Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Da haben Sie's. Wenn nur ein anderer Brauch eingeführt würde,
daß der Orden immer an den rechten Mann käme, -- da war' uns
geholfen! Und zuletzt heißt es, mit der rührenden Resignation und
dem begeisternden Trotz eines schmollenden Kindes:

Du, den wir hier feiern und lieben zugleich,
Du suche Dein Sternlein im Himmelreich,
Denn was kein König Dir geben kann,
Das triffst Du im Herzen der Deinen an.
Nicht was am Rock und am Knopfloch sitzt:
Was aus tausend Augen entgegen Dir blitzt,
Die Thräne für Dein unsterblich Lied,
Das ist Dein Orden i>o"r Is msrits.

Dreimal armer Grillparzer! Nicht nur, daß du den Orden nicht
bekommen hast, Du mußt Dich auch noch von Deinem tactvollen
Freunde darüber trösten und beruhigen lassen; und Du darfst ihm
nicht einmal was sagen, weil es ein guter Mensch ist und es treu
gemeint hat. Mir kam Grillparzer wie ein Opferlamm vor. Wit¬
thauer dagegen triumphirte, als sein Vers gedruckt war, mit stolzen
Schritten umher und hatte eine kindische Freude, daß er für das
kühne Gedicht das innren-Uur durchgesetzt hatte! --

Noch bezeichnender für die politischen Begriffe dieses Jour¬
nalisten ist folgende Wiener Episode, welche Ihnen vielleicht nicht
bekannt sein dürfte. Als während Dingelstedt's Anwesenheit in Wien
einige Redactoren eine Bittschrift an die Staatskanzlei um gelindere
Censur einreichten, da schloß sich Wirthaucr von dem Unternehmen
aus. Warum denken Sie? Etwa aus Furcht? Gott behüte! Oder
aus Servilismus? Auch nicht, denn, soweit er es eben versteht, ist
Witthauer wirklich freisinnig und wünschte so gut wie die Andern
eine weniger unbequeme Censur. Warum also? -- Weil Saphir,
mit dem er gespannt ist, einer der Mitunterzeichner war. So wissen
die Herrn Person und Sache zu trennen. Mit so großartigen An¬
schauungen kann man allerdings die erhabensten Ziele erreichen. Ich,
denkt der Mann, ich bin anständig, ich darf um Preßfreiheit bitten,
aber wenn ich sie mit dem da theilen soll, -- nein, da will ich
lieber gar Nichts haben. -- Ich bitte Sie, was war denn das fa¬
mose Verbrechen, welches die ganze deutsche Journalistik Dingelstedt
so heftig vorwarf, anders? Er hatte ebenfalls nur gesagt: Ich ver¬
diene Preßfreiheit, Ihr da in Wien, ihr seid ihrer nicht würdig. --
Was die schäumende "Erklärung" betrifft, die Sie in der Wiener
Zeitschrift gegen Ihr Blatt gesunden haben werden, so scheint sie mir
jedenfalls nicht so arg gemeint. Ich bin überzeugt, Witthauer würde
bei jedem neuen Angriff, von woher er kommen mag, ganz dasselbe hersa¬
gen mit geringem Wortuntcrschied; es ist eine ausgezeichnete Erklä¬
rung, denn sie paßt auf alle möglichen Falle.


Da haben Sie's. Wenn nur ein anderer Brauch eingeführt würde,
daß der Orden immer an den rechten Mann käme, — da war' uns
geholfen! Und zuletzt heißt es, mit der rührenden Resignation und
dem begeisternden Trotz eines schmollenden Kindes:

Du, den wir hier feiern und lieben zugleich,
Du suche Dein Sternlein im Himmelreich,
Denn was kein König Dir geben kann,
Das triffst Du im Herzen der Deinen an.
Nicht was am Rock und am Knopfloch sitzt:
Was aus tausend Augen entgegen Dir blitzt,
Die Thräne für Dein unsterblich Lied,
Das ist Dein Orden i>o»r Is msrits.

Dreimal armer Grillparzer! Nicht nur, daß du den Orden nicht
bekommen hast, Du mußt Dich auch noch von Deinem tactvollen
Freunde darüber trösten und beruhigen lassen; und Du darfst ihm
nicht einmal was sagen, weil es ein guter Mensch ist und es treu
gemeint hat. Mir kam Grillparzer wie ein Opferlamm vor. Wit¬
thauer dagegen triumphirte, als sein Vers gedruckt war, mit stolzen
Schritten umher und hatte eine kindische Freude, daß er für das
kühne Gedicht das innren-Uur durchgesetzt hatte! —

Noch bezeichnender für die politischen Begriffe dieses Jour¬
nalisten ist folgende Wiener Episode, welche Ihnen vielleicht nicht
bekannt sein dürfte. Als während Dingelstedt's Anwesenheit in Wien
einige Redactoren eine Bittschrift an die Staatskanzlei um gelindere
Censur einreichten, da schloß sich Wirthaucr von dem Unternehmen
aus. Warum denken Sie? Etwa aus Furcht? Gott behüte! Oder
aus Servilismus? Auch nicht, denn, soweit er es eben versteht, ist
Witthauer wirklich freisinnig und wünschte so gut wie die Andern
eine weniger unbequeme Censur. Warum also? — Weil Saphir,
mit dem er gespannt ist, einer der Mitunterzeichner war. So wissen
die Herrn Person und Sache zu trennen. Mit so großartigen An¬
schauungen kann man allerdings die erhabensten Ziele erreichen. Ich,
denkt der Mann, ich bin anständig, ich darf um Preßfreiheit bitten,
aber wenn ich sie mit dem da theilen soll, — nein, da will ich
lieber gar Nichts haben. — Ich bitte Sie, was war denn das fa¬
mose Verbrechen, welches die ganze deutsche Journalistik Dingelstedt
so heftig vorwarf, anders? Er hatte ebenfalls nur gesagt: Ich ver¬
diene Preßfreiheit, Ihr da in Wien, ihr seid ihrer nicht würdig. —
Was die schäumende „Erklärung" betrifft, die Sie in der Wiener
Zeitschrift gegen Ihr Blatt gesunden haben werden, so scheint sie mir
jedenfalls nicht so arg gemeint. Ich bin überzeugt, Witthauer würde
bei jedem neuen Angriff, von woher er kommen mag, ganz dasselbe hersa¬
gen mit geringem Wortuntcrschied; es ist eine ausgezeichnete Erklä¬
rung, denn sie paßt auf alle möglichen Falle.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0146" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180705"/>
            <p xml:id="ID_321" prev="#ID_320"> Da haben Sie's. Wenn nur ein anderer Brauch eingeführt würde,<lb/>
daß der Orden immer an den rechten Mann käme, &#x2014; da war' uns<lb/>
geholfen! Und zuletzt heißt es, mit der rührenden Resignation und<lb/>
dem begeisternden Trotz eines schmollenden Kindes:</p><lb/>
            <lg xml:id="POEMID_4" type="poem">
              <l> Du, den wir hier feiern und lieben zugleich,<lb/>
Du suche Dein Sternlein im Himmelreich,<lb/>
Denn was kein König Dir geben kann,<lb/>
Das triffst Du im Herzen der Deinen an.<lb/>
Nicht was am Rock und am Knopfloch sitzt:<lb/>
Was aus tausend Augen entgegen Dir blitzt,<lb/>
Die Thräne für Dein unsterblich Lied,<lb/>
Das ist Dein Orden i&gt;o»r Is msrits.</l>
            </lg><lb/>
            <p xml:id="ID_322"> Dreimal armer Grillparzer! Nicht nur, daß du den Orden nicht<lb/>
bekommen hast, Du mußt Dich auch noch von Deinem tactvollen<lb/>
Freunde darüber trösten und beruhigen lassen; und Du darfst ihm<lb/>
nicht einmal was sagen, weil es ein guter Mensch ist und es treu<lb/>
gemeint hat. Mir kam Grillparzer wie ein Opferlamm vor. Wit¬<lb/>
thauer dagegen triumphirte, als sein Vers gedruckt war, mit stolzen<lb/>
Schritten umher und hatte eine kindische Freude, daß er für das<lb/>
kühne Gedicht das innren-Uur durchgesetzt hatte! &#x2014;</p><lb/>
            <p xml:id="ID_323"> Noch bezeichnender für die politischen Begriffe dieses Jour¬<lb/>
nalisten ist folgende Wiener Episode, welche Ihnen vielleicht nicht<lb/>
bekannt sein dürfte. Als während Dingelstedt's Anwesenheit in Wien<lb/>
einige Redactoren eine Bittschrift an die Staatskanzlei um gelindere<lb/>
Censur einreichten, da schloß sich Wirthaucr von dem Unternehmen<lb/>
aus. Warum denken Sie? Etwa aus Furcht? Gott behüte! Oder<lb/>
aus Servilismus? Auch nicht, denn, soweit er es eben versteht, ist<lb/>
Witthauer wirklich freisinnig und wünschte so gut wie die Andern<lb/>
eine weniger unbequeme Censur. Warum also? &#x2014; Weil Saphir,<lb/>
mit dem er gespannt ist, einer der Mitunterzeichner war. So wissen<lb/>
die Herrn Person und Sache zu trennen. Mit so großartigen An¬<lb/>
schauungen kann man allerdings die erhabensten Ziele erreichen. Ich,<lb/>
denkt der Mann, ich bin anständig, ich darf um Preßfreiheit bitten,<lb/>
aber wenn ich sie mit dem da theilen soll, &#x2014; nein, da will ich<lb/>
lieber gar Nichts haben. &#x2014; Ich bitte Sie, was war denn das fa¬<lb/>
mose Verbrechen, welches die ganze deutsche Journalistik Dingelstedt<lb/>
so heftig vorwarf, anders? Er hatte ebenfalls nur gesagt: Ich ver¬<lb/>
diene Preßfreiheit, Ihr da in Wien, ihr seid ihrer nicht würdig. &#x2014;<lb/>
Was die schäumende &#x201E;Erklärung" betrifft, die Sie in der Wiener<lb/>
Zeitschrift gegen Ihr Blatt gesunden haben werden, so scheint sie mir<lb/>
jedenfalls nicht so arg gemeint. Ich bin überzeugt, Witthauer würde<lb/>
bei jedem neuen Angriff, von woher er kommen mag, ganz dasselbe hersa¬<lb/>
gen mit geringem Wortuntcrschied; es ist eine ausgezeichnete Erklä¬<lb/>
rung, denn sie paßt auf alle möglichen Falle.</p><lb/>
            <note type="byline"/><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0146] Da haben Sie's. Wenn nur ein anderer Brauch eingeführt würde, daß der Orden immer an den rechten Mann käme, — da war' uns geholfen! Und zuletzt heißt es, mit der rührenden Resignation und dem begeisternden Trotz eines schmollenden Kindes: Du, den wir hier feiern und lieben zugleich, Du suche Dein Sternlein im Himmelreich, Denn was kein König Dir geben kann, Das triffst Du im Herzen der Deinen an. Nicht was am Rock und am Knopfloch sitzt: Was aus tausend Augen entgegen Dir blitzt, Die Thräne für Dein unsterblich Lied, Das ist Dein Orden i>o»r Is msrits. Dreimal armer Grillparzer! Nicht nur, daß du den Orden nicht bekommen hast, Du mußt Dich auch noch von Deinem tactvollen Freunde darüber trösten und beruhigen lassen; und Du darfst ihm nicht einmal was sagen, weil es ein guter Mensch ist und es treu gemeint hat. Mir kam Grillparzer wie ein Opferlamm vor. Wit¬ thauer dagegen triumphirte, als sein Vers gedruckt war, mit stolzen Schritten umher und hatte eine kindische Freude, daß er für das kühne Gedicht das innren-Uur durchgesetzt hatte! — Noch bezeichnender für die politischen Begriffe dieses Jour¬ nalisten ist folgende Wiener Episode, welche Ihnen vielleicht nicht bekannt sein dürfte. Als während Dingelstedt's Anwesenheit in Wien einige Redactoren eine Bittschrift an die Staatskanzlei um gelindere Censur einreichten, da schloß sich Wirthaucr von dem Unternehmen aus. Warum denken Sie? Etwa aus Furcht? Gott behüte! Oder aus Servilismus? Auch nicht, denn, soweit er es eben versteht, ist Witthauer wirklich freisinnig und wünschte so gut wie die Andern eine weniger unbequeme Censur. Warum also? — Weil Saphir, mit dem er gespannt ist, einer der Mitunterzeichner war. So wissen die Herrn Person und Sache zu trennen. Mit so großartigen An¬ schauungen kann man allerdings die erhabensten Ziele erreichen. Ich, denkt der Mann, ich bin anständig, ich darf um Preßfreiheit bitten, aber wenn ich sie mit dem da theilen soll, — nein, da will ich lieber gar Nichts haben. — Ich bitte Sie, was war denn das fa¬ mose Verbrechen, welches die ganze deutsche Journalistik Dingelstedt so heftig vorwarf, anders? Er hatte ebenfalls nur gesagt: Ich ver¬ diene Preßfreiheit, Ihr da in Wien, ihr seid ihrer nicht würdig. — Was die schäumende „Erklärung" betrifft, die Sie in der Wiener Zeitschrift gegen Ihr Blatt gesunden haben werden, so scheint sie mir jedenfalls nicht so arg gemeint. Ich bin überzeugt, Witthauer würde bei jedem neuen Angriff, von woher er kommen mag, ganz dasselbe hersa¬ gen mit geringem Wortuntcrschied; es ist eine ausgezeichnete Erklä¬ rung, denn sie paßt auf alle möglichen Falle.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/146
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/146>, abgerufen am 10.06.2024.