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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Palästina auszuführen. Diese Reise durch das gelobte Land hat
die Poesie mit den schönsten Blüthen der französischeU Muse be-
reichert; Chateaubriand's Rückkehr nach Frankreich, die ihn durch
Spanien führte , gab seinem ,,letzten Abenccrage" das Leben.

Den 5. Mai 1807., nach zehnmonatlicher Dichterfahrt, kam
Chateaubriand wieder in Frankreich an und zog sich in feine reizende
Einsiedelei dem Vallee aux Loups bei Aulnay zurück. Hier sammelte
er seine Erinnerungen und schrieb das Itineraire, so merk-
würdig als historisches wie als philosophisches Werk, und legte endlich^
den ganzen Reichthum von Anschauungen und Gedanken, die er auf
seiner Reise gesammelt, in den Märtyrern nieder.

Wix erlauben uns einige wenige Worte übex das Gedicht, in-
dem wix es mit Fenelon's berühmtem Werk zusammenstellen. Jn dem
letztern sind Calypso und ihre Nymphen leichtfertige Damen am Hofe
Ludwig's X1V. - Die Insel dex Götter ist ein Garten von Ver-^
sailles - Telemaque ein Herzog von Burgund - Mentor ein
Erzbischof von Cambray.

In dem Gedicht Chateaubriands dagegen sind die geschilderten
Gegenden localgetreu, die Gedanken und Gefühle vollkommen zeitge-
mäß. Es ist mehr als ein schönes Gedicht, es ist eine erhabene
Nachschöpfung dex Geschichte. Es ist, als ob die Macht eines Zau-
berers uns die letzten römischen Kaiser, die Häuptlinge der halbwilden
deutscheu Völker, die gallischen Druidinnen, die schönen Jungfrauen
Messeniens, die griechischen Sophisten, die heidnischen Priester und
die begeisterten Bekennex des neuen Glaubens, lebendig vorüberführte.
Victor Hugo fand, daß eine gothische Kirche ein erhabenes Buch
sei; Göthe nennt die Architectur versteinerte Mustk; die Märtyrer
kann man ein Denkmal des Alterthums nennen, wie Pompeji und
Herculanum in seiner ganzen Frische aus der Tiefe der Vergangen-
heit herausgegraben.

Während der Dichter sich den Schöpfungen seiner Phantasie
ganz hingab, eilte die Geschichte mit Riesenschritten vorwärts. Die
Ereignisse von 18 I4 drohten Frankreich von Neuem in Verwirrung
zu stürzen. Chateaubriand trat aus seiner Zurückgezogenheit hervor
und mischte sich in den Parteienkampf.

Wir verlassen letzt den Dichter und haben es mit dem Staats-


8*

Palästina auszuführen. Diese Reise durch das gelobte Land hat
die Poesie mit den schönsten Blüthen der französischeU Muse be-
reichert; Chateaubriand's Rückkehr nach Frankreich, die ihn durch
Spanien führte , gab seinem ,,letzten Abenccrage" das Leben.

Den 5. Mai 1807., nach zehnmonatlicher Dichterfahrt, kam
Chateaubriand wieder in Frankreich an und zog sich in feine reizende
Einsiedelei dem Vallee aux Loups bei Aulnay zurück. Hier sammelte
er seine Erinnerungen und schrieb das Itineraire, so merk-
würdig als historisches wie als philosophisches Werk, und legte endlich^
den ganzen Reichthum von Anschauungen und Gedanken, die er auf
seiner Reise gesammelt, in den Märtyrern nieder.

Wix erlauben uns einige wenige Worte übex das Gedicht, in-
dem wix es mit Fenelon's berühmtem Werk zusammenstellen. Jn dem
letztern sind Calypso und ihre Nymphen leichtfertige Damen am Hofe
Ludwig's X1V. - Die Insel dex Götter ist ein Garten von Ver-^
sailles - Telemaque ein Herzog von Burgund - Mentor ein
Erzbischof von Cambray.

In dem Gedicht Chateaubriands dagegen sind die geschilderten
Gegenden localgetreu, die Gedanken und Gefühle vollkommen zeitge-
mäß. Es ist mehr als ein schönes Gedicht, es ist eine erhabene
Nachschöpfung dex Geschichte. Es ist, als ob die Macht eines Zau-
berers uns die letzten römischen Kaiser, die Häuptlinge der halbwilden
deutscheu Völker, die gallischen Druidinnen, die schönen Jungfrauen
Messeniens, die griechischen Sophisten, die heidnischen Priester und
die begeisterten Bekennex des neuen Glaubens, lebendig vorüberführte.
Victor Hugo fand, daß eine gothische Kirche ein erhabenes Buch
sei; Göthe nennt die Architectur versteinerte Mustk; die Märtyrer
kann man ein Denkmal des Alterthums nennen, wie Pompeji und
Herculanum in seiner ganzen Frische aus der Tiefe der Vergangen-
heit herausgegraben.

Während der Dichter sich den Schöpfungen seiner Phantasie
ganz hingab, eilte die Geschichte mit Riesenschritten vorwärts. Die
Ereignisse von 18 I4 drohten Frankreich von Neuem in Verwirrung
zu stürzen. Chateaubriand trat aus seiner Zurückgezogenheit hervor
und mischte sich in den Parteienkampf.

Wir verlassen letzt den Dichter und haben es mit dem Staats-


8*
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[0063] Palästina auszuführen. Diese Reise durch das gelobte Land hat die Poesie mit den schönsten Blüthen der französischeU Muse be- reichert; Chateaubriand's Rückkehr nach Frankreich, die ihn durch Spanien führte , gab seinem ,,letzten Abenccrage" das Leben. Den 5. Mai 1807., nach zehnmonatlicher Dichterfahrt, kam Chateaubriand wieder in Frankreich an und zog sich in feine reizende Einsiedelei dem Vallee aux Loups bei Aulnay zurück. Hier sammelte er seine Erinnerungen und schrieb das Itineraire, so merk- würdig als historisches wie als philosophisches Werk, und legte endlich^ den ganzen Reichthum von Anschauungen und Gedanken, die er auf seiner Reise gesammelt, in den Märtyrern nieder. Wix erlauben uns einige wenige Worte übex das Gedicht, in- dem wix es mit Fenelon's berühmtem Werk zusammenstellen. Jn dem letztern sind Calypso und ihre Nymphen leichtfertige Damen am Hofe Ludwig's X1V. - Die Insel dex Götter ist ein Garten von Ver-^ sailles - Telemaque ein Herzog von Burgund - Mentor ein Erzbischof von Cambray. In dem Gedicht Chateaubriands dagegen sind die geschilderten Gegenden localgetreu, die Gedanken und Gefühle vollkommen zeitge- mäß. Es ist mehr als ein schönes Gedicht, es ist eine erhabene Nachschöpfung dex Geschichte. Es ist, als ob die Macht eines Zau- berers uns die letzten römischen Kaiser, die Häuptlinge der halbwilden deutscheu Völker, die gallischen Druidinnen, die schönen Jungfrauen Messeniens, die griechischen Sophisten, die heidnischen Priester und die begeisterten Bekennex des neuen Glaubens, lebendig vorüberführte. Victor Hugo fand, daß eine gothische Kirche ein erhabenes Buch sei; Göthe nennt die Architectur versteinerte Mustk; die Märtyrer kann man ein Denkmal des Alterthums nennen, wie Pompeji und Herculanum in seiner ganzen Frische aus der Tiefe der Vergangen- heit herausgegraben. Während der Dichter sich den Schöpfungen seiner Phantasie ganz hingab, eilte die Geschichte mit Riesenschritten vorwärts. Die Ereignisse von 18 I4 drohten Frankreich von Neuem in Verwirrung zu stürzen. Chateaubriand trat aus seiner Zurückgezogenheit hervor und mischte sich in den Parteienkampf. Wir verlassen letzt den Dichter und haben es mit dem Staats- 8*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/63>, abgerufen am 17.06.2024.