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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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gegnet wird, welche die Ehre hatten, dem Berliner Journal des De-
bats anzugehören. Man nimmt sich nicht einmal die Mühe, durch
ein kleines Billet der Höflichkeit Genüge zu leisten, sondern man laßt
den Mann kommen und sagt ihm wie einem Küchenjungen: Du hast
hier Nichts mehr zu thun, Dein Lohn wird Dir bezahlt, es steht
schon ein Anderer auf Deinem Fleck! Ist das nicht moralisch, con-
servativ, imposant, groß, gouvernemental, christlich-germanisch? -- --
Oehlenschläger befindet sich noch immer hier. Es gefallt ihm
wohl in der Hauptstadt Preußens, wo ihm mit großer Zuvorkom¬
menheit überall begegnet wird. Der fünfundsechzigjahrigc Dichter ist
ein noch sehr rüstiger, wohlbehaglicher Mann mit einem freundlichen
rothwangigen Gesichte, schönen tiefblauen Augen und vollem Haar¬
wuchs, der noch wenig grau ist. Er citirt gerne seine eigenen Verse.
Er spricht das Deutsche mit vollständiger Geläufigkeit, aber mit star¬
kem, nordisch zischendem Accent, ganz wie sein Landsmann Steffens,
in dessen Gesellschaft man ihn viel sieht. Der König hat ihm das
durch Thorwaldsen's Tod erledigte Kreuz des Oiärv xm,r I" merit?
verliehen, was von Vielen bekrittelt wird. Besonders hebt man den
Umstand hervor, daß in den Statuten des Ordens gesagt wird, bei
künftigen Ordensverleihungen werden die Mitglieder zu Rathe gezo¬
gen werden, und nun sind gleich beim ersten Fall die Statuten un¬
beachtet geblieben. Ich hoffe, die Leser dieses Blattes werden sich
darüber trösten. -- In welchem traurigen Austande die hiesige Bühne
sich befindet, kann man schon aus dem Umstände ersehen, daß es der
Intendanz nicht einmal möglich wurde, zu Ehren Oehlenschlager's ei¬
nes seiner Stücke zu geben; eine Artigkeit, die sonst selbst bei gerin¬
geren Eelebritäten an allen Bühnen herkömmlich ist. -- Döring ist
endlich abgereist. Sein dreimonatliches Gastspiel hat ihm dritthalb
Tausend Thaler gebracht!! Einige jüdische Banquiers, entzückt über
seinen Banquier Müller (in Bauernfelds Liebesprotocoll) haben ihm
am Tage seiner Abreise ein glänzendes Diner gegeben und Abends
eine weithin schmetternde Serenade veranstaltet.V Auch Kranze, Ge¬
dichte sind ihm auf der Bühne zugeflogen. Man sieht: die Tänzerin¬
nen haben noch nicht alle Blumenhändlerinnen und Gelegenheitsdich¬
ter für sich allein in Beschlag genommen. -- "Raum für Alle hat
die Erde! --" -- n --


III.
Aus Wien.

Eine Nationalangclegenheit mit Mndekuhspiel, -- Hormayr und seine Zlctcn-
stücke. -- Die Augsburger Zeitung undiplomatisch. -- Geschichte und chine¬
sische Malerei.

Manche wichtige Nationalangelegenheit hat zwischen der deut¬
schen Diplomatie nicht so vieles Hin- und Herschreibcn veranlaßt, als


gegnet wird, welche die Ehre hatten, dem Berliner Journal des De-
bats anzugehören. Man nimmt sich nicht einmal die Mühe, durch
ein kleines Billet der Höflichkeit Genüge zu leisten, sondern man laßt
den Mann kommen und sagt ihm wie einem Küchenjungen: Du hast
hier Nichts mehr zu thun, Dein Lohn wird Dir bezahlt, es steht
schon ein Anderer auf Deinem Fleck! Ist das nicht moralisch, con-
servativ, imposant, groß, gouvernemental, christlich-germanisch? — —
Oehlenschläger befindet sich noch immer hier. Es gefallt ihm
wohl in der Hauptstadt Preußens, wo ihm mit großer Zuvorkom¬
menheit überall begegnet wird. Der fünfundsechzigjahrigc Dichter ist
ein noch sehr rüstiger, wohlbehaglicher Mann mit einem freundlichen
rothwangigen Gesichte, schönen tiefblauen Augen und vollem Haar¬
wuchs, der noch wenig grau ist. Er citirt gerne seine eigenen Verse.
Er spricht das Deutsche mit vollständiger Geläufigkeit, aber mit star¬
kem, nordisch zischendem Accent, ganz wie sein Landsmann Steffens,
in dessen Gesellschaft man ihn viel sieht. Der König hat ihm das
durch Thorwaldsen's Tod erledigte Kreuz des Oiärv xm,r I« merit?
verliehen, was von Vielen bekrittelt wird. Besonders hebt man den
Umstand hervor, daß in den Statuten des Ordens gesagt wird, bei
künftigen Ordensverleihungen werden die Mitglieder zu Rathe gezo¬
gen werden, und nun sind gleich beim ersten Fall die Statuten un¬
beachtet geblieben. Ich hoffe, die Leser dieses Blattes werden sich
darüber trösten. — In welchem traurigen Austande die hiesige Bühne
sich befindet, kann man schon aus dem Umstände ersehen, daß es der
Intendanz nicht einmal möglich wurde, zu Ehren Oehlenschlager's ei¬
nes seiner Stücke zu geben; eine Artigkeit, die sonst selbst bei gerin¬
geren Eelebritäten an allen Bühnen herkömmlich ist. — Döring ist
endlich abgereist. Sein dreimonatliches Gastspiel hat ihm dritthalb
Tausend Thaler gebracht!! Einige jüdische Banquiers, entzückt über
seinen Banquier Müller (in Bauernfelds Liebesprotocoll) haben ihm
am Tage seiner Abreise ein glänzendes Diner gegeben und Abends
eine weithin schmetternde Serenade veranstaltet.V Auch Kranze, Ge¬
dichte sind ihm auf der Bühne zugeflogen. Man sieht: die Tänzerin¬
nen haben noch nicht alle Blumenhändlerinnen und Gelegenheitsdich¬
ter für sich allein in Beschlag genommen. — „Raum für Alle hat
die Erde! —" — n —


III.
Aus Wien.

Eine Nationalangclegenheit mit Mndekuhspiel, — Hormayr und seine Zlctcn-
stücke. — Die Augsburger Zeitung undiplomatisch. — Geschichte und chine¬
sische Malerei.

Manche wichtige Nationalangelegenheit hat zwischen der deut¬
schen Diplomatie nicht so vieles Hin- und Herschreibcn veranlaßt, als


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[0702] gegnet wird, welche die Ehre hatten, dem Berliner Journal des De- bats anzugehören. Man nimmt sich nicht einmal die Mühe, durch ein kleines Billet der Höflichkeit Genüge zu leisten, sondern man laßt den Mann kommen und sagt ihm wie einem Küchenjungen: Du hast hier Nichts mehr zu thun, Dein Lohn wird Dir bezahlt, es steht schon ein Anderer auf Deinem Fleck! Ist das nicht moralisch, con- servativ, imposant, groß, gouvernemental, christlich-germanisch? — — Oehlenschläger befindet sich noch immer hier. Es gefallt ihm wohl in der Hauptstadt Preußens, wo ihm mit großer Zuvorkom¬ menheit überall begegnet wird. Der fünfundsechzigjahrigc Dichter ist ein noch sehr rüstiger, wohlbehaglicher Mann mit einem freundlichen rothwangigen Gesichte, schönen tiefblauen Augen und vollem Haar¬ wuchs, der noch wenig grau ist. Er citirt gerne seine eigenen Verse. Er spricht das Deutsche mit vollständiger Geläufigkeit, aber mit star¬ kem, nordisch zischendem Accent, ganz wie sein Landsmann Steffens, in dessen Gesellschaft man ihn viel sieht. Der König hat ihm das durch Thorwaldsen's Tod erledigte Kreuz des Oiärv xm,r I« merit? verliehen, was von Vielen bekrittelt wird. Besonders hebt man den Umstand hervor, daß in den Statuten des Ordens gesagt wird, bei künftigen Ordensverleihungen werden die Mitglieder zu Rathe gezo¬ gen werden, und nun sind gleich beim ersten Fall die Statuten un¬ beachtet geblieben. Ich hoffe, die Leser dieses Blattes werden sich darüber trösten. — In welchem traurigen Austande die hiesige Bühne sich befindet, kann man schon aus dem Umstände ersehen, daß es der Intendanz nicht einmal möglich wurde, zu Ehren Oehlenschlager's ei¬ nes seiner Stücke zu geben; eine Artigkeit, die sonst selbst bei gerin¬ geren Eelebritäten an allen Bühnen herkömmlich ist. — Döring ist endlich abgereist. Sein dreimonatliches Gastspiel hat ihm dritthalb Tausend Thaler gebracht!! Einige jüdische Banquiers, entzückt über seinen Banquier Müller (in Bauernfelds Liebesprotocoll) haben ihm am Tage seiner Abreise ein glänzendes Diner gegeben und Abends eine weithin schmetternde Serenade veranstaltet.V Auch Kranze, Ge¬ dichte sind ihm auf der Bühne zugeflogen. Man sieht: die Tänzerin¬ nen haben noch nicht alle Blumenhändlerinnen und Gelegenheitsdich¬ ter für sich allein in Beschlag genommen. — „Raum für Alle hat die Erde! —" — n — III. Aus Wien. Eine Nationalangclegenheit mit Mndekuhspiel, — Hormayr und seine Zlctcn- stücke. — Die Augsburger Zeitung undiplomatisch. — Geschichte und chine¬ sische Malerei. Manche wichtige Nationalangelegenheit hat zwischen der deut¬ schen Diplomatie nicht so vieles Hin- und Herschreibcn veranlaßt, als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/702>, abgerufen am 09.06.2024.