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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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IV.
Eine deutsche Schrift über Algier.
Bon Clemens Lamping- (Erinnerungen aus Algerien.

Seit den Mittheilungen des Fürsten von Pückler und Heinrich
Laube's über Algerien und seine Zustände ist in deutscher Sprache
wohl Nichts vernommen worden, was mit so frischer Lebendigkeit und
natürlicher Kraft in die Anschauung jener Dinge versetzt, als dies
durch das vorliegende kleine Buch geschieht. Der Verfasser, ein jun¬
ger oldenburgischer Offizier, überdrüssig eines wcchsellosen Friedensdien-
stcs und begierig nach Thätigkeit und Erfahrung, wie sie sein Stand
zu wünschen berechtigt ist, nahm im Juli 1839 aus den freundlich¬
heimischen Verhältnissen den Abschied und ging nach Spanien, um
dort Kriegsdienste zu nehmen. Viele wackere Deutsche sahen wir in
den letzten Jahren jenen Schauplatz der Gefahren und Abenteuer auf¬
suchen, aber fast immer auf die Seite des Rückschritts und des Un¬
glücks, auf die Seite des Don Carlos, reihte sich dieser Zuzug. Hier
sehen wir einmal einen jungen Deutschen, dessen Eifer die Sache des
Fortschritts und der Neuerung ergreift, und der zu den Fahnen des
damals tapfer und kühn aufsteigenden Espartero treten will! Allein
es gelingt ihm nicht, und obschon er den Vorzug hat, der spanischen
Sprache vollkommen kundig zu sein und seinen Cervantes wie seinen
Homer geläufig zu lesen, so findet doch der Ausländer so große Schwie¬
rigkeiten, daß er seinen Zweck hier aufgibt, dagegen die Augen nach
Afrika wendet und daselbst bei den Franzosen Dienste nehmen will.
Nach mühsam erlangter Ueberfahrt wird er in Algier als Freiwilliger
bei der Fremdenlegion aufgenommen.

Hier dient er nun zwei Jahre, zuletzt als Korporal der Voltigeurs,
denn zu Ofsiziersstellen werden meist nur Franzosen ausersehen. Die
Wechsel eines thätigen Kriegslebens, die Mühen und Leiden der an¬
strengenden Märsche, die Lust der Gefechte, die mannigfache Natur
des Landes, das bunte Völkergemisch der Einwohner, die dargebotenen
Anschauungen und unwillkürlichen Stimmungen, alles Dieses beschreibt
er in kurzer, ungezierter Rede, immer von Gegenstand zu Gegenstand
forteilend, ohne je selber solche Betrachtungen anzustellen, die besser
der Leser aus dem Ueberlieferten nach Belieben schöpfen mag. Ein
verehrter Freund schreibt uns hierüber sehr bezeichnend: "In sich ge¬
zogen und verschlossen, wie der Verfasser ist, würde er ohne besondere
Anregung nie dazu gekommen sein, sich von dem Erlebten und des¬
sen tastender Schwere durch die Darstellung zu befreien. Sein Buch
ist reines Naturprodukt, und hat in seiner nackten Thatsächlichkeit, in
seinem Ernste der Behandlung, in der schmucklosen, einfachen, scharf
wie ein Dolchstoß auf's Ziel gehenden Art der Rede und des Satz-


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IV.
Eine deutsche Schrift über Algier.
Bon Clemens Lamping- (Erinnerungen aus Algerien.

Seit den Mittheilungen des Fürsten von Pückler und Heinrich
Laube's über Algerien und seine Zustände ist in deutscher Sprache
wohl Nichts vernommen worden, was mit so frischer Lebendigkeit und
natürlicher Kraft in die Anschauung jener Dinge versetzt, als dies
durch das vorliegende kleine Buch geschieht. Der Verfasser, ein jun¬
ger oldenburgischer Offizier, überdrüssig eines wcchsellosen Friedensdien-
stcs und begierig nach Thätigkeit und Erfahrung, wie sie sein Stand
zu wünschen berechtigt ist, nahm im Juli 1839 aus den freundlich¬
heimischen Verhältnissen den Abschied und ging nach Spanien, um
dort Kriegsdienste zu nehmen. Viele wackere Deutsche sahen wir in
den letzten Jahren jenen Schauplatz der Gefahren und Abenteuer auf¬
suchen, aber fast immer auf die Seite des Rückschritts und des Un¬
glücks, auf die Seite des Don Carlos, reihte sich dieser Zuzug. Hier
sehen wir einmal einen jungen Deutschen, dessen Eifer die Sache des
Fortschritts und der Neuerung ergreift, und der zu den Fahnen des
damals tapfer und kühn aufsteigenden Espartero treten will! Allein
es gelingt ihm nicht, und obschon er den Vorzug hat, der spanischen
Sprache vollkommen kundig zu sein und seinen Cervantes wie seinen
Homer geläufig zu lesen, so findet doch der Ausländer so große Schwie¬
rigkeiten, daß er seinen Zweck hier aufgibt, dagegen die Augen nach
Afrika wendet und daselbst bei den Franzosen Dienste nehmen will.
Nach mühsam erlangter Ueberfahrt wird er in Algier als Freiwilliger
bei der Fremdenlegion aufgenommen.

Hier dient er nun zwei Jahre, zuletzt als Korporal der Voltigeurs,
denn zu Ofsiziersstellen werden meist nur Franzosen ausersehen. Die
Wechsel eines thätigen Kriegslebens, die Mühen und Leiden der an¬
strengenden Märsche, die Lust der Gefechte, die mannigfache Natur
des Landes, das bunte Völkergemisch der Einwohner, die dargebotenen
Anschauungen und unwillkürlichen Stimmungen, alles Dieses beschreibt
er in kurzer, ungezierter Rede, immer von Gegenstand zu Gegenstand
forteilend, ohne je selber solche Betrachtungen anzustellen, die besser
der Leser aus dem Ueberlieferten nach Belieben schöpfen mag. Ein
verehrter Freund schreibt uns hierüber sehr bezeichnend: „In sich ge¬
zogen und verschlossen, wie der Verfasser ist, würde er ohne besondere
Anregung nie dazu gekommen sein, sich von dem Erlebten und des¬
sen tastender Schwere durch die Darstellung zu befreien. Sein Buch
ist reines Naturprodukt, und hat in seiner nackten Thatsächlichkeit, in
seinem Ernste der Behandlung, in der schmucklosen, einfachen, scharf
wie ein Dolchstoß auf's Ziel gehenden Art der Rede und des Satz-


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[0147] IV. Eine deutsche Schrift über Algier. Bon Clemens Lamping- (Erinnerungen aus Algerien. Seit den Mittheilungen des Fürsten von Pückler und Heinrich Laube's über Algerien und seine Zustände ist in deutscher Sprache wohl Nichts vernommen worden, was mit so frischer Lebendigkeit und natürlicher Kraft in die Anschauung jener Dinge versetzt, als dies durch das vorliegende kleine Buch geschieht. Der Verfasser, ein jun¬ ger oldenburgischer Offizier, überdrüssig eines wcchsellosen Friedensdien- stcs und begierig nach Thätigkeit und Erfahrung, wie sie sein Stand zu wünschen berechtigt ist, nahm im Juli 1839 aus den freundlich¬ heimischen Verhältnissen den Abschied und ging nach Spanien, um dort Kriegsdienste zu nehmen. Viele wackere Deutsche sahen wir in den letzten Jahren jenen Schauplatz der Gefahren und Abenteuer auf¬ suchen, aber fast immer auf die Seite des Rückschritts und des Un¬ glücks, auf die Seite des Don Carlos, reihte sich dieser Zuzug. Hier sehen wir einmal einen jungen Deutschen, dessen Eifer die Sache des Fortschritts und der Neuerung ergreift, und der zu den Fahnen des damals tapfer und kühn aufsteigenden Espartero treten will! Allein es gelingt ihm nicht, und obschon er den Vorzug hat, der spanischen Sprache vollkommen kundig zu sein und seinen Cervantes wie seinen Homer geläufig zu lesen, so findet doch der Ausländer so große Schwie¬ rigkeiten, daß er seinen Zweck hier aufgibt, dagegen die Augen nach Afrika wendet und daselbst bei den Franzosen Dienste nehmen will. Nach mühsam erlangter Ueberfahrt wird er in Algier als Freiwilliger bei der Fremdenlegion aufgenommen. Hier dient er nun zwei Jahre, zuletzt als Korporal der Voltigeurs, denn zu Ofsiziersstellen werden meist nur Franzosen ausersehen. Die Wechsel eines thätigen Kriegslebens, die Mühen und Leiden der an¬ strengenden Märsche, die Lust der Gefechte, die mannigfache Natur des Landes, das bunte Völkergemisch der Einwohner, die dargebotenen Anschauungen und unwillkürlichen Stimmungen, alles Dieses beschreibt er in kurzer, ungezierter Rede, immer von Gegenstand zu Gegenstand forteilend, ohne je selber solche Betrachtungen anzustellen, die besser der Leser aus dem Ueberlieferten nach Belieben schöpfen mag. Ein verehrter Freund schreibt uns hierüber sehr bezeichnend: „In sich ge¬ zogen und verschlossen, wie der Verfasser ist, würde er ohne besondere Anregung nie dazu gekommen sein, sich von dem Erlebten und des¬ sen tastender Schwere durch die Darstellung zu befreien. Sein Buch ist reines Naturprodukt, und hat in seiner nackten Thatsächlichkeit, in seinem Ernste der Behandlung, in der schmucklosen, einfachen, scharf wie ein Dolchstoß auf's Ziel gehenden Art der Rede und des Satz- 18 »

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/147>, abgerufen am 19.05.2024.