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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Spalte" des "Debats" werden von den glänzenden Federn eines Se.
Marc Girardin, eines Michel Chevalier, eines de Sacy geschrieben
(vom Feuilleton sprechen wir gar nicht!). Diese Männer üben durch
ihren prächtigen Styl, durch ihre überlegenen Kenntnisse und politische
Erfahrung eine hinreißende Gewalt auf diejenigen aus, die nicht ihre
Meinung theilen. Viele Leute in Frankreich lesen das Journal des
Debats, wie man einen classischen Autor lies't -- um seines Rufes
willen. Welche Rolle spielen die Männer der Allgemeinen Preußischen,
gegenüber jenem Pariser Blatte? Bei ihnen tritt gerade der entgegen¬
gesetzte Fall ein, selbst jene Leute, die der conservativen Tendenz ihren
Beifall zolle", sagen: Ja, ja, es ist recht gut gemeint; wenn es nur
nicht gar so abgeschmackt geschrieben wäre! Noch ein anderer, viel
wichtigerer Unistand unterscheidet dieses Berliner Blatt von seinem
französischen Musterbilde. Das Journal des Debats ist trotz seines
Ministerialismus dennoch ziemlich selbständig. I" manchen Fällen
ist es ganz anderer Meinung als das Ministerium, und vertritt diese
mit Fceimuth. Ja manchem Ministerium (wie z. B. dem vom I.
März) schließt es sich gar nicht an. Die Redacteure sind Männer
von großer politischer Wichtigkeit. Der eine der Eigenthümer ist
Pair'vo" Frankreich, der andere, der verstorbene Bertin, hat sogar
diese Würde aufgeschlagen, um sich ganz dem Blatte widmen zu kön¬
nen. Dieses gibt dem Blatte ein großes moralisches Gewicht und
verschafft ihm Achtung selbst bei seinen Gegnern. Wie verhält es sich
dagegen mit dem Redactionspersonale der Preußischen Allgemeinen?
Welches ist ihre bürgerliche Stellung? Welches ihre literarische? Sind
es nicht meist Männer, die bereits bei anderen Journalen ihren Man¬
gel an Capacität bewiesen? Ist ein einziger unter ihnen, der ein be¬
deutendes literarisches Renommee zur Unterstützung des Blattes mit¬
gebracht hat? Wie wollen diese Männer dem Publicum, der Opposi¬
tionspresse imponiren? Mit welcher Achtung wird ihnen denn von
ihrer eigene" Partei begegnet? Ein kleiner Beitrag zur geheimen
Geschichte der Redaction dieses Blattes mag hier seine Stelle finden.
Vorige Woche kam Herr I>>. Hermes (dessen Anstellung am 5. All¬
zu Ende geht) wie gewöhnlich in das Redactionsbureau, um dort
seine Arbeit vorzunehmen. Nicht wenig war er erstaunt, seinen Platz
bereits durch den Herrn Hofrath Rousseau besetzt zu finden. Er be¬
klagte sich hierüber bei dem Redacteur v,-. Zinkeisen. Dieser aber er¬
öffnete ihm, daß Herr Oberst Schulz (ehemaliger Herausgeber des
politischen Wochenblattes und nun Oberherr der Preußischen Allge¬
meinen) es so angeordnet habe. Uebrigens -- wurde hinzugefügt ^
beziehen Sie ja Ihr Gehalt bis zum nächsten Juli und es kann
Ihnen nur angenehm sein, wenn man Ihnen schon jetzt alle Arbeit
erspart. -- Diese kleine sei-in- ä'intviiem- (die man schwerlich "berich¬
tigen" wird) zeigt hinlänglich, mit welcher Achtung den Männern be-


Wrenzboten 1844. l. M

Spalte» des „Debats" werden von den glänzenden Federn eines Se.
Marc Girardin, eines Michel Chevalier, eines de Sacy geschrieben
(vom Feuilleton sprechen wir gar nicht!). Diese Männer üben durch
ihren prächtigen Styl, durch ihre überlegenen Kenntnisse und politische
Erfahrung eine hinreißende Gewalt auf diejenigen aus, die nicht ihre
Meinung theilen. Viele Leute in Frankreich lesen das Journal des
Debats, wie man einen classischen Autor lies't — um seines Rufes
willen. Welche Rolle spielen die Männer der Allgemeinen Preußischen,
gegenüber jenem Pariser Blatte? Bei ihnen tritt gerade der entgegen¬
gesetzte Fall ein, selbst jene Leute, die der conservativen Tendenz ihren
Beifall zolle», sagen: Ja, ja, es ist recht gut gemeint; wenn es nur
nicht gar so abgeschmackt geschrieben wäre! Noch ein anderer, viel
wichtigerer Unistand unterscheidet dieses Berliner Blatt von seinem
französischen Musterbilde. Das Journal des Debats ist trotz seines
Ministerialismus dennoch ziemlich selbständig. I» manchen Fällen
ist es ganz anderer Meinung als das Ministerium, und vertritt diese
mit Fceimuth. Ja manchem Ministerium (wie z. B. dem vom I.
März) schließt es sich gar nicht an. Die Redacteure sind Männer
von großer politischer Wichtigkeit. Der eine der Eigenthümer ist
Pair'vo» Frankreich, der andere, der verstorbene Bertin, hat sogar
diese Würde aufgeschlagen, um sich ganz dem Blatte widmen zu kön¬
nen. Dieses gibt dem Blatte ein großes moralisches Gewicht und
verschafft ihm Achtung selbst bei seinen Gegnern. Wie verhält es sich
dagegen mit dem Redactionspersonale der Preußischen Allgemeinen?
Welches ist ihre bürgerliche Stellung? Welches ihre literarische? Sind
es nicht meist Männer, die bereits bei anderen Journalen ihren Man¬
gel an Capacität bewiesen? Ist ein einziger unter ihnen, der ein be¬
deutendes literarisches Renommee zur Unterstützung des Blattes mit¬
gebracht hat? Wie wollen diese Männer dem Publicum, der Opposi¬
tionspresse imponiren? Mit welcher Achtung wird ihnen denn von
ihrer eigene» Partei begegnet? Ein kleiner Beitrag zur geheimen
Geschichte der Redaction dieses Blattes mag hier seine Stelle finden.
Vorige Woche kam Herr I>>. Hermes (dessen Anstellung am 5. All¬
zu Ende geht) wie gewöhnlich in das Redactionsbureau, um dort
seine Arbeit vorzunehmen. Nicht wenig war er erstaunt, seinen Platz
bereits durch den Herrn Hofrath Rousseau besetzt zu finden. Er be¬
klagte sich hierüber bei dem Redacteur v,-. Zinkeisen. Dieser aber er¬
öffnete ihm, daß Herr Oberst Schulz (ehemaliger Herausgeber des
politischen Wochenblattes und nun Oberherr der Preußischen Allge¬
meinen) es so angeordnet habe. Uebrigens — wurde hinzugefügt ^
beziehen Sie ja Ihr Gehalt bis zum nächsten Juli und es kann
Ihnen nur angenehm sein, wenn man Ihnen schon jetzt alle Arbeit
erspart. — Diese kleine sei-in- ä'intviiem- (die man schwerlich „berich¬
tigen" wird) zeigt hinlänglich, mit welcher Achtung den Männern be-


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[0701] Spalte» des „Debats" werden von den glänzenden Federn eines Se. Marc Girardin, eines Michel Chevalier, eines de Sacy geschrieben (vom Feuilleton sprechen wir gar nicht!). Diese Männer üben durch ihren prächtigen Styl, durch ihre überlegenen Kenntnisse und politische Erfahrung eine hinreißende Gewalt auf diejenigen aus, die nicht ihre Meinung theilen. Viele Leute in Frankreich lesen das Journal des Debats, wie man einen classischen Autor lies't — um seines Rufes willen. Welche Rolle spielen die Männer der Allgemeinen Preußischen, gegenüber jenem Pariser Blatte? Bei ihnen tritt gerade der entgegen¬ gesetzte Fall ein, selbst jene Leute, die der conservativen Tendenz ihren Beifall zolle», sagen: Ja, ja, es ist recht gut gemeint; wenn es nur nicht gar so abgeschmackt geschrieben wäre! Noch ein anderer, viel wichtigerer Unistand unterscheidet dieses Berliner Blatt von seinem französischen Musterbilde. Das Journal des Debats ist trotz seines Ministerialismus dennoch ziemlich selbständig. I» manchen Fällen ist es ganz anderer Meinung als das Ministerium, und vertritt diese mit Fceimuth. Ja manchem Ministerium (wie z. B. dem vom I. März) schließt es sich gar nicht an. Die Redacteure sind Männer von großer politischer Wichtigkeit. Der eine der Eigenthümer ist Pair'vo» Frankreich, der andere, der verstorbene Bertin, hat sogar diese Würde aufgeschlagen, um sich ganz dem Blatte widmen zu kön¬ nen. Dieses gibt dem Blatte ein großes moralisches Gewicht und verschafft ihm Achtung selbst bei seinen Gegnern. Wie verhält es sich dagegen mit dem Redactionspersonale der Preußischen Allgemeinen? Welches ist ihre bürgerliche Stellung? Welches ihre literarische? Sind es nicht meist Männer, die bereits bei anderen Journalen ihren Man¬ gel an Capacität bewiesen? Ist ein einziger unter ihnen, der ein be¬ deutendes literarisches Renommee zur Unterstützung des Blattes mit¬ gebracht hat? Wie wollen diese Männer dem Publicum, der Opposi¬ tionspresse imponiren? Mit welcher Achtung wird ihnen denn von ihrer eigene» Partei begegnet? Ein kleiner Beitrag zur geheimen Geschichte der Redaction dieses Blattes mag hier seine Stelle finden. Vorige Woche kam Herr I>>. Hermes (dessen Anstellung am 5. All¬ zu Ende geht) wie gewöhnlich in das Redactionsbureau, um dort seine Arbeit vorzunehmen. Nicht wenig war er erstaunt, seinen Platz bereits durch den Herrn Hofrath Rousseau besetzt zu finden. Er be¬ klagte sich hierüber bei dem Redacteur v,-. Zinkeisen. Dieser aber er¬ öffnete ihm, daß Herr Oberst Schulz (ehemaliger Herausgeber des politischen Wochenblattes und nun Oberherr der Preußischen Allge¬ meinen) es so angeordnet habe. Uebrigens — wurde hinzugefügt ^ beziehen Sie ja Ihr Gehalt bis zum nächsten Juli und es kann Ihnen nur angenehm sein, wenn man Ihnen schon jetzt alle Arbeit erspart. — Diese kleine sei-in- ä'intviiem- (die man schwerlich „berich¬ tigen" wird) zeigt hinlänglich, mit welcher Achtung den Männern be- Wrenzboten 1844. l. M

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/701>, abgerufen am 18.05.2024.