem Fuße stand, daß sie nicht blos seine Gesellschaften, sondern,
wie ich vernahm, auch mehrere Male in der Woche sein Haus be¬
suchten. Das erste Thema ihres Gesprächs war ein gestriger Ball
bei einem Gesandten, von dem sie viel Ausführliches zu erzählen
wußten. Unterdeß war die übrige Gesellschaft angelangt, fast lauter
vornehme Ausländer, auch verschiedene Mütter mit Töchtern, und
wir saßen nun, wohl achtzehn Personen, in einem großen Halbkreis
um Sopha und Tisch herum. Man sprach von allerhand mir unbe¬
kannten Verhältnissen und Personen, von Moden, Toiletten und Meu-
beln, wobei Herr C. seine bewundernswerthe Kenntniß der weiblichen
Toilette entwickelte und, begeistert durch das Lob, welches man dem
neuen Pariser Mantel seiner Frau spendete, sich mit Wärme über
Schnitt und Stoff desselben verbreitete. Alles war übrigens, wie
um ein seltenes Gericht, um die vornehmen Herren beschäftigt, in de¬
ren Nähe man auch die jungen Damen placirt hatte; um mich, der
ich wohl ein Fremder, aber kein Franzose oder Engländer war und
nothwendig bei diesen Gesprächen eine schlechte Rolle spielen mußte,
bekümmerte sich Niemand. Das Gespräch fing bald an zu stocken
und Herr C., der ewig geschäftige, liebenswürdige Wirth, setzte sich
ans Clavier, sang mit noch ziemlich kräftigem Baß eine Arie
und spielte darauf mit einer jungen Dame, die man durch das Lob
ihrer französischen Aussprache schon vorher in die Verlegenheit ver¬
setzt hatte, ihre Bescheidenheit zu zeigen, die Ouvertüre zu den Hu¬
genotten. Man zollte seinen enthusiastischen Beifall und schickte sich
nun zu einem Contretanz an, führte, als auch dieser vorüber war,
noch einige französische Sprüchwörter auf, setzte sich dann zu Tische
und empfahl sich gleich nachher. Als ich das Haus hinter mir hatte,
stand ich, noch ganz verwirrt, still und athmete zum ersten Male wie¬
der auf. Das wären also die Amüsements der noblen Berliner
Bourgeoisie! Ich hatte eine Gesellschaft von Menschen erwartet und
Nichts gefunden, als ein Paar adlige Puppen, um die sich der übrige
Kreis mit wahrhaft hündischer Zuvorkommenheit bewegte, einige ge¬
putzte arrogante Weiber, die Unsinn schwatzten, und junge Mädchen,


nahten Local aus alle diese zierlichen, feinen Herrchen, diese Zöglinge
und Schooßkinder der noblen Berliner Gesellschaft, innerhalb ihrer
bekannt und mit einer Wichtigkeit genannt, als seien es berühmte
Namen? Dieser Art waren die Männer, mit denen Herr C. auf so
vertrautem Fuße stand, daß sie nicht blos seine Gesellschaften, sondern,
wie ich vernahm, auch mehrere Male in der Woche sein Haus be¬
suchten. Das erste Thema ihres Gesprächs war ein gestriger Ball
bei einem Gesandten, von dem sie viel Ausführliches zu erzählen
wußten. Unterdeß war die übrige Gesellschaft angelangt, fast lauter
vornehme Ausländer, auch verschiedene Mütter mit Töchtern, und
wir saßen nun, wohl achtzehn Personen, in einem großen Halbkreis
um Sopha und Tisch herum. Man sprach von allerhand mir unbe¬
kannten Verhältnissen und Personen, von Moden, Toiletten und Meu-
beln, wobei Herr C. seine bewundernswerthe Kenntniß der weiblichen
Toilette entwickelte und, begeistert durch das Lob, welches man dem
neuen Pariser Mantel seiner Frau spendete, sich mit Wärme über
Schnitt und Stoff desselben verbreitete. Alles war übrigens, wie
um ein seltenes Gericht, um die vornehmen Herren beschäftigt, in de¬
ren Nähe man auch die jungen Damen placirt hatte; um mich, der
ich wohl ein Fremder, aber kein Franzose oder Engländer war und
nothwendig bei diesen Gesprächen eine schlechte Rolle spielen mußte,
bekümmerte sich Niemand. Das Gespräch fing bald an zu stocken
und Herr C., der ewig geschäftige, liebenswürdige Wirth, setzte sich
ans Clavier, sang mit noch ziemlich kräftigem Baß eine Arie
und spielte darauf mit einer jungen Dame, die man durch das Lob
ihrer französischen Aussprache schon vorher in die Verlegenheit ver¬
setzt hatte, ihre Bescheidenheit zu zeigen, die Ouvertüre zu den Hu¬
genotten. Man zollte seinen enthusiastischen Beifall und schickte sich
nun zu einem Contretanz an, führte, als auch dieser vorüber war,
noch einige französische Sprüchwörter auf, setzte sich dann zu Tische
und empfahl sich gleich nachher. Als ich das Haus hinter mir hatte,
stand ich, noch ganz verwirrt, still und athmete zum ersten Male wie¬
der auf. Das wären also die Amüsements der noblen Berliner
Bourgeoisie! Ich hatte eine Gesellschaft von Menschen erwartet und
Nichts gefunden, als ein Paar adlige Puppen, um die sich der übrige
Kreis mit wahrhaft hündischer Zuvorkommenheit bewegte, einige ge¬
putzte arrogante Weiber, die Unsinn schwatzten, und junge Mädchen,


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[0241] nahten Local aus alle diese zierlichen, feinen Herrchen, diese Zöglinge und Schooßkinder der noblen Berliner Gesellschaft, innerhalb ihrer bekannt und mit einer Wichtigkeit genannt, als seien es berühmte Namen? Dieser Art waren die Männer, mit denen Herr C. auf so vertrautem Fuße stand, daß sie nicht blos seine Gesellschaften, sondern, wie ich vernahm, auch mehrere Male in der Woche sein Haus be¬ suchten. Das erste Thema ihres Gesprächs war ein gestriger Ball bei einem Gesandten, von dem sie viel Ausführliches zu erzählen wußten. Unterdeß war die übrige Gesellschaft angelangt, fast lauter vornehme Ausländer, auch verschiedene Mütter mit Töchtern, und wir saßen nun, wohl achtzehn Personen, in einem großen Halbkreis um Sopha und Tisch herum. Man sprach von allerhand mir unbe¬ kannten Verhältnissen und Personen, von Moden, Toiletten und Meu- beln, wobei Herr C. seine bewundernswerthe Kenntniß der weiblichen Toilette entwickelte und, begeistert durch das Lob, welches man dem neuen Pariser Mantel seiner Frau spendete, sich mit Wärme über Schnitt und Stoff desselben verbreitete. Alles war übrigens, wie um ein seltenes Gericht, um die vornehmen Herren beschäftigt, in de¬ ren Nähe man auch die jungen Damen placirt hatte; um mich, der ich wohl ein Fremder, aber kein Franzose oder Engländer war und nothwendig bei diesen Gesprächen eine schlechte Rolle spielen mußte, bekümmerte sich Niemand. Das Gespräch fing bald an zu stocken und Herr C., der ewig geschäftige, liebenswürdige Wirth, setzte sich ans Clavier, sang mit noch ziemlich kräftigem Baß eine Arie und spielte darauf mit einer jungen Dame, die man durch das Lob ihrer französischen Aussprache schon vorher in die Verlegenheit ver¬ setzt hatte, ihre Bescheidenheit zu zeigen, die Ouvertüre zu den Hu¬ genotten. Man zollte seinen enthusiastischen Beifall und schickte sich nun zu einem Contretanz an, führte, als auch dieser vorüber war, noch einige französische Sprüchwörter auf, setzte sich dann zu Tische und empfahl sich gleich nachher. Als ich das Haus hinter mir hatte, stand ich, noch ganz verwirrt, still und athmete zum ersten Male wie¬ der auf. Das wären also die Amüsements der noblen Berliner Bourgeoisie! Ich hatte eine Gesellschaft von Menschen erwartet und Nichts gefunden, als ein Paar adlige Puppen, um die sich der übrige Kreis mit wahrhaft hündischer Zuvorkommenheit bewegte, einige ge¬ putzte arrogante Weiber, die Unsinn schwatzten, und junge Mädchen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/241>, abgerufen am 17.06.2024.