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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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uns da seine Repräsentanten, es kann nicht durch sich selbst auftre,
ten und handeln; im musikalischen Drama aber, wie es Wagner
geschaffen, tritt das Volk als solches auf; die verschiedenen dasselbe
bewegenden Elemente kommen zum massenhaften Ausdruck und hier
zeigt sich die Musik in ihrer Macht und Bedeutung, das wilde Durch¬
einander des Volkslebens, das wirre Geschrei bringt sie zu harmoni¬
scher Erscheinung. Das Drama der Alten mit seinen Chören mag
eine ähnliche Tendenz gehabt haben; nur ist unser neuer Dichter
und Komponist einen mächtigen Schritt weiter gegangen, indem er
das Volk mithandelnd austreten läßt. Hochtragisch ist der Gedanke,
daß Rienzi, dessen ganzes Sinnen und Trachten auf die Erhebung
des Volkes geht, dem eS gelingt, dieses Volk seinem großen Gedanken"
stolze nachzureißcn, der Laune dieser wandelbaren Masse fällt. Ab-
zuläugncn ist nicht, daß das Wagner'sche Werk auch manche Mängel
hat und diese Mängel bestehen zumeist in einem zu großen Reich¬
thum, es weiß der geniale Komponist nicht hauszuhalten mit seinen
reichen Schätzen, er wirst sie zu verschwenderisch um sich. ES ist
kein Richtpunkt in der ganzen Oper, man wird immerwährend durch
großartige Handlung und gewaltige Tonmassen bewegt. Die In¬
strumentalmusik tritt oft zu mächtig gegen die Sänger auf. -- Näch¬
stens wird ein neues Lustspiel von Gustow "Schwert und Zopf"
hier gegeben werden, in welchem Wilhelm I. von Preußen mithan-
delnde Person ist; es soll von vorzüglicher Wirksamkeit sein, wie man
hört. Wir haben die Hoffnung, daß Gutzkow Anfangs dieses
Jahres hierher kommen und vielleicht länger hier verweilen wird.

Wegen der Gemäldegalerie und wegen mancher anderer gün¬
stigen Verhältnisse war Dresden ganz der Ort dazu, in der neueren
Malerkunst eine hohe Bedeutung, gleich München, zu gewinnen; wohl
sind tüchtige Kräfte hier, noch wage ich aber nicht zu entscheiden, ob
die Düsseldorfer Schule, die hier einige ihrer vorzüglichsten Reprä
sentanten hat, und in der letzten Zeit sich vorzüglich geltend zu machen
wußte, für die hiesigen Kunstverhältnisse von der günstigen Wirkung
ist, die man von ihr erwartet hat. Doch kann eS mir nicht einfalle",
die Leistungen eines Bendemann und eines Hühner herabzusetzen:
ich erkenne sie in ihrem vollen Werthe, in ihrer tiefcmpfundnien
poetischen Haltung an. Bendemann ziert den Krönungssaal des
hiesigen Schlosses mit Fresken, die zum Gegenstand das menschliche


uns da seine Repräsentanten, es kann nicht durch sich selbst auftre,
ten und handeln; im musikalischen Drama aber, wie es Wagner
geschaffen, tritt das Volk als solches auf; die verschiedenen dasselbe
bewegenden Elemente kommen zum massenhaften Ausdruck und hier
zeigt sich die Musik in ihrer Macht und Bedeutung, das wilde Durch¬
einander des Volkslebens, das wirre Geschrei bringt sie zu harmoni¬
scher Erscheinung. Das Drama der Alten mit seinen Chören mag
eine ähnliche Tendenz gehabt haben; nur ist unser neuer Dichter
und Komponist einen mächtigen Schritt weiter gegangen, indem er
das Volk mithandelnd austreten läßt. Hochtragisch ist der Gedanke,
daß Rienzi, dessen ganzes Sinnen und Trachten auf die Erhebung
des Volkes geht, dem eS gelingt, dieses Volk seinem großen Gedanken»
stolze nachzureißcn, der Laune dieser wandelbaren Masse fällt. Ab-
zuläugncn ist nicht, daß das Wagner'sche Werk auch manche Mängel
hat und diese Mängel bestehen zumeist in einem zu großen Reich¬
thum, es weiß der geniale Komponist nicht hauszuhalten mit seinen
reichen Schätzen, er wirst sie zu verschwenderisch um sich. ES ist
kein Richtpunkt in der ganzen Oper, man wird immerwährend durch
großartige Handlung und gewaltige Tonmassen bewegt. Die In¬
strumentalmusik tritt oft zu mächtig gegen die Sänger auf. — Näch¬
stens wird ein neues Lustspiel von Gustow „Schwert und Zopf"
hier gegeben werden, in welchem Wilhelm I. von Preußen mithan-
delnde Person ist; es soll von vorzüglicher Wirksamkeit sein, wie man
hört. Wir haben die Hoffnung, daß Gutzkow Anfangs dieses
Jahres hierher kommen und vielleicht länger hier verweilen wird.

Wegen der Gemäldegalerie und wegen mancher anderer gün¬
stigen Verhältnisse war Dresden ganz der Ort dazu, in der neueren
Malerkunst eine hohe Bedeutung, gleich München, zu gewinnen; wohl
sind tüchtige Kräfte hier, noch wage ich aber nicht zu entscheiden, ob
die Düsseldorfer Schule, die hier einige ihrer vorzüglichsten Reprä
sentanten hat, und in der letzten Zeit sich vorzüglich geltend zu machen
wußte, für die hiesigen Kunstverhältnisse von der günstigen Wirkung
ist, die man von ihr erwartet hat. Doch kann eS mir nicht einfalle»,
die Leistungen eines Bendemann und eines Hühner herabzusetzen:
ich erkenne sie in ihrem vollen Werthe, in ihrer tiefcmpfundnien
poetischen Haltung an. Bendemann ziert den Krönungssaal des
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[0098] uns da seine Repräsentanten, es kann nicht durch sich selbst auftre, ten und handeln; im musikalischen Drama aber, wie es Wagner geschaffen, tritt das Volk als solches auf; die verschiedenen dasselbe bewegenden Elemente kommen zum massenhaften Ausdruck und hier zeigt sich die Musik in ihrer Macht und Bedeutung, das wilde Durch¬ einander des Volkslebens, das wirre Geschrei bringt sie zu harmoni¬ scher Erscheinung. Das Drama der Alten mit seinen Chören mag eine ähnliche Tendenz gehabt haben; nur ist unser neuer Dichter und Komponist einen mächtigen Schritt weiter gegangen, indem er das Volk mithandelnd austreten läßt. Hochtragisch ist der Gedanke, daß Rienzi, dessen ganzes Sinnen und Trachten auf die Erhebung des Volkes geht, dem eS gelingt, dieses Volk seinem großen Gedanken» stolze nachzureißcn, der Laune dieser wandelbaren Masse fällt. Ab- zuläugncn ist nicht, daß das Wagner'sche Werk auch manche Mängel hat und diese Mängel bestehen zumeist in einem zu großen Reich¬ thum, es weiß der geniale Komponist nicht hauszuhalten mit seinen reichen Schätzen, er wirst sie zu verschwenderisch um sich. ES ist kein Richtpunkt in der ganzen Oper, man wird immerwährend durch großartige Handlung und gewaltige Tonmassen bewegt. Die In¬ strumentalmusik tritt oft zu mächtig gegen die Sänger auf. — Näch¬ stens wird ein neues Lustspiel von Gustow „Schwert und Zopf" hier gegeben werden, in welchem Wilhelm I. von Preußen mithan- delnde Person ist; es soll von vorzüglicher Wirksamkeit sein, wie man hört. Wir haben die Hoffnung, daß Gutzkow Anfangs dieses Jahres hierher kommen und vielleicht länger hier verweilen wird. Wegen der Gemäldegalerie und wegen mancher anderer gün¬ stigen Verhältnisse war Dresden ganz der Ort dazu, in der neueren Malerkunst eine hohe Bedeutung, gleich München, zu gewinnen; wohl sind tüchtige Kräfte hier, noch wage ich aber nicht zu entscheiden, ob die Düsseldorfer Schule, die hier einige ihrer vorzüglichsten Reprä sentanten hat, und in der letzten Zeit sich vorzüglich geltend zu machen wußte, für die hiesigen Kunstverhältnisse von der günstigen Wirkung ist, die man von ihr erwartet hat. Doch kann eS mir nicht einfalle», die Leistungen eines Bendemann und eines Hühner herabzusetzen: ich erkenne sie in ihrem vollen Werthe, in ihrer tiefcmpfundnien poetischen Haltung an. Bendemann ziert den Krönungssaal des hiesigen Schlosses mit Fresken, die zum Gegenstand das menschliche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/98>, abgerufen am 17.06.2024.