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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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neuen Statuten versehen , und im folgenden Jahre das wissenschaftliche
Institut des vormaligen Königreichs Italien durch die beiden Institute
zu Mailand und Venedig wieder hergestellt worden.




II.
Notizen.

Französische und deutsche Salons. -- Schauspiele und Opern. -- Die Bankiers-
söhne als Musiker. -- Die Fürstin Trubetzkoi. -- Gratsch gegen Custine. --
Mosen und Dingelstedt. -- Oesterreichische Propaganda. -- Kampf der Natio¬
nalitäten. -- Raume" und Amerikas Credit.

Welch ein Mißbrauch wird in Deutschland mit dem Worte
Salon getrieben und wie affectirt lächerlich klingt es in manchem
Munde und an mancher Stelle. In Frankreich begreift man unter
dem Wort Salon eigentlich jedes Zimmer, das nicht gerade einen be¬
sondern Zweck hat, d. h. das nicht als Schlaf-, sentir- oder Kinder¬
zimmer dient. Im engern Sinne und bei armen Familien ist Alles
Salon, was nicht Schlafgemach ist. Man sagt: Ich habe einen Sa¬
lon und ein Cabinet gemiethet. Während man bei uns dadurch etwas
Pompöses, Hochgeselligcs auszudrücken vermeint, hört man in Frank¬
reich die arme Wittwe, die im vierten Stock wohnt, mit demsel¬
ben Aplomb von ihrem Salon sprechen, wie die Herzogin, die ihr ge¬
genüber daS ganze prächtige Palais einnimmt. Allerdings ist eS schwer,
ein passendes deutsches Wort dafür zu finden. Wohnstube, Plaudcr-
stübchen, Empfangzimmer, Gesellschaftszimmer sind ganz verschiedene
Begriffe, die auf der einen Seite zu kleinbürgerlich und auf der andern
zu pompös klingen. Es ist, als ob selbst unsere Sprache sich dagegen
verschwöre, die Gleichheit der Stände unter uns möglich zu machen.
Hier wäre ein gutes Ersatzwort doppelt zu wünschen.

-- Der Großherzog von Oldenburg ist ein seltener Fürst. Auf
seinem Theater spielt man keine Opern; er liebt die dramatische Dicht¬
kunst mit Leidenschaft und will daher von Sängern und Tänzerinnen
Nichts wissen. Dies charakterisirt nicht nur eine Geschmacksrichtung,
sondern einen klugen, würdigen Geist. Nicht etwa, alö ob eine herr¬
liche Oper nicht ein schöner, strebcnSwerthcr Genuß sei, sondern weil
in der Regel, trotz des großen Aufwandes, den Stadt und Land zur
Erhaltung des Hoftheaters hier und da zollen, die Sänger und Sän¬
gerinnen doch meist nur Schreihälse sind, die in ihrer Unbildung und


neuen Statuten versehen , und im folgenden Jahre das wissenschaftliche
Institut des vormaligen Königreichs Italien durch die beiden Institute
zu Mailand und Venedig wieder hergestellt worden.




II.
Notizen.

Französische und deutsche Salons. — Schauspiele und Opern. — Die Bankiers-
söhne als Musiker. — Die Fürstin Trubetzkoi. — Gratsch gegen Custine. —
Mosen und Dingelstedt. — Oesterreichische Propaganda. — Kampf der Natio¬
nalitäten. — Raume« und Amerikas Credit.

Welch ein Mißbrauch wird in Deutschland mit dem Worte
Salon getrieben und wie affectirt lächerlich klingt es in manchem
Munde und an mancher Stelle. In Frankreich begreift man unter
dem Wort Salon eigentlich jedes Zimmer, das nicht gerade einen be¬
sondern Zweck hat, d. h. das nicht als Schlaf-, sentir- oder Kinder¬
zimmer dient. Im engern Sinne und bei armen Familien ist Alles
Salon, was nicht Schlafgemach ist. Man sagt: Ich habe einen Sa¬
lon und ein Cabinet gemiethet. Während man bei uns dadurch etwas
Pompöses, Hochgeselligcs auszudrücken vermeint, hört man in Frank¬
reich die arme Wittwe, die im vierten Stock wohnt, mit demsel¬
ben Aplomb von ihrem Salon sprechen, wie die Herzogin, die ihr ge¬
genüber daS ganze prächtige Palais einnimmt. Allerdings ist eS schwer,
ein passendes deutsches Wort dafür zu finden. Wohnstube, Plaudcr-
stübchen, Empfangzimmer, Gesellschaftszimmer sind ganz verschiedene
Begriffe, die auf der einen Seite zu kleinbürgerlich und auf der andern
zu pompös klingen. Es ist, als ob selbst unsere Sprache sich dagegen
verschwöre, die Gleichheit der Stände unter uns möglich zu machen.
Hier wäre ein gutes Ersatzwort doppelt zu wünschen.

— Der Großherzog von Oldenburg ist ein seltener Fürst. Auf
seinem Theater spielt man keine Opern; er liebt die dramatische Dicht¬
kunst mit Leidenschaft und will daher von Sängern und Tänzerinnen
Nichts wissen. Dies charakterisirt nicht nur eine Geschmacksrichtung,
sondern einen klugen, würdigen Geist. Nicht etwa, alö ob eine herr¬
liche Oper nicht ein schöner, strebcnSwerthcr Genuß sei, sondern weil
in der Regel, trotz des großen Aufwandes, den Stadt und Land zur
Erhaltung des Hoftheaters hier und da zollen, die Sänger und Sän¬
gerinnen doch meist nur Schreihälse sind, die in ihrer Unbildung und


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[0080] neuen Statuten versehen , und im folgenden Jahre das wissenschaftliche Institut des vormaligen Königreichs Italien durch die beiden Institute zu Mailand und Venedig wieder hergestellt worden. II. Notizen. Französische und deutsche Salons. — Schauspiele und Opern. — Die Bankiers- söhne als Musiker. — Die Fürstin Trubetzkoi. — Gratsch gegen Custine. — Mosen und Dingelstedt. — Oesterreichische Propaganda. — Kampf der Natio¬ nalitäten. — Raume« und Amerikas Credit. Welch ein Mißbrauch wird in Deutschland mit dem Worte Salon getrieben und wie affectirt lächerlich klingt es in manchem Munde und an mancher Stelle. In Frankreich begreift man unter dem Wort Salon eigentlich jedes Zimmer, das nicht gerade einen be¬ sondern Zweck hat, d. h. das nicht als Schlaf-, sentir- oder Kinder¬ zimmer dient. Im engern Sinne und bei armen Familien ist Alles Salon, was nicht Schlafgemach ist. Man sagt: Ich habe einen Sa¬ lon und ein Cabinet gemiethet. Während man bei uns dadurch etwas Pompöses, Hochgeselligcs auszudrücken vermeint, hört man in Frank¬ reich die arme Wittwe, die im vierten Stock wohnt, mit demsel¬ ben Aplomb von ihrem Salon sprechen, wie die Herzogin, die ihr ge¬ genüber daS ganze prächtige Palais einnimmt. Allerdings ist eS schwer, ein passendes deutsches Wort dafür zu finden. Wohnstube, Plaudcr- stübchen, Empfangzimmer, Gesellschaftszimmer sind ganz verschiedene Begriffe, die auf der einen Seite zu kleinbürgerlich und auf der andern zu pompös klingen. Es ist, als ob selbst unsere Sprache sich dagegen verschwöre, die Gleichheit der Stände unter uns möglich zu machen. Hier wäre ein gutes Ersatzwort doppelt zu wünschen. — Der Großherzog von Oldenburg ist ein seltener Fürst. Auf seinem Theater spielt man keine Opern; er liebt die dramatische Dicht¬ kunst mit Leidenschaft und will daher von Sängern und Tänzerinnen Nichts wissen. Dies charakterisirt nicht nur eine Geschmacksrichtung, sondern einen klugen, würdigen Geist. Nicht etwa, alö ob eine herr¬ liche Oper nicht ein schöner, strebcnSwerthcr Genuß sei, sondern weil in der Regel, trotz des großen Aufwandes, den Stadt und Land zur Erhaltung des Hoftheaters hier und da zollen, die Sänger und Sän¬ gerinnen doch meist nur Schreihälse sind, die in ihrer Unbildung und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/80>, abgerufen am 17.06.2024.