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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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pfcmgen. Beide waren schon in voller Toilette, Herr C., ein kleiner,
untersetzter, sehr beweglicher Mann, Madame C., eine im zweiten
Stadium befindliche Schönheit. Das Gespräch war nach einigen
überwundenen Schwierigkeiten so ziemlich im Gange; ich wurde Dies
und Jenes gefragt, nach meiner Heimath, wie mir Berlin gefalle, ob
ich schon Bekanntschaften gemacht, ob ich gern tanze und Gesellschaf¬
ten besuche; sie stellten mir ihre Kinder vor, präsentirten mir ihr ehe¬
liches Glück, indem sie sich gegenseitig "mein Herz" und "mein En¬
gel" titulirten, erzählten mir, wie es für anständige Leute durchaus
nicht schicklich sei, die öffentlichen Locale, von denen ich sprach, zu be¬
suchen, wie fein und nobel man hier in den häuslichen Kreisen lebe,
wie man sich da genugsam amüsire, und luden mich beim Weggehen
ein, sie heute Abend gleich zu einer kleinen Gesellschaft zu besuchen.

Ich kann nicht sagen, daß die Leute einen schlechten Eindruck
auf mich gemacht hätten; hatte auch die Glasur nicht gefehlt, so war
sie doch durch die eigene Behausung und den Empfehlungsbrief et¬
was verwischt; und ich war durch meine fortwährende Einsamkeit in
zu trüber Stimmung, als daß mich nicht ein freundliches Wort auf
Augenblicke hätte erheitern sollen. In der frommen Hoffnung also,
der Familie bald näher zu rücken, verfügte ich mich des Abends in
die Soiree des Herrn C.

Ich kam zu früh in dem elegant erleuchteten Salon an. Herr
C. war noch mit den Arrangements beschäftigt, Madame C. stellte
mich mit feierlicher Gesellschaftsmiene zwei etwas ältlichen Jungfrauen
vor, die, nachdem ich mich gesetzt hatte, sogleich ihr früheres Gespräch
wieder fortsetzten und sich über die besondern Eigenthümlichkeiten der
zu erwartenden adligen und hochadligen Gäste anstießen. Die Toi¬
lette des einen sei geschmackvoller, als die des andern, dieser sei da¬
für liebenswürdig und gar nicht stolz, der habe etwas Fürstliches in
seinem Wesen, jener sei geistreich und charmant. Ich saß natürlich,
da ich diese Leute nicht einmal dem Namen nach kannte, stumm auf
meinem Stuhl. Madame C., die mich wahrscheinlich unterhalten
und mir brillante Aussichten eröffnen wollte, sagte: "Sie werden diese
Herren noch alle heute kennen lernen." Bald öffnete sich auch die
Thür und, von Herrn C. geführt, erschienen mehrere dieser Grafen
und Barone in feinster Salontracht. Wer, der einmal längere Zeit
jn Berlin gewesen, kennt nicht von Kranzler oder sonst einem fashio-


pfcmgen. Beide waren schon in voller Toilette, Herr C., ein kleiner,
untersetzter, sehr beweglicher Mann, Madame C., eine im zweiten
Stadium befindliche Schönheit. Das Gespräch war nach einigen
überwundenen Schwierigkeiten so ziemlich im Gange; ich wurde Dies
und Jenes gefragt, nach meiner Heimath, wie mir Berlin gefalle, ob
ich schon Bekanntschaften gemacht, ob ich gern tanze und Gesellschaf¬
ten besuche; sie stellten mir ihre Kinder vor, präsentirten mir ihr ehe¬
liches Glück, indem sie sich gegenseitig „mein Herz" und „mein En¬
gel" titulirten, erzählten mir, wie es für anständige Leute durchaus
nicht schicklich sei, die öffentlichen Locale, von denen ich sprach, zu be¬
suchen, wie fein und nobel man hier in den häuslichen Kreisen lebe,
wie man sich da genugsam amüsire, und luden mich beim Weggehen
ein, sie heute Abend gleich zu einer kleinen Gesellschaft zu besuchen.

Ich kann nicht sagen, daß die Leute einen schlechten Eindruck
auf mich gemacht hätten; hatte auch die Glasur nicht gefehlt, so war
sie doch durch die eigene Behausung und den Empfehlungsbrief et¬
was verwischt; und ich war durch meine fortwährende Einsamkeit in
zu trüber Stimmung, als daß mich nicht ein freundliches Wort auf
Augenblicke hätte erheitern sollen. In der frommen Hoffnung also,
der Familie bald näher zu rücken, verfügte ich mich des Abends in
die Soiree des Herrn C.

Ich kam zu früh in dem elegant erleuchteten Salon an. Herr
C. war noch mit den Arrangements beschäftigt, Madame C. stellte
mich mit feierlicher Gesellschaftsmiene zwei etwas ältlichen Jungfrauen
vor, die, nachdem ich mich gesetzt hatte, sogleich ihr früheres Gespräch
wieder fortsetzten und sich über die besondern Eigenthümlichkeiten der
zu erwartenden adligen und hochadligen Gäste anstießen. Die Toi¬
lette des einen sei geschmackvoller, als die des andern, dieser sei da¬
für liebenswürdig und gar nicht stolz, der habe etwas Fürstliches in
seinem Wesen, jener sei geistreich und charmant. Ich saß natürlich,
da ich diese Leute nicht einmal dem Namen nach kannte, stumm auf
meinem Stuhl. Madame C., die mich wahrscheinlich unterhalten
und mir brillante Aussichten eröffnen wollte, sagte: „Sie werden diese
Herren noch alle heute kennen lernen." Bald öffnete sich auch die
Thür und, von Herrn C. geführt, erschienen mehrere dieser Grafen
und Barone in feinster Salontracht. Wer, der einmal längere Zeit
jn Berlin gewesen, kennt nicht von Kranzler oder sonst einem fashio-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/240>, abgerufen am 17.06.2024.