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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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ordentlicher Leichtigkeit entdeckt und befördert werden könnten, wollte
man sie nur mit halb jenem Eifer einem höhern Ziele zuführen, mit
dem man die prächtigsten Gestalten dem Waffendienst zuführt. Wir
sind hier im Freien, das heißt unbehorcht. Warum werden Sie die¬
ser unschuldigen Worte halber verlegen? Sie können mir glauben,
daß mir, als ich nach Oesterreich kam, Nichts so weibisch, so unan¬
genehm war, als eines Wortes halber oft den ansehnlichsten Mann
plötzlich in Aengsten zu sehen. Ich habe gefunden, man hat daS
nicht nöthig. Man sieht Gespenster am hellen Tage und fürchtet
zumeist seinen eigenen Schatten. Aber Sie verzeihen, daß ich unge¬
wöhnlich rede, weil eS sich um einen ungewöhnlichen Gegenstand
handelt. Wirklich sollten Ihre Unterthanen an Talenten wenig Er¬
freuliches bieten?

-- Fleißige Hände, unglückliche Köpfe.

-- Das will Etwas sagen --

-- Bei Ihnen im Auslande mag es anders sein.

-- Ich kann daS nicht finden. Es ist nicht schön, daß Sie die
Fähigkeiten Ihres Vaterlandes so rasch und gleichgiltig aufgeben.

-- Nichts ist leicht aufzugeben. Ich meine, auf meinen Be¬
sitzungen hat sich noch kein einziges Volkstalent gezeigt.

-- Dann begreife ich die unglücklichen Köpfe, die sich einem
Auge offenbaren sollen,, das keine Blicke für sie hat. Wäre ich Ihr
Unterthan, auf solche Aeußerungen müßten Sie sich mit mir schlagen.

-- Sie draußen sind wunderliche Leute.

-- Dieser Aeußerung halber?

-- Sie ist ganz im Geschmack ewig wirbelnder Köpfe.

-- Aber es war nicht die Aeußerung eines Ausländers; daS
hat ein Oesterreicher gesagt.

-- Wie kommen Sie mir vor?

-- Lassen Sie halten; es ist Zeit, daß ich absteige und zurück¬
gehe. Meine Eltern warten auf mich.

Se. Excellenz sitzt unbeweglich im Wagen, die letzten Worte
haben ihn in einen höchst ergötzlichen Zustand nobler Erstarrung
versetzt.

-- Lassen Sie weiter fahren, Herr Graf; ich möchte nicht länger
Ihrer Verlegenheit zusehen. Leben Sie wohl. Ich bin Ihr Unter¬
than. Als ich in Wien sang und componirte und überhaupt in


ordentlicher Leichtigkeit entdeckt und befördert werden könnten, wollte
man sie nur mit halb jenem Eifer einem höhern Ziele zuführen, mit
dem man die prächtigsten Gestalten dem Waffendienst zuführt. Wir
sind hier im Freien, das heißt unbehorcht. Warum werden Sie die¬
ser unschuldigen Worte halber verlegen? Sie können mir glauben,
daß mir, als ich nach Oesterreich kam, Nichts so weibisch, so unan¬
genehm war, als eines Wortes halber oft den ansehnlichsten Mann
plötzlich in Aengsten zu sehen. Ich habe gefunden, man hat daS
nicht nöthig. Man sieht Gespenster am hellen Tage und fürchtet
zumeist seinen eigenen Schatten. Aber Sie verzeihen, daß ich unge¬
wöhnlich rede, weil eS sich um einen ungewöhnlichen Gegenstand
handelt. Wirklich sollten Ihre Unterthanen an Talenten wenig Er¬
freuliches bieten?

— Fleißige Hände, unglückliche Köpfe.

— Das will Etwas sagen —

— Bei Ihnen im Auslande mag es anders sein.

— Ich kann daS nicht finden. Es ist nicht schön, daß Sie die
Fähigkeiten Ihres Vaterlandes so rasch und gleichgiltig aufgeben.

— Nichts ist leicht aufzugeben. Ich meine, auf meinen Be¬
sitzungen hat sich noch kein einziges Volkstalent gezeigt.

— Dann begreife ich die unglücklichen Köpfe, die sich einem
Auge offenbaren sollen,, das keine Blicke für sie hat. Wäre ich Ihr
Unterthan, auf solche Aeußerungen müßten Sie sich mit mir schlagen.

— Sie draußen sind wunderliche Leute.

— Dieser Aeußerung halber?

— Sie ist ganz im Geschmack ewig wirbelnder Köpfe.

— Aber es war nicht die Aeußerung eines Ausländers; daS
hat ein Oesterreicher gesagt.

— Wie kommen Sie mir vor?

— Lassen Sie halten; es ist Zeit, daß ich absteige und zurück¬
gehe. Meine Eltern warten auf mich.

Se. Excellenz sitzt unbeweglich im Wagen, die letzten Worte
haben ihn in einen höchst ergötzlichen Zustand nobler Erstarrung
versetzt.

— Lassen Sie weiter fahren, Herr Graf; ich möchte nicht länger
Ihrer Verlegenheit zusehen. Leben Sie wohl. Ich bin Ihr Unter¬
than. Als ich in Wien sang und componirte und überhaupt in


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[0054] ordentlicher Leichtigkeit entdeckt und befördert werden könnten, wollte man sie nur mit halb jenem Eifer einem höhern Ziele zuführen, mit dem man die prächtigsten Gestalten dem Waffendienst zuführt. Wir sind hier im Freien, das heißt unbehorcht. Warum werden Sie die¬ ser unschuldigen Worte halber verlegen? Sie können mir glauben, daß mir, als ich nach Oesterreich kam, Nichts so weibisch, so unan¬ genehm war, als eines Wortes halber oft den ansehnlichsten Mann plötzlich in Aengsten zu sehen. Ich habe gefunden, man hat daS nicht nöthig. Man sieht Gespenster am hellen Tage und fürchtet zumeist seinen eigenen Schatten. Aber Sie verzeihen, daß ich unge¬ wöhnlich rede, weil eS sich um einen ungewöhnlichen Gegenstand handelt. Wirklich sollten Ihre Unterthanen an Talenten wenig Er¬ freuliches bieten? — Fleißige Hände, unglückliche Köpfe. — Das will Etwas sagen — — Bei Ihnen im Auslande mag es anders sein. — Ich kann daS nicht finden. Es ist nicht schön, daß Sie die Fähigkeiten Ihres Vaterlandes so rasch und gleichgiltig aufgeben. — Nichts ist leicht aufzugeben. Ich meine, auf meinen Be¬ sitzungen hat sich noch kein einziges Volkstalent gezeigt. — Dann begreife ich die unglücklichen Köpfe, die sich einem Auge offenbaren sollen,, das keine Blicke für sie hat. Wäre ich Ihr Unterthan, auf solche Aeußerungen müßten Sie sich mit mir schlagen. — Sie draußen sind wunderliche Leute. — Dieser Aeußerung halber? — Sie ist ganz im Geschmack ewig wirbelnder Köpfe. — Aber es war nicht die Aeußerung eines Ausländers; daS hat ein Oesterreicher gesagt. — Wie kommen Sie mir vor? — Lassen Sie halten; es ist Zeit, daß ich absteige und zurück¬ gehe. Meine Eltern warten auf mich. Se. Excellenz sitzt unbeweglich im Wagen, die letzten Worte haben ihn in einen höchst ergötzlichen Zustand nobler Erstarrung versetzt. — Lassen Sie weiter fahren, Herr Graf; ich möchte nicht länger Ihrer Verlegenheit zusehen. Leben Sie wohl. Ich bin Ihr Unter¬ than. Als ich in Wien sang und componirte und überhaupt in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/54>, abgerufen am 17.06.2024.