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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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wofür die Schauspieler nicht den rechten Ton zu treffen wissen. Und
daß dies nur zu oft geschieht, ist leider nicht in Abrede zu stellen.

Noch immer ist die Einführung der Tantieme bei unserem Hof¬
theater der Gegenstand, über den in aristokratischen Salons sowohl,
wie in den Literatenkreisen discutirt wird. Bisher war man in Deutsch¬
land überhaupt und in Oesterreich besonders gewöhnt, den Stand
des Schriftstellers als einen, ich möchte sagen, rechtlosen zu betrach¬
ten, und so gibt es nun Leute, die da meinen, es sei ganz überflüs¬
sig gewesen, den Literaten, die am Ende doch ihre Stücke um den
Preis, den man ihnen dafür bieten wollte, hingeben müßten, diesen
KLns Ix"-" liti I" I"i gegenüber, eine rechtskräftige Verpflichtung einzu¬
gehen. Solche Einwürfe zu widerlegen, wäre eine undankbare Mühe.
Uebrigens sind die Gegner lange nicht so zahlreich wie die Verfechter;
zu diesen gehören natürlich die Schriftsteller selbst als unmittelbar be¬
theiligte Partei, und ferner die große Zahl sanguinischer Naturen, die
der Ueberzeugung leben, die Einführung der Tantieme werde nun aus
jedem Gehirn Meisterwerke hervorzaubern. Seltsame Logik! Von wel¬
chem Einfluß auf den Werth oder Unwerth eines Kunstwerkes kann
der verheißene Lohn sein? Sei dieser noch so gering, der wahre Poet
wird darum doch nichts Schlechtes liefern können: sei er noch so
groß, die liebe Mittelmäßigkeit wird darum nicht mit klingendem Ge¬
sieder gegen Himmel schweben. Immer wird es Jeder gerade so gut
machen, wie er es eben kann, und daran vermag auch die Tantieme
Nichts zu ändern. Aber wichtig u'ut erfreulich bleibt die Einführung
derselben doch immer, sowohl als Act der Gerechtigkeit (nicht der
Gnade, wofür Manche sie ausgeben wollen) wie als Beweis, daß
man das theatralische i-uK-nie-, bei dem wir uns bisher so übel befan¬
den, auch höheren Orts als zweckwidrig und ungesund zu betrachten
anfängt.

Betrübend ist es übrigens, zu berichten, daß das erste Stück,
dem bei uns die Tantieme zu Theil ward, vollständig Fiasco machte.
"Canova's Jugendliebe" heißt das verunglückte Stück, dessen Ver¬
fasser Töpfer ist. Unbegreiflich ist es, wie die Regisseurs, zu deren
Vortheil es gegeben wurde, dieses Stück wählen mochten, von dem
sich mit Gewißheit vorhersehen ließ, daß es nicht gefallen werde noch
könne, denn so weit ist es mit dem Publicum denn doch noch nicht
gekommen, daß es abgedroschene Gemeinplätze für Kunstansichten,
Trivialitäten für Humor, das Einschalten einiger italienischen Flüche
für Localfarbe nähme und es gelten ließe, einen großen ruhmgekrön¬
ten Künstler wie Canova als eine Art von Cretin erscheinen zu sehen.
Das Mißfallen war, wie gesagt, entschieden und einstimmig, und da
die herkömmlichen drei Vorstellungen vorüber, so wird das Stück höchst
wahrscheinlich nicht mehr gegeben werden.

In den Salons äußert sich, nach dem durch verschiedene


wofür die Schauspieler nicht den rechten Ton zu treffen wissen. Und
daß dies nur zu oft geschieht, ist leider nicht in Abrede zu stellen.

Noch immer ist die Einführung der Tantieme bei unserem Hof¬
theater der Gegenstand, über den in aristokratischen Salons sowohl,
wie in den Literatenkreisen discutirt wird. Bisher war man in Deutsch¬
land überhaupt und in Oesterreich besonders gewöhnt, den Stand
des Schriftstellers als einen, ich möchte sagen, rechtlosen zu betrach¬
ten, und so gibt es nun Leute, die da meinen, es sei ganz überflüs¬
sig gewesen, den Literaten, die am Ende doch ihre Stücke um den
Preis, den man ihnen dafür bieten wollte, hingeben müßten, diesen
KLns Ix»-« liti I» I»i gegenüber, eine rechtskräftige Verpflichtung einzu¬
gehen. Solche Einwürfe zu widerlegen, wäre eine undankbare Mühe.
Uebrigens sind die Gegner lange nicht so zahlreich wie die Verfechter;
zu diesen gehören natürlich die Schriftsteller selbst als unmittelbar be¬
theiligte Partei, und ferner die große Zahl sanguinischer Naturen, die
der Ueberzeugung leben, die Einführung der Tantieme werde nun aus
jedem Gehirn Meisterwerke hervorzaubern. Seltsame Logik! Von wel¬
chem Einfluß auf den Werth oder Unwerth eines Kunstwerkes kann
der verheißene Lohn sein? Sei dieser noch so gering, der wahre Poet
wird darum doch nichts Schlechtes liefern können: sei er noch so
groß, die liebe Mittelmäßigkeit wird darum nicht mit klingendem Ge¬
sieder gegen Himmel schweben. Immer wird es Jeder gerade so gut
machen, wie er es eben kann, und daran vermag auch die Tantieme
Nichts zu ändern. Aber wichtig u'ut erfreulich bleibt die Einführung
derselben doch immer, sowohl als Act der Gerechtigkeit (nicht der
Gnade, wofür Manche sie ausgeben wollen) wie als Beweis, daß
man das theatralische i-uK-nie-, bei dem wir uns bisher so übel befan¬
den, auch höheren Orts als zweckwidrig und ungesund zu betrachten
anfängt.

Betrübend ist es übrigens, zu berichten, daß das erste Stück,
dem bei uns die Tantieme zu Theil ward, vollständig Fiasco machte.
„Canova's Jugendliebe" heißt das verunglückte Stück, dessen Ver¬
fasser Töpfer ist. Unbegreiflich ist es, wie die Regisseurs, zu deren
Vortheil es gegeben wurde, dieses Stück wählen mochten, von dem
sich mit Gewißheit vorhersehen ließ, daß es nicht gefallen werde noch
könne, denn so weit ist es mit dem Publicum denn doch noch nicht
gekommen, daß es abgedroschene Gemeinplätze für Kunstansichten,
Trivialitäten für Humor, das Einschalten einiger italienischen Flüche
für Localfarbe nähme und es gelten ließe, einen großen ruhmgekrön¬
ten Künstler wie Canova als eine Art von Cretin erscheinen zu sehen.
Das Mißfallen war, wie gesagt, entschieden und einstimmig, und da
die herkömmlichen drei Vorstellungen vorüber, so wird das Stück höchst
wahrscheinlich nicht mehr gegeben werden.

In den Salons äußert sich, nach dem durch verschiedene


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[0512] wofür die Schauspieler nicht den rechten Ton zu treffen wissen. Und daß dies nur zu oft geschieht, ist leider nicht in Abrede zu stellen. Noch immer ist die Einführung der Tantieme bei unserem Hof¬ theater der Gegenstand, über den in aristokratischen Salons sowohl, wie in den Literatenkreisen discutirt wird. Bisher war man in Deutsch¬ land überhaupt und in Oesterreich besonders gewöhnt, den Stand des Schriftstellers als einen, ich möchte sagen, rechtlosen zu betrach¬ ten, und so gibt es nun Leute, die da meinen, es sei ganz überflüs¬ sig gewesen, den Literaten, die am Ende doch ihre Stücke um den Preis, den man ihnen dafür bieten wollte, hingeben müßten, diesen KLns Ix»-« liti I» I»i gegenüber, eine rechtskräftige Verpflichtung einzu¬ gehen. Solche Einwürfe zu widerlegen, wäre eine undankbare Mühe. Uebrigens sind die Gegner lange nicht so zahlreich wie die Verfechter; zu diesen gehören natürlich die Schriftsteller selbst als unmittelbar be¬ theiligte Partei, und ferner die große Zahl sanguinischer Naturen, die der Ueberzeugung leben, die Einführung der Tantieme werde nun aus jedem Gehirn Meisterwerke hervorzaubern. Seltsame Logik! Von wel¬ chem Einfluß auf den Werth oder Unwerth eines Kunstwerkes kann der verheißene Lohn sein? Sei dieser noch so gering, der wahre Poet wird darum doch nichts Schlechtes liefern können: sei er noch so groß, die liebe Mittelmäßigkeit wird darum nicht mit klingendem Ge¬ sieder gegen Himmel schweben. Immer wird es Jeder gerade so gut machen, wie er es eben kann, und daran vermag auch die Tantieme Nichts zu ändern. Aber wichtig u'ut erfreulich bleibt die Einführung derselben doch immer, sowohl als Act der Gerechtigkeit (nicht der Gnade, wofür Manche sie ausgeben wollen) wie als Beweis, daß man das theatralische i-uK-nie-, bei dem wir uns bisher so übel befan¬ den, auch höheren Orts als zweckwidrig und ungesund zu betrachten anfängt. Betrübend ist es übrigens, zu berichten, daß das erste Stück, dem bei uns die Tantieme zu Theil ward, vollständig Fiasco machte. „Canova's Jugendliebe" heißt das verunglückte Stück, dessen Ver¬ fasser Töpfer ist. Unbegreiflich ist es, wie die Regisseurs, zu deren Vortheil es gegeben wurde, dieses Stück wählen mochten, von dem sich mit Gewißheit vorhersehen ließ, daß es nicht gefallen werde noch könne, denn so weit ist es mit dem Publicum denn doch noch nicht gekommen, daß es abgedroschene Gemeinplätze für Kunstansichten, Trivialitäten für Humor, das Einschalten einiger italienischen Flüche für Localfarbe nähme und es gelten ließe, einen großen ruhmgekrön¬ ten Künstler wie Canova als eine Art von Cretin erscheinen zu sehen. Das Mißfallen war, wie gesagt, entschieden und einstimmig, und da die herkömmlichen drei Vorstellungen vorüber, so wird das Stück höchst wahrscheinlich nicht mehr gegeben werden. In den Salons äußert sich, nach dem durch verschiedene

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/512>, abgerufen am 25.05.2024.