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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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-- Wie fol

-- I meine, pflegen Sie diese Besitzungen jährlich zu besuchen?

-- Das nicht; aber alle zwei, drei Jahre einmal.

-- So. -- Also nach zwei, drei Jahren in der Regel einmal?
Und dann wohl auf kurze Zeit immer?

-- Wie soll ich's ändern? Meine Gattin will mir me folgen,
sie will Wien und dessen Umgebungen nicht verlassen, sie langweilt
sich hier; da findet sie ihre Musik und ihre Vergnügungen nicht, und
indem sie hier alle Launen aus Langeweile befallen" bin ich selbst ih¬
retwegen stets in Unruhe und Sorgen. Gibt'S da ein Mittel, lange
zu bleiben, wenn mich die unzufriedene Gattin begleitet? Und gibt'6
ein Mittel, lange da zu bleiben, wenn ich diese vermisse? Mein Be¬
such kann auch deshalb schon nicht dauerhaft sein, weil ich meinem
hohen Posten in Wien nicht lange entbehrlich bin.

-- Das sind allerdings wichtige Gründe. Ja. Der Boden,
wie gesagt, ist trefflich benutzt. Ihre Unterthanen, das habe ich auch
im ersten Augenblicke gemerkt, besitzen fast alle musikalisches Talent,
arbeiten fleißig und sind nicht ohne Humor, wenn sie Zeit gewinnen.
Und vieles Andere, was ich gleich bemerkt habe.

-- Ich glaube, das Volk arbeitet besser. Im Uebrtgen mag es
seine Eigenheiten haben. -- Was sagen Sie zu den Prachtwäldern?
Zur Lage meines Schlosses, dessen Styl Sie wohl überrascht haben
mag?

-- Da muß ich nur gleich bei aller Vorliebe für Landschaft,
Oekonomie und Baukunst gestehen, daß mir der Mensch einer Gegend
das Jnteressanteste ist, was mir da vorgeführt werden kann.

-- Volk ist Volk und überall gleich. Am besten, wenn es
fleißig arbeitet und sich um Nichts weiter, kümmert.

-- Dieser Ansicht kann ich nicht sein und muß sagen, daß um
die kerngesunde Natur Schade ist, welche ein Talent aus dem Volke
bei sorgfältiger, wahrhaft erhebender Bildung mitbringen müßte, die
Höhe der Zeit zu ersteigen und in voller Körper- und Geistesgesund¬
heit ureigenthümlich zu blühen. Sollten nicht einzelne Talente für
Kunst oder Wissenschaft aus Ihren Besitzungen zu finden sein, die es
bei einiger Verwendung zu mehr als Gewöhnlichen brächten? Wie?
Und sind Sie nicht auch der Meinung, daß in einem Lande, wo der
Adel so viele Güter und Menschen besitzt, die Talente mit außer-


Grenzbotcn 1844, I. ^

— Wie fol

— I meine, pflegen Sie diese Besitzungen jährlich zu besuchen?

— Das nicht; aber alle zwei, drei Jahre einmal.

— So. — Also nach zwei, drei Jahren in der Regel einmal?
Und dann wohl auf kurze Zeit immer?

— Wie soll ich's ändern? Meine Gattin will mir me folgen,
sie will Wien und dessen Umgebungen nicht verlassen, sie langweilt
sich hier; da findet sie ihre Musik und ihre Vergnügungen nicht, und
indem sie hier alle Launen aus Langeweile befallen» bin ich selbst ih¬
retwegen stets in Unruhe und Sorgen. Gibt'S da ein Mittel, lange
zu bleiben, wenn mich die unzufriedene Gattin begleitet? Und gibt'6
ein Mittel, lange da zu bleiben, wenn ich diese vermisse? Mein Be¬
such kann auch deshalb schon nicht dauerhaft sein, weil ich meinem
hohen Posten in Wien nicht lange entbehrlich bin.

— Das sind allerdings wichtige Gründe. Ja. Der Boden,
wie gesagt, ist trefflich benutzt. Ihre Unterthanen, das habe ich auch
im ersten Augenblicke gemerkt, besitzen fast alle musikalisches Talent,
arbeiten fleißig und sind nicht ohne Humor, wenn sie Zeit gewinnen.
Und vieles Andere, was ich gleich bemerkt habe.

— Ich glaube, das Volk arbeitet besser. Im Uebrtgen mag es
seine Eigenheiten haben. — Was sagen Sie zu den Prachtwäldern?
Zur Lage meines Schlosses, dessen Styl Sie wohl überrascht haben
mag?

— Da muß ich nur gleich bei aller Vorliebe für Landschaft,
Oekonomie und Baukunst gestehen, daß mir der Mensch einer Gegend
das Jnteressanteste ist, was mir da vorgeführt werden kann.

— Volk ist Volk und überall gleich. Am besten, wenn es
fleißig arbeitet und sich um Nichts weiter, kümmert.

— Dieser Ansicht kann ich nicht sein und muß sagen, daß um
die kerngesunde Natur Schade ist, welche ein Talent aus dem Volke
bei sorgfältiger, wahrhaft erhebender Bildung mitbringen müßte, die
Höhe der Zeit zu ersteigen und in voller Körper- und Geistesgesund¬
heit ureigenthümlich zu blühen. Sollten nicht einzelne Talente für
Kunst oder Wissenschaft aus Ihren Besitzungen zu finden sein, die es
bei einiger Verwendung zu mehr als Gewöhnlichen brächten? Wie?
Und sind Sie nicht auch der Meinung, daß in einem Lande, wo der
Adel so viele Güter und Menschen besitzt, die Talente mit außer-


Grenzbotcn 1844, I. ^
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[0053] — Wie fol — I meine, pflegen Sie diese Besitzungen jährlich zu besuchen? — Das nicht; aber alle zwei, drei Jahre einmal. — So. — Also nach zwei, drei Jahren in der Regel einmal? Und dann wohl auf kurze Zeit immer? — Wie soll ich's ändern? Meine Gattin will mir me folgen, sie will Wien und dessen Umgebungen nicht verlassen, sie langweilt sich hier; da findet sie ihre Musik und ihre Vergnügungen nicht, und indem sie hier alle Launen aus Langeweile befallen» bin ich selbst ih¬ retwegen stets in Unruhe und Sorgen. Gibt'S da ein Mittel, lange zu bleiben, wenn mich die unzufriedene Gattin begleitet? Und gibt'6 ein Mittel, lange da zu bleiben, wenn ich diese vermisse? Mein Be¬ such kann auch deshalb schon nicht dauerhaft sein, weil ich meinem hohen Posten in Wien nicht lange entbehrlich bin. — Das sind allerdings wichtige Gründe. Ja. Der Boden, wie gesagt, ist trefflich benutzt. Ihre Unterthanen, das habe ich auch im ersten Augenblicke gemerkt, besitzen fast alle musikalisches Talent, arbeiten fleißig und sind nicht ohne Humor, wenn sie Zeit gewinnen. Und vieles Andere, was ich gleich bemerkt habe. — Ich glaube, das Volk arbeitet besser. Im Uebrtgen mag es seine Eigenheiten haben. — Was sagen Sie zu den Prachtwäldern? Zur Lage meines Schlosses, dessen Styl Sie wohl überrascht haben mag? — Da muß ich nur gleich bei aller Vorliebe für Landschaft, Oekonomie und Baukunst gestehen, daß mir der Mensch einer Gegend das Jnteressanteste ist, was mir da vorgeführt werden kann. — Volk ist Volk und überall gleich. Am besten, wenn es fleißig arbeitet und sich um Nichts weiter, kümmert. — Dieser Ansicht kann ich nicht sein und muß sagen, daß um die kerngesunde Natur Schade ist, welche ein Talent aus dem Volke bei sorgfältiger, wahrhaft erhebender Bildung mitbringen müßte, die Höhe der Zeit zu ersteigen und in voller Körper- und Geistesgesund¬ heit ureigenthümlich zu blühen. Sollten nicht einzelne Talente für Kunst oder Wissenschaft aus Ihren Besitzungen zu finden sein, die es bei einiger Verwendung zu mehr als Gewöhnlichen brächten? Wie? Und sind Sie nicht auch der Meinung, daß in einem Lande, wo der Adel so viele Güter und Menschen besitzt, die Talente mit außer- Grenzbotcn 1844, I. ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/53>, abgerufen am 17.06.2024.