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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Unsere Journalistik wird durch zwei neue Zeitungen zum neuen^Jahre
vermehrt; durch eine homöopathische, welchr virr Aerzte im Vereine
herausgeben, und eine kritische Literaturzeitung von Dr. Schmidt; eine
im letzten Jahrr von einem Dr. Prochaska (drr jrtzt bei der Ce^nsur
angestellt ihl) brachte es nur auf 17 Nummern; wir wollen ein besseres
Schicksal der jetzt angekündigten Zeitung hoffen und wünschen. Unsere
Verhältnisse, unsere Bildung stehen nicht auf der Höhe einer Literatur-
zeitung. Die prächtig dotirter Jahrbücher der Literatur, die sich des
besondern Schutzes des Fürsten Metternich erfreuen, schleppen sich nur
vegetativ fort.

Der erste Band der Verhandlungen der böhmischen Academie und
der beiden italienischen Institute ist in diesem Jahre, und schon vor
mehreren Jahren der dritte Band der Verhandlungen der ungarischen
Gesellschaft erschienen. Warum bei so wachsenden Fortschritten des
slavischen und magyarischen Elementes dem deutschen in Oesterreich ver-
sagt ist, mit denselben gleichen wissenschaftlichen Schritt zu halten, und
warum den wissenschaftlichen Männern des deutschen Oesterreichs so
lange die Mittel vorenthalten werden, mit den Academien der Slaven,
Italiener und Magyaren, so wie mit denen von München und Berlin
zu wetteifern, darauf weiß ich nicht zu antworten.

Mehrere Zeitungen haben augenscheinlich aus derselben Quelle,
aber in zwei verschiedenen Versionen, die ganz grundlose Nachricht ver-
breitet, daß die so lange fruchtlos gehoffte Academie der Wissenschaften
nächstens, aber nur in der beschränkten Form eines Museums für Na-
turwissenschaften hier begründet werden solle; wenn die Staatsmänner,
welche an der Spitze der Regierung stehen, über die vor mehr als
sieben Jahren durch zwölf Beamte, die zugleich Männer der Wissen-
schaft, dem Erzherzog Ludwig für Se. Majestät den Kaiser überreichte
Bitte der Errichtung einer Academie der Wissenschaften noch zu keinem
Entschlusse gekommen, so scheint durch die lange Zell, welche sie sich
genommen, um die Sache in reife Ueberlegung zu ziehen, wenigstens
so viel verbürgt, daß die Anstalt nicht einseitig als ein bloßes Hilfs-
mittel der Naturwissenschaften, sondern als eine auch die historischen
und philologischen Wissenschaften umfassende in's Leben treten werde.
Einen ausführlichen Bericht über alle seit Leibnitz in Oesterreich fo oft
fruchtlos wiederholten Bemühungen zur Gründun^g einer Academie der
Wissenschaften liefert des Irländers Dr. Wilde so eben in den Buch-
handel gebrachtes englisches Werk über Oesterreichs medicinische und au-
dere Lehranstalten; die Vorrede dieses Buches ibd Winke über die
wahrscheinlichste Ursache der bisherigen Verspätung einer solchen wissen-
schaftlichen Anstalt. Der Mangel derselben zu' Wien springt um so
greller in die Augen, als die böhmische Academie der Wissenschaften
bei Grlegrnheit ihres funfzigjährigen Jubiläums (im J. 1837) mit


10*

Unsere Journalistik wird durch zwei neue Zeitungen zum neuen^Jahre
vermehrt; durch eine homöopathische, welchr virr Aerzte im Vereine
herausgeben, und eine kritische Literaturzeitung von Dr. Schmidt; eine
im letzten Jahrr von einem Dr. Prochaska (drr jrtzt bei der Ce^nsur
angestellt ihl) brachte es nur auf 17 Nummern; wir wollen ein besseres
Schicksal der jetzt angekündigten Zeitung hoffen und wünschen. Unsere
Verhältnisse, unsere Bildung stehen nicht auf der Höhe einer Literatur-
zeitung. Die prächtig dotirter Jahrbücher der Literatur, die sich des
besondern Schutzes des Fürsten Metternich erfreuen, schleppen sich nur
vegetativ fort.

Der erste Band der Verhandlungen der böhmischen Academie und
der beiden italienischen Institute ist in diesem Jahre, und schon vor
mehreren Jahren der dritte Band der Verhandlungen der ungarischen
Gesellschaft erschienen. Warum bei so wachsenden Fortschritten des
slavischen und magyarischen Elementes dem deutschen in Oesterreich ver-
sagt ist, mit denselben gleichen wissenschaftlichen Schritt zu halten, und
warum den wissenschaftlichen Männern des deutschen Oesterreichs so
lange die Mittel vorenthalten werden, mit den Academien der Slaven,
Italiener und Magyaren, so wie mit denen von München und Berlin
zu wetteifern, darauf weiß ich nicht zu antworten.

Mehrere Zeitungen haben augenscheinlich aus derselben Quelle,
aber in zwei verschiedenen Versionen, die ganz grundlose Nachricht ver-
breitet, daß die so lange fruchtlos gehoffte Academie der Wissenschaften
nächstens, aber nur in der beschränkten Form eines Museums für Na-
turwissenschaften hier begründet werden solle; wenn die Staatsmänner,
welche an der Spitze der Regierung stehen, über die vor mehr als
sieben Jahren durch zwölf Beamte, die zugleich Männer der Wissen-
schaft, dem Erzherzog Ludwig für Se. Majestät den Kaiser überreichte
Bitte der Errichtung einer Academie der Wissenschaften noch zu keinem
Entschlusse gekommen, so scheint durch die lange Zell, welche sie sich
genommen, um die Sache in reife Ueberlegung zu ziehen, wenigstens
so viel verbürgt, daß die Anstalt nicht einseitig als ein bloßes Hilfs-
mittel der Naturwissenschaften, sondern als eine auch die historischen
und philologischen Wissenschaften umfassende in's Leben treten werde.
Einen ausführlichen Bericht über alle seit Leibnitz in Oesterreich fo oft
fruchtlos wiederholten Bemühungen zur Gründun^g einer Academie der
Wissenschaften liefert des Irländers Dr. Wilde so eben in den Buch-
handel gebrachtes englisches Werk über Oesterreichs medicinische und au-
dere Lehranstalten; die Vorrede dieses Buches ibd Winke über die
wahrscheinlichste Ursache der bisherigen Verspätung einer solchen wissen-
schaftlichen Anstalt. Der Mangel derselben zu' Wien springt um so
greller in die Augen, als die böhmische Academie der Wissenschaften
bei Grlegrnheit ihres funfzigjährigen Jubiläums (im J. 1837) mit


10*
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/79>, abgerufen am 17.06.2024.