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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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sind seine Landschaften. -- C. Hasenpflug Klosterruine bei Mor¬
genbeleuchtung. -- Das eine Jahr: Klosterruine bei Morgenbeleuch-
tung, das andere Jahr: Klosterruine bei Morgenbeleuchtung, und
so ewig fort in schöner Abwechselung. Man weiß es schon und
kann es beim (Antritte in die Zimmer mit Gewißheit voraussagen:
im Saale VI. an der mittleren Bretterwand an der Ecke hangt eine
Klosterruine von Hasenpflug, nur daS Eine ist ungewiß, ob bei
Morgenbeleuchtung oder Abendbeleuchtung. Da ist unser Ernst,
wenn auch nicht so vollendet in der Technik, doch mannigfaltiger in
seinen architektonischen Stücken.

So weit mit Landschaft und Architektur. -- Mit der Genre¬
malerei sieht es schlechter aus. Da braucht schon der Geist freien
Spielraum, er muß in alle Verhältnisse greifen, lyrisch, humoristisch,
satyrisch, episch. Von all dem aber bleibt dem Oesterreicher seiner
Natur nach nur das lyrische Element. Aber Peter Fendi ist todt,
sein Schüler, der talentvolle Carl Schindler, ist ihm nachgefolgt; wer
bleibt uns als Waldmüller, L'Allemant und etwa Trent und einige
wenige Unbedeutende. Ammerling, Schiavone gehören in eine
andere Kategorie; Waldmüllers "Erstehen zum neuen Leben"
ist wohl das beste Genrebild der diesjährigen Ausstellung. Ein alter
Landmann, der nach lebensgefährlicher Krankheit zum ersten Male wie-^
der hinaustritt in den erwachenden Frühling, in Gottes frische, freie
Natur, er, der sich demüthig schon zum letzten Wege bereitet
hatte. -- Seine Kinder stützen ihn, wie er über die Schwelle seiner
Hütte tritt und unwillkürlich die Kappe vom greisen Schädel zieht
und begeistert zum Himmel blickt. O eine Idylle, schöner und rüh¬
render als alle von Voß und Hölty, eine Idylle, bei der man wei¬
nen möchte. -- Waldmüller, weil er eine derbe, gesunde Natur ist,
wird verkannt von denen, die das Superfeine, Neberzarte lieben; weil
er seinen Bäuerinnen derbe rothe Backen gibt, spricht man ihm alle
Romantik ab; es geht ihm wie so vielen Poeten, die sich nicht
nur mit Veilchen, Liliendust und Mondschein abgeben wollen. --
L'Allemant mit seinen plänkelnden Husaren zeigt, wie er sich
schnell einen Namen machen könnte, wenn er sich nur eine My-
stification a 1a Willibald Aleris erlauben wollte, und anstatt
seines irgend einen berühmten Namen in den Katalog, setzen


sind seine Landschaften. — C. Hasenpflug Klosterruine bei Mor¬
genbeleuchtung. — Das eine Jahr: Klosterruine bei Morgenbeleuch-
tung, das andere Jahr: Klosterruine bei Morgenbeleuchtung, und
so ewig fort in schöner Abwechselung. Man weiß es schon und
kann es beim (Antritte in die Zimmer mit Gewißheit voraussagen:
im Saale VI. an der mittleren Bretterwand an der Ecke hangt eine
Klosterruine von Hasenpflug, nur daS Eine ist ungewiß, ob bei
Morgenbeleuchtung oder Abendbeleuchtung. Da ist unser Ernst,
wenn auch nicht so vollendet in der Technik, doch mannigfaltiger in
seinen architektonischen Stücken.

So weit mit Landschaft und Architektur. — Mit der Genre¬
malerei sieht es schlechter aus. Da braucht schon der Geist freien
Spielraum, er muß in alle Verhältnisse greifen, lyrisch, humoristisch,
satyrisch, episch. Von all dem aber bleibt dem Oesterreicher seiner
Natur nach nur das lyrische Element. Aber Peter Fendi ist todt,
sein Schüler, der talentvolle Carl Schindler, ist ihm nachgefolgt; wer
bleibt uns als Waldmüller, L'Allemant und etwa Trent und einige
wenige Unbedeutende. Ammerling, Schiavone gehören in eine
andere Kategorie; Waldmüllers „Erstehen zum neuen Leben"
ist wohl das beste Genrebild der diesjährigen Ausstellung. Ein alter
Landmann, der nach lebensgefährlicher Krankheit zum ersten Male wie-^
der hinaustritt in den erwachenden Frühling, in Gottes frische, freie
Natur, er, der sich demüthig schon zum letzten Wege bereitet
hatte. — Seine Kinder stützen ihn, wie er über die Schwelle seiner
Hütte tritt und unwillkürlich die Kappe vom greisen Schädel zieht
und begeistert zum Himmel blickt. O eine Idylle, schöner und rüh¬
render als alle von Voß und Hölty, eine Idylle, bei der man wei¬
nen möchte. — Waldmüller, weil er eine derbe, gesunde Natur ist,
wird verkannt von denen, die das Superfeine, Neberzarte lieben; weil
er seinen Bäuerinnen derbe rothe Backen gibt, spricht man ihm alle
Romantik ab; es geht ihm wie so vielen Poeten, die sich nicht
nur mit Veilchen, Liliendust und Mondschein abgeben wollen. —
L'Allemant mit seinen plänkelnden Husaren zeigt, wie er sich
schnell einen Namen machen könnte, wenn er sich nur eine My-
stification a 1a Willibald Aleris erlauben wollte, und anstatt
seines irgend einen berühmten Namen in den Katalog, setzen


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[0060] sind seine Landschaften. — C. Hasenpflug Klosterruine bei Mor¬ genbeleuchtung. — Das eine Jahr: Klosterruine bei Morgenbeleuch- tung, das andere Jahr: Klosterruine bei Morgenbeleuchtung, und so ewig fort in schöner Abwechselung. Man weiß es schon und kann es beim (Antritte in die Zimmer mit Gewißheit voraussagen: im Saale VI. an der mittleren Bretterwand an der Ecke hangt eine Klosterruine von Hasenpflug, nur daS Eine ist ungewiß, ob bei Morgenbeleuchtung oder Abendbeleuchtung. Da ist unser Ernst, wenn auch nicht so vollendet in der Technik, doch mannigfaltiger in seinen architektonischen Stücken. So weit mit Landschaft und Architektur. — Mit der Genre¬ malerei sieht es schlechter aus. Da braucht schon der Geist freien Spielraum, er muß in alle Verhältnisse greifen, lyrisch, humoristisch, satyrisch, episch. Von all dem aber bleibt dem Oesterreicher seiner Natur nach nur das lyrische Element. Aber Peter Fendi ist todt, sein Schüler, der talentvolle Carl Schindler, ist ihm nachgefolgt; wer bleibt uns als Waldmüller, L'Allemant und etwa Trent und einige wenige Unbedeutende. Ammerling, Schiavone gehören in eine andere Kategorie; Waldmüllers „Erstehen zum neuen Leben" ist wohl das beste Genrebild der diesjährigen Ausstellung. Ein alter Landmann, der nach lebensgefährlicher Krankheit zum ersten Male wie-^ der hinaustritt in den erwachenden Frühling, in Gottes frische, freie Natur, er, der sich demüthig schon zum letzten Wege bereitet hatte. — Seine Kinder stützen ihn, wie er über die Schwelle seiner Hütte tritt und unwillkürlich die Kappe vom greisen Schädel zieht und begeistert zum Himmel blickt. O eine Idylle, schöner und rüh¬ render als alle von Voß und Hölty, eine Idylle, bei der man wei¬ nen möchte. — Waldmüller, weil er eine derbe, gesunde Natur ist, wird verkannt von denen, die das Superfeine, Neberzarte lieben; weil er seinen Bäuerinnen derbe rothe Backen gibt, spricht man ihm alle Romantik ab; es geht ihm wie so vielen Poeten, die sich nicht nur mit Veilchen, Liliendust und Mondschein abgeben wollen. — L'Allemant mit seinen plänkelnden Husaren zeigt, wie er sich schnell einen Namen machen könnte, wenn er sich nur eine My- stification a 1a Willibald Aleris erlauben wollte, und anstatt seines irgend einen berühmten Namen in den Katalog, setzen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/60>, abgerufen am 10.06.2024.