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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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ließe, z. B. H. Venet. -- Trent ist ein glücklicher Nachahmer des oben¬
erwähnten verstorbenen Schindler. -- B>rabäö, der Ungar, ist unter
den Malern seines Vaterlandes, was Josika unter seinen Schriftstel¬
lern. Ein ungarischer Romantiker! -- Die Hoffende, die Trau¬
ernde, die nachdenkende heißen drei Bilder, deren Vater schon
aus den Überschriften leicht zu erkennen ist. Es ist natale Schia-
vone, der an sentimentalen Töchtern der Art so reiche Vater, der schon
in einem Jahre mehr Mävchen malte, als es seit zwei Jahrhunder¬
ten in Kurhessen Maitressen gab, und das will viel sagen! -- Re¬
volutionen wird er keine hervorbringen, wohl aber rasche
Wallungen des Geblütes, nicht nur in den Adern eines Wieners,
sondern auch in denen eines verhegelten Norddeutschen, und wenn er
noch so viel abstrahirt. So sind die Bilder Schiavone's; ob das
gut ist oder schlecht, überlasse ich dem individuellen Urtheile des einzelnen
Lesers. Auch glaube ich, sind diese Bilder mehr den Studienköpfen
zuzuzählen, als dem Genre. Daß sie nicht Poetcne sind, dafür
bürgt die Sittlichkeit der Wienerinnen.--Ganz anders ist es mit den
sogenannten Studienköpfen Ammerling's. Dieser Maler, der früher
nur das Reizende, nicht die Schönheit kannte, der Knalleffecte in
Farben, aber keine eigentlichen Eindrücke hervorzubringen wußte, hat
nun in Rom eine hohe Schule durchgemacht und heroisch alle die Feh¬
ler abgelegt, die blendenden Unarten, die ihn vor Jahren zum Ab¬
gott der Wiener machten. Italien konnte ihn zwar nicht lehren,
was Schönheit sei, denn das lernt sich nicht, aber den tiefen poeti¬
schen Sinn, den Sinn für die hohe Schönheit, die man nicht nur
mit dem Auge sieht, die man auch denken und fühlen muß, diesen
Sinn, der unter dem österreichischen Materialismus begraben lag, hat
die italienische S011115 geweckt und zu herrlichen, vollendeten Blüthen
hervorgezogen. Diese Blüthen heißen in der diesjährigen Ausstellung
und in der prosaischen Sprache des Katalogs.- Italienische Mädchen,
zwei alte Männer, ein Mann, Thorwaldsen's Porträt, Rebccka und
noch zwei Wiener Porträts. -- Wir können unmöglich diese Bilder
beschreiben. Von einer Landschaft, einem Historienbilde lassen sich
wenigstens die Details auszählen, aber was soll man an diesen ein¬
zelnen Gestalten hervorheben? Beschreibe mir Einer den Mondschein,
die Krystallhelle eines Quells oder dergleichen Ureinfaches, Urschö-


ließe, z. B. H. Venet. — Trent ist ein glücklicher Nachahmer des oben¬
erwähnten verstorbenen Schindler. — B>rabäö, der Ungar, ist unter
den Malern seines Vaterlandes, was Josika unter seinen Schriftstel¬
lern. Ein ungarischer Romantiker! — Die Hoffende, die Trau¬
ernde, die nachdenkende heißen drei Bilder, deren Vater schon
aus den Überschriften leicht zu erkennen ist. Es ist natale Schia-
vone, der an sentimentalen Töchtern der Art so reiche Vater, der schon
in einem Jahre mehr Mävchen malte, als es seit zwei Jahrhunder¬
ten in Kurhessen Maitressen gab, und das will viel sagen! — Re¬
volutionen wird er keine hervorbringen, wohl aber rasche
Wallungen des Geblütes, nicht nur in den Adern eines Wieners,
sondern auch in denen eines verhegelten Norddeutschen, und wenn er
noch so viel abstrahirt. So sind die Bilder Schiavone's; ob das
gut ist oder schlecht, überlasse ich dem individuellen Urtheile des einzelnen
Lesers. Auch glaube ich, sind diese Bilder mehr den Studienköpfen
zuzuzählen, als dem Genre. Daß sie nicht Poetcne sind, dafür
bürgt die Sittlichkeit der Wienerinnen.—Ganz anders ist es mit den
sogenannten Studienköpfen Ammerling's. Dieser Maler, der früher
nur das Reizende, nicht die Schönheit kannte, der Knalleffecte in
Farben, aber keine eigentlichen Eindrücke hervorzubringen wußte, hat
nun in Rom eine hohe Schule durchgemacht und heroisch alle die Feh¬
ler abgelegt, die blendenden Unarten, die ihn vor Jahren zum Ab¬
gott der Wiener machten. Italien konnte ihn zwar nicht lehren,
was Schönheit sei, denn das lernt sich nicht, aber den tiefen poeti¬
schen Sinn, den Sinn für die hohe Schönheit, die man nicht nur
mit dem Auge sieht, die man auch denken und fühlen muß, diesen
Sinn, der unter dem österreichischen Materialismus begraben lag, hat
die italienische S011115 geweckt und zu herrlichen, vollendeten Blüthen
hervorgezogen. Diese Blüthen heißen in der diesjährigen Ausstellung
und in der prosaischen Sprache des Katalogs.- Italienische Mädchen,
zwei alte Männer, ein Mann, Thorwaldsen's Porträt, Rebccka und
noch zwei Wiener Porträts. — Wir können unmöglich diese Bilder
beschreiben. Von einer Landschaft, einem Historienbilde lassen sich
wenigstens die Details auszählen, aber was soll man an diesen ein¬
zelnen Gestalten hervorheben? Beschreibe mir Einer den Mondschein,
die Krystallhelle eines Quells oder dergleichen Ureinfaches, Urschö-


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[0061] ließe, z. B. H. Venet. — Trent ist ein glücklicher Nachahmer des oben¬ erwähnten verstorbenen Schindler. — B>rabäö, der Ungar, ist unter den Malern seines Vaterlandes, was Josika unter seinen Schriftstel¬ lern. Ein ungarischer Romantiker! — Die Hoffende, die Trau¬ ernde, die nachdenkende heißen drei Bilder, deren Vater schon aus den Überschriften leicht zu erkennen ist. Es ist natale Schia- vone, der an sentimentalen Töchtern der Art so reiche Vater, der schon in einem Jahre mehr Mävchen malte, als es seit zwei Jahrhunder¬ ten in Kurhessen Maitressen gab, und das will viel sagen! — Re¬ volutionen wird er keine hervorbringen, wohl aber rasche Wallungen des Geblütes, nicht nur in den Adern eines Wieners, sondern auch in denen eines verhegelten Norddeutschen, und wenn er noch so viel abstrahirt. So sind die Bilder Schiavone's; ob das gut ist oder schlecht, überlasse ich dem individuellen Urtheile des einzelnen Lesers. Auch glaube ich, sind diese Bilder mehr den Studienköpfen zuzuzählen, als dem Genre. Daß sie nicht Poetcne sind, dafür bürgt die Sittlichkeit der Wienerinnen.—Ganz anders ist es mit den sogenannten Studienköpfen Ammerling's. Dieser Maler, der früher nur das Reizende, nicht die Schönheit kannte, der Knalleffecte in Farben, aber keine eigentlichen Eindrücke hervorzubringen wußte, hat nun in Rom eine hohe Schule durchgemacht und heroisch alle die Feh¬ ler abgelegt, die blendenden Unarten, die ihn vor Jahren zum Ab¬ gott der Wiener machten. Italien konnte ihn zwar nicht lehren, was Schönheit sei, denn das lernt sich nicht, aber den tiefen poeti¬ schen Sinn, den Sinn für die hohe Schönheit, die man nicht nur mit dem Auge sieht, die man auch denken und fühlen muß, diesen Sinn, der unter dem österreichischen Materialismus begraben lag, hat die italienische S011115 geweckt und zu herrlichen, vollendeten Blüthen hervorgezogen. Diese Blüthen heißen in der diesjährigen Ausstellung und in der prosaischen Sprache des Katalogs.- Italienische Mädchen, zwei alte Männer, ein Mann, Thorwaldsen's Porträt, Rebccka und noch zwei Wiener Porträts. — Wir können unmöglich diese Bilder beschreiben. Von einer Landschaft, einem Historienbilde lassen sich wenigstens die Details auszählen, aber was soll man an diesen ein¬ zelnen Gestalten hervorheben? Beschreibe mir Einer den Mondschein, die Krystallhelle eines Quells oder dergleichen Ureinfaches, Urschö-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/61>, abgerufen am 10.06.2024.